Betablocker als erste Wahl fraglich |
07.11.2005 00:00 Uhr |
Schwedische Forscher sind der Ansicht, dass Betablocker nicht mehr als Mittel der ersten Wahl bei unkomplizierter Hypertonie gelten sollten. In einer Meta-Analyse konnten diese das Schlaganfallrisiko deutlich weniger senken als andere Antihypertensiva.
Nachdem schwedische Forscher bereits vergangenes Jahr den Nutzen von Atenolol bei Bluthochdruck bezweifelten, nahmen sie nun die gesamte Substanzgruppe unter die Lupe. Lars H. Lindholm und seine Kollegen von der Umea Universitätsklinik in Schweden durchsuchten dazu die Cochrane Library und PubMed nach randomisierten kontrollierten Studien. Sie schlossen insgesamt 13 Studien mit mehr als 105.000 Patienten in ihre Metaanalyse ein, in der Betablocker mit anderen Antihypertensiva verglichen wurden. Darüber hinaus untersuchten sie sieben Studien mit rund 27.400 Patienten, in denen der Effekt eines Betablockers dem von Placebo oder keiner Behandlung gegenüber gestellt wurde. Die Endpunkte im Fokus der Forscher waren die Rate von Schlaganfällen und Myokardinfarkten sowie der Einfluss auf die Gesamtmortalität. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachmagazin »The Lancet«.
Die Analyse bestätigte die aufgekommenen Zweifel: Zwar konnten Betablocker das Schlaganfallrisiko gegenüber Placebo beziehungsweise keiner Behandlung um 19 Prozent senken. Dies war jedoch nur eine halb so starke Risikoreduktion, wie man auf Grund vorangegangener Hypertonie-Studien hätte erwarten können. Bei den Endpunkten Herzinfarkt- und Mortalitätsrate ergab sich kein Unterschied zu Placebo.
Im direkten Vergleich zu anderen blutdrucksenkenden Substanzen schnitten Betablocker dementsprechend schlechter ab. Hier lag das relative Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, durchschnittlich 16 Prozent höher als bei den anderen Antihypertonika. Die Gesamtsterblichkeit war tendenziell gesteigert (um 3 Prozent). Keinen Unterschied stellten die Forscher bezüglich der Herzinfarktrate fest.
Eine separate Analyse zu Atenolol ergab sogar, dass die Behandlung mit dem Betablocker mit einem um 26 Prozent höheren Schlaganfallrisiko verbunden war als bei den Vergleichstherapien. Die Ergebnisse der anderen Betablocker waren weniger deutlich.
Umstieg gefordert
Das Fazit der Schweden aus ihrer Metaanalyse ist dagegen eindeutig: »Verglichen mit anderen antihypertensiven Arzneimitteln ist der Effekt von Betablockern weniger als optimal, verbunden mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko.« Daher fordern sie, dass Betablocker nicht länger Mittel der ersten Wahl in der Therapie der primären Hypertonie bleiben sollten. Auch als Referenzsubstanzen in zukünftigen kontrollierten Studien zu Bluthochdruck haben sie nach Meinung des Forscherteams ausgedient. Die Patienten sollten auf andere kostengünstige Antihypertensiva wie Thiazid-Diuretika, ACE-Hemmer oder Calciumantagonisten umgestellt werden. Ob und wann diese Forderungen Eingang in Leitlinien finden, muss abgewartet werden.
Quelle: Lindholm, L. H., et al., Should
b-blockers remain first choice in the treatment of primary hypertension? A
meta-analysis. The Lancet 366 (2005) 1545-1553.
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de