Verwilderte Haustauben werden unterschätzt |
20.01.1997 00:00 Uhr |
Pharmazie
Verwilderte Haustauben werden
unterschätzt
Verwilderte
Haustauben bringen in der Regel katastrophale Folgen für
Menschen und Stadtverwaltungen. Neben der
Kotverschmutzung auf Plätzen, Straßen und an Gebäuden
sind sie gefährliche Krankheitsüberträger.
In Deutschland gibt es mehrere wildlebende
Taubenarten, wobei die von der Felsentaube abstammende
Verwilderte Haustaube in den Städten eine besondere
Stellung einnimmt. Die Zerstörung vieler Taubenschläge
während des letzten Krieges, die günstigen
Nistmöglichkeiten in Ruinen und nicht zuletzt die
intensive Fütterung haben erheblich dazu beigetragen,
daß der Siegeszug der Verwilderten Haustauben anhält.
Die Tiere zeigen kein einheitliches Erscheinungsbild.
Gefiederfarben und Statur der Tiere variieren stark.
Obwohl die Felsentauben noch reine Körnerfresser waren,
hat sich die Verwilderte Haustaube völlig an ihren
Lebensraum Stadt angepaßt. Das Nahrungsspektrum reicht
dementsprechend von Körnern über Brot, Brötchen,
Bockwurst bis zu Süßigkeiten und Abfällen von
Hamburgern.
Bis zu zehn Bruten pro Jahr
Die Haustaube ist von Natur aus Höhlenbrüter,
und auch die Verwilderte Haustaube bevorzugt
entsprechende Nistplätze. Da sie gegen Zug und nasse
Kälte empfindlich sind, werden in der Regel
höhergelegene Niststätten an geschützten Süd- und
Ostseiten von Gebäuden angelegt. Während die
Felsentaube nur zwei bis drei Bruten pro Jahr aufzieht,
bringt es die Verwilderte Haustaube unter guten
Bedingungen auf bis zu zehn Bruten.
Bemerkenswert ist die lebenslange Treue zum Partner
sofern die Paare nicht durch äußere Einflüsse getrennt
werden. Der Aktionsradius eine Schwarmes ist nicht
größer als 500 Meter. Dabei werden nur Wege von Nist-
und Futterplatz zurückgelegt, was vermutlich darin
begründet ist, daß an den Hauptnahrungsquellen nicht
gleichzeitig geeignete Brut- und
Übernachtungsmöglichkeiten gegeben sind. Sind Futter-
und Nistplatz in unmittelbarer Nähe, sinkt der
Aktionsradius.
Belästigung und Verschmutzung mit Taubenkot
Eine Taube produziert pro Jahr etwa fünf bis
sechs Pfund Kot. Daher summiert sich der Kot eines
Schwarmes zu beträchtlichen Mengen; öffentliche
Gebäude, Wohnhäuser und Denkmäler werden mitunter so
stark beschmutzt, daß alte Fassaden in erheblichem Maße
beschädigt werden. Um Substanzschäden vorzubeugen,
werden historische Gebäude regelmäßig für viel Geld
gereinigt und saniert.
Zudem brauchen Tauben zur Verdauung täglich größere
Mengen Grit (Sandstein), wobei Mauer- und Putzteile durch
Fraß beschädigt werden. Die Tiere schleppen Körner
aller Art mit sich oder scheiden diese unverdaut wieder
aus, so daß sich auf Dächern, Dachrinnen und
Mauersimsen eine üppige Vegetation bilden kann. Damit
kommen weitere sekundäre Schäden hinzu. Bei den
zahlreichen Beschwerden, die bei den öffentlichen
Ämtern eingehen, wird auch über die Geruchsbelästigung
durch den übel stinkenden Taubenkot geklagt. Der Gestank
wird teilweise als so stark geschildert, daß in
angrenzenden Wohnungen die Fenster nicht geöffnet werden
können.
Viel schwerwiegender ist jedoch die Tatsache, daß
Verwilderte Haustauben Krankheiten übertragen.
Insbesondere Salmonellen sind teilweise weit verbreitet;
diese können beim Menschen zu schweren
Magen-Darm-Erkrankungen führen. Daneben ist die
Tuberkulose in vielen Populationen verbreitet, die zwar
in erster Linie für Hausgeflügel eine Gefahr darstellt,
aber auch auf den Menschen übertragbar ist.
An der Papageien-Krankheit sterben vor allem Jungtauben.
Befallene Alttauben haben offensichtlich so viele
Antikörper im Blut, daß die Krankheit nicht ausbricht,
aber das Tier als Zwischenwirt fungiert. Bei den
menschlichen Papageien-Krankheiten bildet stets ein
besonders enger Kontakt mit Tauben die Voraussetzung zur
Infektion, wobei eine direkte Übertragung vom Tier auf
den Menschen nicht erforderlich ist. Ebenso besteht die
Möglichkeit, daß Verwilderte Haustauben Rassetauben
infizieren und sich die Krankheit so einen Weg zum
Menschen bahnt.
Außerdem können Tauben auch Plagen durch Gliederfüßer
verursachen. In Taubennestern und auf den Nist- sowie
Schlafplätzen entwickelt sich eine Vielfalt von
Gliederfüßern, die von hier aus ihren Weg in den Wohn-
und Arbeitsbereich des Menschen nehmen. Hervorzuheben
sind die Taubenmilbe und Taubenzecke, die auch Menschen
belästigen, was in der Regel zu ernsthaften Erkrankungen
und Allergien führt. Taubenzecken sind äußerst robust
und können mehrere Hungerperioden schadlos überstehen.
Ferner sind sie außerordentlich widerstandsfähig
gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen, was
ihre Bekämpfung wesentlich erschwert. Neben Milben und
Zecken sind ebenfalls schon Bettwanzen in Wohnungen
aufgetreten, die an Taubenniststätten angrenzten. Auch
hier konnte ein direkter Bezug zu den Taubennestern
hergestellt werden.
Verwilderte Haustauben sind eine ernstzunehmende Gefahr
für die menschliche Hygiene und Gesundheit. Unter keinen
Umständen darf diese Tatsache bagatellisiert werden. Die
Verharmlosung solcher Gefahren wird in der Regel erst
dann erkannt, wenn der Schaden bereits entstanden ist.
Bestes Beispiel dafür ist der Ausbruch der Pest in
Indien, wo in manchen Hindu-Tempeln Tausende heiliger
Ratten durchgefüttert werden.
PZ-Artikel von Thomas F. Voigt
© 1996 GOVI-Verlag
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