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Aktiver in ruhenden Zellen

26.11.2001  00:00 Uhr
TENOFOVIR

Aktiver in ruhenden Zellen

von Stephanie Czajka, Berlin

Tenofovir (Viread®) ist der erste antiretrovirale Wirkstoff aus der neuen Gruppe der nukleotidanalogen Inhibitoren der Reversen Transkriptase (NtRTI). Im Unterschied zur bekannten Gruppe der Nukleosidanaloga (NRTI) ist die Substanz einmal phosphatiert. Die Wirkung unterscheidet sich von den bekannten NRTI.

Viread erhielt am 26. Oktober dieses Jahres die Zulassung in den USA. Für Europa erwartet der Hersteller die Zulassung im kommenden Jahr. Im Rahmen von klinischen Studien wird Tenofovir auch jetzt schon in Deutschland angewendet. Vergangene Woche wurde der Newcomer auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.

Exakt bezeichnet heißt die neue Substanz Tenofovir Disoproxil Fumarat (TDF) und ist ein Prodrug. Tenofovir entsteht erst nach Abspaltung der Seitenketten am Phosphat in Plasma und Geweben. Während Nukleosidanaloga dreimal phosphatiert werden müssen, um zu wirken, bringt Tenofovir die erste Phosphatgruppe bereits mit. Der erste der drei Phosphatierungsschritte wird bei Nukleosidanaloga wie Zidovudin von einer Thymidinkinase katalysiert, erklärte Dr. Norbert Bischofsberger von Gilead Sciences in Foster City, USA. Dieses Enzym sei in ruhenden Zellen nicht sehr aktiv. Nukleosidanaloga sind daher dort schwächer wirksam als das neue Nukleotidanalogon Tenofovir.

Das Resistenzprofil von Tenofovir ist günstig. Es wirke auch noch bei Patienten die gegen NRTI mehrere Resistenzen ausgebildet hatten, sagte Bischofsberger. Nur eine Resistenz-Mutation (K65R) trat unter der Behandlung mit Tenofovir auf. Sie wurde bisher bei weniger als drei Prozent der Patienten nachgewiesen. Kreuzresistenzen mit NRTI wurden nicht beobachtet.

Wie klinische Studien an mehreren hundert Patienten zeigten, bleibt Tenofovir (in Kombination mit der laufenden antiretroviralen Therapie) meist über ein Jahr wirksam. Der Unterschied zur Placebogruppe war signifikant, berichtete Dr. Jürgen Rockstroh von der Universität Bonn. Unter dem Scheinmedikament stieg die Viruslast mit der Zeit an und der Anteil der Patienten mit einer Viruslast über der Nachweisgrenze von 400 Kopien pro ml war deutlich höher.

Zu Nebenwirkungen kam es unter Verum geringfügig häufiger als in der Placebogruppe (14 versus 13 Prozent). Meist waren sie schwach ausgeprägt. Am häufigsten litten die Behandelten unter gastrointestinalen Beschwerden. Weniger als ein Prozent der Patienten brach die Therapie ab. Mitochondriale Toxizität, also eine Störung der mitochondrialen DNA-Synthese, beobachteten die Prüfärzte nicht. Klinische Anzeichen für diese Nebenwirkung sind Polyneuropathie, Myopathie, Pankreatitis, Knochenmarkssuppression und besonders Laktatacidose.

Eine Demineralisation der Knochen, wie sie an Affen beobachtet wurde, trat beim Menschen nicht auf. Laborwerte wie Triglyceride, Kreatinkinase oder Amylase stiegen nicht stärker an als unter Placebo. Langzeitdaten für eine endgültige Risikoabschätzung fehlen jedoch noch, ergänzte Rockstroh. Insgesamt wurden bisher über 4500 Patienten mit dem Medikament behandelt.

Tenofovir beeinflusst das Cytochrom-P-450-Enzymsystem nicht. Wechselwirkungen mit Medikamenten, die über so metabolisiert werden, wurden nicht beobachtet. Tenofovir hat eine Bioverfügbarkeit von 40 Prozent und eine lange intrazelluläre Halbwertzeit von 50 Stunden in ruhenden und zehn Stunden in stimulierten Zellen. Es reicht aus, eine Tablette mit 300 mg einmal täglich einzunehmen. Tenofovir wird über die Niere ausgeschieden. In den USA wurde das Präparat zugelassen zur Kombinationstherapie bei Erwachsenen.

Status quo in der HIV-Therapie

Bislang stehen in Deutschland drei Klassen von HIV-Therapeutika zur Verfügung. Die Nukleosidanaloga oder Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) ähneln strukturell Basenbausteinen der viralen DNA und blockieren als Antimetaboliten kompetitiv das aktive Zentrum der Reversen Transkriptase. Im Gegensatz dazu greifen die Nicht- Nukleosidischen-Reverse-Transkriptasehemmer, kurz NNRTI, außerhalb des aktiven Zentrums an und hemmen das Enzym allosterisch.

Protease-Inhibitoren (PI) hemmen eine HIV-1-spezifische Protease. Sie hilft, komplexen Proteine, die nach Ablesen der viralen m-RNA am Ribosom entstehen, in funktionsfähigen Endprodukte zu zerschneiden. Während Reverse-Transkriptase-Hemmer die Umschreibung der viralen Information von RNA auf DNA unterdrücken, hemmen Protease-Inhibitoren den viralen Reifungsprozess. Top

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