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Der erste perorale Neuraminidase-Hemmer

21.02.2000  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag OSELTAMIVIR

Der erste perorale Neuraminidase-Hemmer

von Ulrike Wagner, Friedrichsruhe

Mit Oseltamivir (Tamiflu®) plant Hoffmann-La Roche, im Herbst den ersten oral verfügbaren Neuraminidase-Hemmer auf den deutschen Markt zu bringen. Das erklärten Vertreter des Unternehmens während eines Presseforums in Friedrichsruhe. Das Medikament ist bereits in den USA, der Schweiz und in Kanada auf dem Markt.

Entscheidender Unterschied zum ersten zugelassenen Neuraminidase-Inhibitor Zanamivir (Relenza®) von GlaxoWellcome ist die Applikationsweise. Das ältere Medikament, das seit Oktober letzten Jahres auf dem deutschen Markt ist, muss wegen seiner minimalen Verfügbarkeit nach peroraler Applikation inhaliert werden. Im Januar informierte der Hersteller, dass bei einigen Patienten unter Zanamivir Bronchospasmen und/oder eine Verminderung der Lungenfunktion aufgetreten waren.

Bei Oseltamivir handelt es sich um ein Prodrug, das Esterasen in der Leber und im Gastrointestinaltrakt zu über 70 Prozent in den aktiven Metaboliten GS4071 umwandeln. Dessen Bioverfügbarkeit liege bei 80 Prozent, erklärte Professor Dr. Dr. Michael Kurowski, Berlin. Tierversuche hatten gezeigt, dass der aktive Neuraminidase-Inhibitor in alle von Influenzaviren betroffenen Regionen im unteren und oberen Respirationstrakt gelangt. Der Spiegel des Wirkstoffs in der broncho-alveolären Flüssigkeit entspricht zumindest bei Ratten dem Plasmaspiegel - mit einer längeren Halbwertszeit.

Ein Eindringen des Wirkstoffs in Zellen sei nicht nötig, da die Neuraminidase-Hemmer extrazellulär wirken. Sie verhindern, dass die Influenzaviren sich von den Sialinsäuremolekülen der Membran lösen und weitere Zellen infizieren.

Oseltamivir ist innerhalb von 30 Minuten im Plasma nachweisbar und erreicht nach drei bis vier Stunden seine Maximalkonzentration. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei sechs bis zehn Stunden. Der Neuraminidase-Inhibitor wird nicht weiter metabolisiert und über die Niere ausgeschieden. Weder Oseltamivir noch sein Metabolit interagieren mit dem Cytochrom-P450-Enzymsystem, Interaktionen mit anderen Medikamenten erwarten die Experten daher nicht.

Hoffmann-La Roche hat Oseltamivir in zwei klinischen Studien der Phase II und III gegenüber Placebo getestet. Insgesamt nahmen 1400 Patienten daran teil. In einer Phase-III-Studie erhielten etwa 400 Patienten das Medikament oder Placebo innerhalb von 36 Stunden nach Beginn der Symptome. Zweimal täglich eingenommen, reduzierten 75 mg der Substanz die Dauer der Symptome von durchschnittlich 4,3 Tagen unter Placebo auf drei Tage. Die Schwere der Symptome reduzierte sich um 38 Prozent, Sekundärinfektionen traten zu 43 Prozent seltener auf. Bronchitiden, Entzündungen der Nasennebenhöhlen und Pneumonien waren dabei die Komplikationen, die am stärksten zurückgingen. Die Nebenwirkungen von Oseltamivir sind gering, Hauptsymptome waren milde gastroinestinale Störungen. Hoffmann-La Roche entwickelt derzeit nach Angaben von Dr. Jürgen Maares ein Oseltamivir-Präparat als Suspension für Kinder.

Prophylaktisch eingesetzt, reduzierte Oseltamivir die Häufigkeit von Influenzaerkrankungen um 74 Prozent, verglichen mit Placebo. Mehr als 1500 Gesunde hatten in zwei Studien den Wirkstoff oder Placebo sechs Wochen lang eingenommen. Dr. Barbara Schäfer von Hoffmann-La Roche betonte, die Prophylaxe komme nur für Risikopatienten in Frage, die nicht rechtzeitig gegen Grippe geimpft wurden. Die Experten sehen auch heute noch - trotz Neuraminidase-Inhibitoren - die Impfung als die wichtigste Prophylaxe vor Influenzainfektionen an.

Damit Neuraminidase-Inhibitoren ihre Wirkung optimal entfalten, müssen sie früh eingesetzt werden. Bei der Diagnostik der Influenza gibt es aber immer noch Unsicherheiten. "Die Influenza ist klinisch leicht zu diagnostizieren, wenn man weiß, dass sie derzeit in der Region auftritt", sagte Professor Dr. Werner Lange, ehemaliger Direktor des Robert-Koch-Instituts. Er forderte deshalb ein schnelleres Frühwarnsystem für Influenzaepidemien.

Maares stellte eine Checkliste zur Influenza-Diagnostik vor. Diese Checkliste war von den Ärzten in den klinischen Studien verwendet worden. Die Trefferquote habe bei etwa 70 Prozent gelegen.

Für die Diagnose Influenza sollten alle drei Symptome der ersten Gruppe vorhanden sein und jeweils eines aus den Gruppen zwei und drei.

Checkliste

Gruppe 1:
Influenza in der Region
Plötzliche Erkrankung
Fieber/Schüttelfrost

Gruppe 2:
Muskel- und Gliederschmerzen
Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Kopfschmerzen

Gruppe 3:
Husten
Heiserkeit
Bettlägerigkeit

Roche entwickelt derzeit einen Schnelltest zur Influenza-Diagnostik. Mit diesem Test kann die Infektion mit fast 80-prozentiger Sicherheit bestimmt werden. Da sich das Virus am ersten Tag der Infektion jedoch nur selten nachweisen lässt, müsse die klinische Diagnose an erster Stelle stehen, betonte Professor Dr. Georg E. Vogel, München. Die Schnelltests dienten nur zur Unterstützung.

Mit vier bis fünf Millionen Erkrankten pro Jahr in Deutschland und allein in der letzten Saison mit bis zu 15 000 Toten sei die Influenza eine der am stärksten unterschätzten Erkrankungen, erklärte Lange. Weil sich das Virus ständig verändert, ist es zudem schwierig, einen wirksamen Impfstoff herzustellen. Top

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