Erstes atypisches Neurolepetikum in Depotform |
21.10.2002 00:00 Uhr |
von Christiane Berg, Hamburg
Als wertvolle Therapiebereicherung haben Psychiater und Neurologen auf einer Pressekonferenz eine neue Depotformulierung des atypischen Neuroleptikums Risperidon bezeichnet.
Atypische Neuroleptika wie Risperidon haben in der Behandlung der Schizophrenie gegenüber konventionellen Substanzen zunehmend an Bedeutung gewonnen, sagte Professor Dr. Hans-Jürgen Möller, München. Die Therapie mit typischen Neuroleptika habe mehrere Nachteile: Es treten erhebliche motorische Nebenwirkungen auf, Affekt und Emotionalität sind stark eingeschränkt und die Minussymptomatik wird kaum beeinflusst. Defzite der Therapie seien weiterhin eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen, eine niedrige Compliance sowie eine Therapieresistenz in bis zu 30 Prozent der Fälle.
Atypika ermöglichten eine deutlich bessere Symptomkontrolle als die konventionellen Neuroleptika, so Möller. Sowohl die Plussymptomatik mit Wahnvorstellungen und optischen oder akustischen Halluzinationen als auch die Minussymptomatik, also Antriebsmangel, emotionale Abgestumpftheit, Leistungsversagen, Sprachverarmung und sozialer Rückzug, würden gemildert. Atypika lösten nicht nur seltener Spätdyskinesien aus, sondern seien auch besser verträglich und steigerten die Lebensqualität der Patienten deutlich.
Therapeutische Lücke geschlossen
Bislang stand keine Depotformulierung eines atypischen Neuroleptikums zur Verfügung. Die Risperidon-Formulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung schließe eine therapeutische Lücke. Erstmals lassen sich die bekannten und belegten Vorteile der Atypika mit den Vorteilen einer langwirksamen Darreichungsform verbinden, hieß es auf der Pressekonferenz. Der mikroverkapselte Wirkstoff (25 mg, 37,5 mg, 50 mg) muss zur Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe bei schizophrenen Psychosen nur alle zwei Wochen intramuskulär injiziert werden.
Soziale Integration gefördert
Schätzungen zufolge nehmen nur etwa 25 Prozent der Patienten mit schizophrenen Psychosen ihre Medikamente regelmäßig ein. Ein noch größerer Prozentsatz bricht die Langzeittherapie plötzlich ab. Dies sei auf die Nebenwirkungen der klassischen Neuroleptika zurückzuführen. Aber auch die mit der Tabletteneinnahme verbundene Angst vor Stigmatisierung beziehungsweise Erinnerung an die Erkrankung, fehlende Krankheitseinsicht und Vergesslichkeit könnten eine Rolle spielen, sagte Professor Dr. Dieter Naber, Hamburg.
Die mangelnde Compliance gehe mit häufigen Krankheitsrezidiven und einer deutlich schlechteren Prognose für den Patienten einher. Es käme zu einer Art „Drehtür-Psychiatrie“ – die Betroffenen müssten immer wieder stationär aufgenommen werden. Außerdem erschweren die zunehmende Therapieresistenz sowie kognitive und neuropsychologische Beeinträchtigungen und Fehlzeiten am Arbeitsplatz das Leben der Patienten zusätzlich. Von der Langzeittherapie mit einem Atypikum verspricht sich Naber eine deutliche Besserung der Therapietreue, nicht zuletzt dadurch, dass Arzt und Patient kontinuierlichen miteinander in Kontakt stehen.
Wie Naber erhofft sich auch der niedergelassene Neurologe Dr. Christian Deckert aus Hamburg von der Depot-Formulierung auf lange Sicht einen grundsätzlichen Abbau des Negativ-Images von Neuroleptika. Sie könnten die Rezidiv- und Rehospitalisierungsrate verringern und die Chancen auf soziale Integration erhöhen.
Vor der Behandlung mit Risperdal Consta® müssen die Patienten zunächst auf eine perorale Formulierung von Risperidon eingestellt werden. Über drei Wochen muss dann nach der ersten Injektion die perorale Weiterbehandlung gewährleistet sein.
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