"Allergie und Umwelt" auf der Scheele-Tagung |
18.11.1996 00:00 Uhr |
Pharmazie
"Allergie und Umwelt" auf der
Scheele-Tagung
Thema der Scheele-Tagung in Binz auf Rügen war diesmal "Das Unsichtbare im Visier". Es ging um Allergien, Umwelt und die Gefahren von Immunerkrankungen. Die Scheele-Tagung fand zeitgleich mit dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern vom 9. und 10. November 1996 statt.
Dr. Hasan Safayhi, Tübingen, zeigte auf, daß Veränderungen wie Vasodilatation, Erwärmung, Rötung, Schwellung und Schmerzen nur möglich sind, weil verschiedene Zelltypen wie Lymphozyten und Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems miteinander kommunizieren. Als Mediatoren der Empfindlichkeitsreaktionen, die von Mediatoren der Entzündungsreaktionen nicht zu trennen sind, nannte er Cytokine, Interleukine, Interferone, Radikale, Enzyme, Prostaglandine, den Tumornekrosefaktor und Leukotriene. So haben LTC4, LTD4 und LTE4 unter anderem bronchokonstriktorische Effekte, aber auch Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.
Als Krankheitsbilder mit erhöhten Leukotrienspiegeln im Blut, im Exsudat psoriatischer Läsionen, im Bronchialsekret, in Nasal-, Tränen-, Synovial- oder Rektalflüssigkeiten nannte Safayhi Asthma, zystische Fibrose, rheumatoide Arthritis, Psoriasis, Urtikaria, gastrointestinale Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Leber- und Nierenentzündungen, myokardiale Ischämie und akute Pankreatitis.
5-LOX-Hemmstoff-Boswelliasäure
Heute seien zahlreiche Stoffe zur Beeinflussung des Leukotrienstoffwechsels bekannt. Eine In-vitro-Hemmung konnte bei über 1200 chemischen Substanzen nachgewiesen werden. Bis dato habe sich jedoch kein Stoff bis zur Marktreife entwickeln lassen. Die Mehrheit der Substanzen sei nicht bioverfügbar und daher als Pharmakon nicht einsetzbar. 1986 sei man auf Weihrauch als Produkt eines Baumes aus der Familie der Boswellia, die in Nordafrika, im nahen und im fernen Osten und in Indien vorkommt, aufmerksam geworden. Schon in der Antike sei es zur Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen eingesetzt worden. Festgestellt werden konnte, daß sich mit einem Extrakt dieses Baumes die LTB4-Biosynthese hemmen läßt. Es kommt zur Blockierung der 5-Lipoxygenase durch die Acetyl-11-keto-ß-Boswelliasäure. Werden in Fertigpräparaten, die über die Schweiz heute auch in Deutschland erhältlich sind, Rohextrakte eingesetzt, so zeigen klinische Studien Effekte unter anderem bei rheumatoider Arthritis oder Colitis ulcerosa.
Allergische Arzneimittelreaktionen
Immuntoxische Stoffe stimulieren das Immunsystem, das kann zu Autoimmunerkrankungen führen. Sie können aber auch das Immunsystem supprimieren, was eine Störung der spezifischen und unspezifischen Abwehr mit Erhöhung der Infektanfälligkeit mit sich bringt oder auch fehlgeleitete Immunreaktionen im Sinne von Allergien bewirken kann. Als immuntoxisch relevante Stoffe in der Umwelt nannte Professor Dr. Gerhard Henninghausen, Rostock, Metalle und ihre Verbindungen, wie Beryllium (Legierungen), Chrom (Zement, Farben), Gold, Nickel (Modeschmuck). Es seien etwa sechzig Stoffe - darunter Hydralazin, Procainamid, Isoniazide, Methyldopa und Chinidin - bekannt, die mit der Entstehung des dem systemischen Lupus Frythematodes ähnlichen Syndrom in Verbindung gebracht werden. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang sei gegeben mit der Gabe von Penicillamin, Sulfasalazin, ß-Blockern, Lithium, Phenytoin und Propylthiouracil.
Zur diagnostischen Klärung allergischer Arzneimittelreaktionen an der Haut kämen der Epikutan-Test und der Photopatch-Test, der Scratch- und der Prick-Test sowie der Intrakutan-Test zum Einsatz. Bei Reexposition gelte es zunächst, eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen. Die Reaktionsstärke sei nicht vorhersehbar. Der Patient müsse unter klinischer Beobachtung stehen, Notfallbereitschaft müsse gewährleistet sein. Als In-vitro-Tests nannte Professor Dr. Manfred Pambor, Greifswald, den Radio-Allergo-Sorbent-Test (RAST) beziehungsweise die Bestimmung der Basophilendegranulation oder der Histaminliberation. Jedoch seien die Ergebnisse dieser Tests oft widersprüchlich, die Verfahren seien teuer und bedürften häufig eines großen Geräteaufwands, so daß man im Grunde über ein Routineverfahren zum Nachweis von Allergien nicht verfüge. Zur Therapie kämen Allergenkarenz, Antihistaminika, Corticoide, Schockbehandlung und Hyposensibilisierung, gegebenenfalls in Kombination, zum Einsatz. Man müsse weg kommen von der Polypragmasie, so Pambor. Das würde die Diagnose von Arzneimittelallergien wesentlich erleichtern.
Allergische Rhinosinusitis
1991 gab es mehr als 6000 Asthmatote, die Prognose ist nicht optimistischer geworden, sagte Dr. Silke Graumüller, Rostock. Nicht zuletzt werden Allergien auch hervorgerufen durch Hunde und Vögel, Schimmelpilze an Nahrungsmitteln, Staub in Büchern, Hausstaubmilben in flauschigen Teppichböden und Kuscheltieren. Bei der allergischen Rhinosinusitis, die mit Irritation der Nasenschleimhaut, Niesattacken, Sekretion und Ödem einhergehe, könne man gerade bei Kindern, die zum "allergischen Tic" beziehungsweise "allergischen Gruß" neigten ( Reibebewegung mit der Hand ausgelöst durch Juckreiz an der Nase), eine Nasenquerfalte und typisches Grimassieren feststellen.
Zur Therapie der allergischen Rhinosinusitis empfehle sich Karenz, Teilkarenz oder Immuntherapie. Symptomatisch behandle man mit Antihistaminika und Corticoiden. Bei einer Hausstaubmilbenallergie könne man Erleichterung durch einen Parkettfußboden erzielen, so daß man gerade bei Kindern auf Hyposensibilisierung verzichten könne.
PZ-Artikel von Christiane Berg, Binz
© 1996 GOVI-Verlag
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