Omega-3-Fettsäuren als Nährstoff und Arznei |
30.12.1996 00:00 Uhr |
Pharmazie
Omega-3-Fettsäuren als Nährstoff und Arznei
Langkettige
Omega-3-polyungesättigte Fettsäuren (Omega-3-PUFA) sind
für den Menschen essentiell und mit interessanten
Wirkmechanismen ausgestattet. Ihren Stellenwert in der
Prävention und klinischen Therapie unterstrichen
Experten auf der »International Conference on Highly
Unsaturated Fatty Acids in Nutrition and Disease
Prevention« in Barcelona.
Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure
(DHA) sind die wichtigsten Vertreter der Omega-3-PUFA.
Sie kommen mit hohem Gehalt in fettem Seefisch vor und
sind Bestandteile der Fischölkapseln. Im Körper werden
EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure (ALA) als Vorstufe
synthetisiert. Die Metabolisierungsrate aus ALA ist
jedoch ungenügend, ebenso deren Verfügbarkeit aus
Nahrungsmitteln, hauptsächlich Pflanzenfetten. Dadurch
kommt es zur Überversorgung mit Omega-6-PUFA, deren
Vorstufe Linolsäure (LA) reichlich in Pflanzenölen
vorkommt.
Für eine optimale Grundernährung sollte nach Meinung
der Ernährungswissenschaftler die Gesamt-Fettzufuhr
weniger als 30 Prozent und die an PUFA bis zu 8 Prozent
der Gesamtkalorien betragen. Entscheidend ist aber das
Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-PUFA. Empfohlen ist
ein Verhältnis zwischen 5:1 und 3:1, das aber nur
erreichbar ist, wenn etwa 750 g fetter Fisch pro Woche
verzehrt oder täglich 4 bis 8 g Fischöl beziehungsweise
1 bis 3 g Omega-3-PUFA eingenommen werden.
Der Verzehr von viel fettem Seefisch korreliert mit
geringerer Morbidität und Mortalität an koronaren
Herzkrankheiten (KHK). So senken Omega-3-PUFA erhöhte
Fibrinogenkonzentrationen im Blut, bewirken bei
Bluthochdruck eine Senkung von durchschnittlich 10
Prozent und reduzieren die Synthese von
Entzündungsmediatoren einschließlich des
gefäßverengenden Thromboxans und des
Zellproliferationfördernden Wachstumsfaktors PDGF
(platelet-derived growth factor). Sie vermindern zudem
die Insulinresistenz und reduzieren Albuminverluste bei
Diabetikern. Neu ist die Erkenntnis, daß Omega-3-PUFA
die Bildung von Stickoxid (NO) steigern und somit
indirekt zur Gefäßdilatation beitragen.
Wie Professor Michael Gibney von der Trinity College
Medical School in Dublin zeigen konnte, sind die
Einzeleffekte der Omega-3-PUFA zwar teilweise gering, ihr
kumulativer Einfluß auf alle KHK-Risikofaktoren bewirkt
aber eine dramatische Reduktion des KHK-Risikos. So
senken Omega-3-PUFA den postprandialen
Triglyceridspiegel, einen eigenständigen Risikofaktor
mit zunehmender Bedeutung.
Starkes klinisches Interesse findet die Supplementierung
mit Omega-3-PUFA auch in der Sekundärprophylaxe der
Restenose. Hierzu gibt es bereits mehrere Studien mit
positivem Ergebnis, allerdings auch einige, die mangelnde
oder fehlende Wirksamkeit aufzeigen. Erste
Zwischenergebnisse einer neuen italienischen
Multicenterstudie stellte Dr. Raffaele De Caterina vom
C.N.R. Institute of Clinical Physiology, Pisa, vor. Die
Supplementierung erfolgte mit hochgereinigten
Omega-3-PUFA-Ethylestern (anteiliger Gehalt 0,5 g EPA und
0,35 g DHA pro 1g Ester) mit täglich sechs Kapseln, die
zusätzlich noch Vitamin E enthielten. Von den
ursprünglich aufgenommenen 286 Patienten erreichten 254
das Studienziel. Einen klinischen Effekt der Kapseln habe
er nicht nachweisen können, so Raffaele.
Omega-3-PUFA bilden metabolisch schwächer wirksame
Eicosanoide der Thromboxan- und Leukotrienreihe im
Vergleich zur Arachidonsäurekaskade und hemmen deren
Synthese aus Arachidonsäure. Dieses Wirkprofil eröffnet
interessante Aspekte für die Therapie von rheumatischen
und entzündlichen Erkrankungen. Fischöl (Omega-3-PUFA)
oder Gamma-Linolensäure (GLA, Omega-6-PUFA) erwiesen
sich in höherer Dosis wirksam in der Behandlung der
Neurodermitis (atopisches Ekzem), Psoriasis, der
infantilen seborrhoischen Dermatitis und insbesondere der
häufigen Windeldermatitis.
Wie Professor Vincent A. Ziboh von der University of
California in Davis, USA, erläuterte, werden über
epidermale Enzyme der Haut antientzündliche und
antiproliferative PUFA-Metaboliten gebildet. Diese
bringen entzündliche Hauterscheinungen rasch zum
Abklingen oder verbessern sie drastisch bei involvierter
gestörter immunologischer Ausgangsbasis. Eine Reihe
kontrollierter, doppelblinder Studien belegt den
therapeutischen Nutzen einer Supplementierung mit
Omega-3-PUFA bei rheumatoider Arthritis. Nach Professor
Joel Kremer vom Albany Medical College, USA, müßten
Omega-3-PUFA in der therapeutischen Hierarchie einen
festen Platz einnehmen. Die meisten Ärzte, so Kremer,
würden jedoch zu Unrecht eine Supplementierung bei
rheumatoider Arthritis ablehnen. Durch die Einnahme von
Omega-3-PUFA könne eine signifikante Einsparung
nichtsteroidaler Antirheumatika erreicht werden.
Designer Food als Fischersatz
Zur Grundversorgung mit Omega-3-PUFA genügt ein
ausreichend hoher Konsum von fettem Seefisch. Viele
Personen mögen jedoch keinen Fisch und lehnen auch
Fischölkapseln wegen des Nachgeschmacks ab. Mittlerweile
stellt die Industrie hochkonzentrierte
Omega-3-PUFA-Derivate her, die praktisch geschmack- und
geruchlos und wesentlich einfacher als herkömmliche
Fischölkapseln einzunehmen sind. Damit wird nicht nur
die Supplementierung vereinfacht, auch in Nahrungsmitteln
bieten sich neue Perspektiven zur Anreicherung.
Verschiedene angereicherte Nahrungsmittel sind bereis im
Markt: Joghurt, Margarine, Mayonnaise, Salatsoßen und
Fruchtsäfte.
PZ-Artikel von Gunter Metz, Barcelona
© 1996 GOVI-Verlag
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