Gesundheitscheck als Chance für die Apotheken |
28.04.1997 00:00 Uhr |
Pharmazie
"Es
geht nicht darum, daß die Apotheke in die Diagnose
eingreift. Das ist nicht so und soll auch nicht so
sein", betonte Professor Dr. Horst Weber vom
Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität
Düsseldorf am 27. April bei einem Seminar im Rahmen des
34. DAV-Wirtschaftsforums in Baden-Baden. Er bezog sich
dabei auf die von vielen Apotheken angebotene Bestimmung
von Risikofaktoren im Blut, die durch eine bundesweite
Aktion zur Zeit verstärkt in den Blickpunkt der
Öffentlichkeit gerückt ist.
Es handele sich um eine Informationskampagne,
die die Bevölkerung zur frühzeitigen Kontrolle ihrer
Blutglucose- und Cholesterolwerte ermuntern wolle - nicht
erst, wenn sich bereits Krankheiten wie Diabetes,
Arteriosklerose oder KHK manifestiert haben. Die Apotheke
könne und müsse bei der Gesundheitsprävention eine
viel größere Rolle spielen, wünscht sich Weber. Auch
wenn viele Ärzte eine Einmischung in die
Diagnosestellung befürchten.
Aus Webers Sicht eine vollkommen unberechtigte Angst,
denn: "Der Stellenwert der Labordiagnostik für die
Diagnose ist sehr begrenzt." Für eine umfassende
Diagnose seien zahlreiche andere Punkte notwendig, die
der Apotheker nicht erfassen könne, dürfe und wolle.
Nach Webers Überzeugung hat der Gesundheitscheck in
Apotheken einen ganz anderen Anspruch, nämlich den der
Profilierung als Heilberuf, der Kundenbindung, der
Gesundheitsprävention sowie den Einstieg des Apothekers
in die Gesundheitserziehung und Ernährungsberatung der
Bevölkerung.
Aus Sicht des Hochschullehrers ist für diesen Zweck das
Bestimmungangebot vieler Apotheken noch nicht
ausreichend. Zu Zeit stünden vor allem die Blutglucose
und das Cholesterol im Vordergrund; nach seiner
Überzeugung müssen mindestens noch die Harnsäure und
die Triglyceride als Prüfparameter hinzukommen, besser
auch noch Faktoren wie HbA1c, Kreatinin, GOT
(Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) oder GGT
(Gamma-Glutamyl-Transferase). Ziel müsse die umfassende
Beurteilung und Beratung zu den gängigsten
Gesundheitsrisiken sein, angefangen bei Diabetes, Gicht,
Fettstoffwechselstörungen bis hin zu Nieren- und
Lebererkrankungen.
Voraussetzung für die Etablierung der Apotheken auf dem
Gebiet der Blutanalytik ist die Exaktheit der
Meßergebnisse, erinnerte Weber in Baden-Baden. Es komme
dabei sowohl auf genau messende, geeichte Geräte an, als
auch auf die korrekte Probennahme, -vorbereitung und
Gerätehandhabung seitens des Apothekenpersonals.
Eingesetzt werden heute in erster Linie die als
"Trockenchemie" gehandelten Testverfahren mit
Teststreifen, die als Reagenzträger fungieren (zum
Beispiel Reflotron-System). Im Kommen sei auch die
weniger störungsempfindliche Analyse mit Sensoren (zum
Beispiel Glucometer Elite). Für den Apothekengebrauch
sind nach seiner Überzeugung multifunktionale
Testsysteme der Verwendung von Mono-Schnelltestgeräten
vorzuziehen, die für den Patienteneigengebrauch
konzipiert wurden.
Die Meßergebnisse sind grundsätzlich nur dann
vergleichbar, wenn mit der gleichen Testmethode gemessen
wurde, erinnerte er mit Blick auf Diskussionen um
abweichende Ergebnisse bei der Kontrolle von
Apothekenwerten in Kontrolllaboren, die vor einigen
Jahren in Berlin für Aufsehen gesorgt hatten.
Vermeidbare Fehler
Am Beispiel eines Testsystems, mit dem sich
reflexionsphotometrisch aus dem Kapillarblut 16 Parameter
bestimmen lassen (Reflotron), machte Dr. Gerd Heymer von
Boehringer Mannheim auf weitere Punkte aufmerksam, die
die Ungenauigkeitsquote von Bluttests deutlich minimieren
können. Fehlermöglichkeiten wie das Probenvolumen oder
Kalibrierungsungenauigkeiten seien bei dem von dem
Mannheimer Unternehmen entwickelten System von
vorneherein ausgeschaltet, da sie durch das Gerät
kontrolliert werden: Ein Magnetcode auf den
Reagenzträgern gewährleistet für jede Messung eine
neue Kalibrierung; das Probenvolumen wird durch
definierten Druck der Meßeinheit, einer Ulbricht`schen
Kugel, auf den Reagenzträger bestimmt.
Trotzdem ist nach wie vor die Kompetenz des
Laborpersonals gefragt. Denn durch das Auftragen von zu
wenig Probe kann es auch hier zu falschen Ergebnissen
kommen; ebenso, wenn die Trennkapazität des
Glasfaserstreifen auf dem Reagenzträger durch erheblich
zuviel Probe überschritten wird und so keine exakte
Isolierung des Plasmas möglich ist. Um diese Fehler zu
vermeiden, sind die Kapillaren zur Probenahme mit einer
Volumenmarkierung versehen.
Heymers Tips zur Probennahme und -bearbeitung:Die Fingerbeere zuvor durch Reiben gut durchbluten;
kein Auspressen des Blutes, da es dadurch zur Vermischung mit Plasmaflüssigkeit und damit zu zu niedrigen Meßwerten kommen kann;
Probennahme an der "nicht aktiven" Hand, das heißt bei Rechtshändern links, bei Linkshändern rechts, an wenig gebrauchtem Finger (kleiner, Ring- oder Mittelfinger);
Einstich seitlich der Fingerbeere, da sich dort weniger schmerzempfindliche Nerven befinden und da dort die ergiebigeren Kapillaren verlaufen;
Probennahme am besten seitlich vom hängenden Tropfen;
Auftragen der Probe auf den Reagenzträger erst unmittelbar vor der Bestimmung.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Baden-Baden
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