Andere Bedürfnisse – andere Problemlösungen |
26.05.2003 00:00 Uhr |
Frauen sind im Vergleich zu Männern offenbar überdurchschnittlich oft von arzneimittelbezogenen Problemen betroffen. Dies sollte sich auch in einer adäquaten pharmazeutischen Betreuung widerspiegeln.
Seit langem ist bekannt, dass sich Männer und Frauen in ihrem gesundheitlichen Verhalten unterscheiden. Sie sind unterschiedlichen Belastungen und Erkrankungen ausgesetzt und nehmen gesundheitliche Betreuungsleistungen nicht in gleichem Umfang in Anspruch. Seit sich nicht nur kritische Stimmen, sondern sich auch die Politik dieser Thematik stärker angenommen hat und die in den Krankenkassen vorliegenden Datenbestände geschlechtsspezifisch ausgewertet werden können, lassen sich diese Unterschiede quantitativ belegen. Daraus leitet sich nicht zuletzt die Frage ab, ob und wie sich diese Situation in der Apotheke widerspiegelt und inwieweit dies auch die pharmazeutische Betreuung berührt.
Frauen sind insgesamt in überdurchschnittlicher Weise am Arzneimittelverbrauch beteiligt, wobei die Unterschiede in einzelnen Indikationsgruppen besonders deutlich ausfallen und neben Überversorgung auch Unterversorgung zu konstatieren ist. Dazu tragen nicht nur frauenspezifische Therapiekonzepte bei (Kontrazeption, Menstruations- und Schwangerschaftsbeschwerden, Hormonersatztherapie), sondern vor allem auch andere, offenbar frauentypische Indikationsgruppen (Psychopharmaka, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Migränemittel, Venenmittel sowie Mittel gegen niedrigen Blutdruck), während Männer einen Mehrverbrauch an Lipidsenkern, Asthmamitteln, Gichtmitteln und Urologika aufweisen (1).
Da Frauen ihrer Gesundheit mehr Bedeutung beimessen als Männer, ihre Rollenfunktion in der Fürsorge für die Familie aktiver wahrnehmen und auch aufgeschlossener gegenüber präventiven Maßnahmen sind, verwundert es nicht, dass sie auch unter den Apothekenkunden überrepräsentiert sind. Dies wird nicht zuletzt durch apothekenbasierte Erhebungen, aber auch durch Studien zur pharmazeutischen Betreuung belegt, bei denen Frauen etwa 2/3 der Teilnehmer stellen [(2) (3) (4) (7) (8)].
Arzneimittelbezogene Probleme
Die Erkennung und Lösung von arzneimittelbezogenen Problemen bei individuell sehr unterschiedlichen Patienten bildet bekanntlich den Kernprozess der pharmazeutischen Betreuung. Mit der Spontanerhebung arzneimittelbezogener Probleme, die 1998 in Bayern durchgeführt und im gleichen Jahr publiziert wurde, konnte gezeigt werden, welchen Beitrag Apotheker zur Risikominimierung bei der Arzneimittelanwendung in der ambulanten Praxis leisten [(5) (6)]. Der aus dieser Erhebung resultierende Datenbestand wurde nun erneut ausgewertet, wobei die Frage nach einer geschlechtsspezifischen Differenzierung von arzneimittelbezogenen Problemen im Mittelpunkt des Interesses stand.
Erwartungsgemäß zeigte sich auch hier, dass Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise von arzneimittelbezogenen Problemen betroffen sind. So betreffen die dokumentierten arzneimittelbezogenen Problemen in Bayern zu 59,6 Prozent (n=1780) Frauen und nur zu 40,4 Prozent (n=1207) Männer (6). Dies wiederum reflektiert das bereits genannte Verhältnis von Frauen und Männern in apothekenbasierten Studien und kann als ein gewisser Hinweis auf die Repräsentativität der Erhebung gelten. Abbildung 1 zeigt die geschlechtsspezifische Problemschwerpunkte auf Basis der PI-Doc®-Klassifikation.
Da Frauen bei der Spontanerfassung arzneimittelbezogener Probleme überdurchschnittlich repräsentiert waren, überwiegen sie zahlenmäßig auch bei allen Problemkategorien. Betrachtet man die anteiligen Häufigkeiten geschlechtsdifferenziert, werden die Unterschiede aber noch deutlicher (siehe Tabelle). Insgesamt gesehen, ist bei Männern das häufigste arzneimittelbezogene Problem, mangelndes Wissen über die korrekte Applikation, mit 101 Nennungen. Bei Frauen ist das am meisten genannte Problem, Arzneimittel für die Indikation ungeeignet, mit 159 Nennungen.
Auf den Versuch einer detaillierten inhaltlichen Interpretation der festgestellten geschlechtsspezifischen Unterschiede soll an dieser Stelle verzichtet werden, da er weitestgehend auf Vermutungen angewiesen wäre. Dennoch fallen vor allem die Wissensdefizite auf, aber auch der Wunsch, aktiv mit einer Erkrankung umzugehen. Auch dass Frauen bei gesundheitlichen Fragen ängstlicher reagieren als Männer oder auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen beziehungsweise Interaktionen stärker achten, scheint diese Erhebung zu bestätigen
Frauen sind im Vergleich zu Männern offenbar überdurchschnittlich oft von arzneimittelbezogenen Problemen betroffen. Da zumindest ein Teil dieser Probleme durch eine aktivere Kommunikation zwischen Apotheker und Patientin gelöst und dadurch die Therapie individuell optimiert werden kann, sollten sich Apotheker bei Ihrer Beratung auf diese Situation einstellen. Gezielte Fragen zu Befindlichkeitsstörungen, zur Medikationswahl in der Selbstmedikation aber auch in Hinsicht auf Alter, Schwangerschaft, Stillzeit und bestehender Komedikation unterstützen diesen Prozess. Gleichzeitig tragen sie dazu bei, dass Patienten an konkreten Beispielen lernen, über die eigene Gesundheit und die gegebenenfalls notwendige Arzneimittelanwendung stärker und verantwortungsbewusster zu reflektieren.
Literatur
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