Pharmazie
Brivudin, eine Alternative gegen
Herpesviren
Schon seit einigen Jahren gibt es
neben Aciclovir, Valaciclovir und verwandten Stoffen ein
weiteres Präparat zur Behandlung des Herpes zoster auf
dem deutschen Markt: Brivudin, ein Pyrimidinanalogon, das
wie das Purinderivat Aciclovir in die virale DNA-Synthese
eingreift. Brivudin wird nur peroral verabreicht, wirkt
in vergleichsweise niedriger Dosierung und hat einen
schnellen Wirkungseintritt.
Das Präparat wurde in der ehemaligen DDR
entwickelt, und nachdem präklinische und toxikologische
Studien auf den heute üblichen Stand gebracht wurden,
stellte die Firma Berlin Chemie das Medikament jetzt auf
einem Symposium in Berlin vor. Wie Aciclovir, wird auch
Brivudin durch eine dreifache Phosphorylierung in die
eigentliche Wirkform umgewandelt. Die ersten beiden
Schritte katalysieren virale Thymidinkinasen, so daß die
Reaktion auf virusbefallene Zellen beschränkt bleibt.
Der falsche Baustein wird von der DNA-Polymerase in das
Virusgenom eingebaut, die Matrize kann nicht abgelesen
werden, RNA- und Proteinsynthese sind gehemmt. Außerdem
kommt es zu DNA-Strangbrüchen.
Brivudin wird bei allen Formen des Herpes zoster
eingesetzt und ist auch zur Behandlung immunsupprimierter
oder multimorbider Patienten geeignet (siehe auch PZ
33/96, Seite 14). Darüber hinaus ist es bei schweren
Herpes-simplex-Infektionen indiziert. Hier wirkt es
jedoch nur gegen Viren vom Typ 1, also jenen Subtyp, der
in der Mehrzahl der Fälle Lippenherpes hervorruft. Gegen
Viren vom Typ 2 (Herpes genitalis) ist Brivudin im
Unterschied zu Aciclovir wirkungslos. Professor Dr. Peter
Wutzler vom Klinikum der Friedrich Schiller Universität
in Jena verglich an 48 Patienten mit maligner
Grunderkrankung die Wirkung von Aciclovir-Infusionen mit
peroralem Brivudin. Beide Medikationen wirkten sich
gleich auf Läsionen, Schmerzen, den zeitlichen Verlauf
der Verkrustung und das subjektive Befinden der Patienten
aus.
Dr. Verena Schuy von der Universitätshautklinik in
Düsseldorf beobachtete nach Anwendung von Brivudin bei
20 Patienten mit Herpes-zoster- oder schweren
Herpes-simplex-Infektionen folgenden Verlauf: Nach dem
ersten Tag bildeten sich im Durchschnitt keine
Hauterscheinungen mehr, am vierten Tag waren sämtliche
Wunden verkrustet, und ab dem neunten Tag begann der
Schorf abzufallen.
Die Nebenwirkungen von Brivudin sind gering. Die
Untersuchungen zur Mutagenität und Teratogenität von
Brivudin waren unauffällig. Da aber Erfahrungswerte
fehlen, raten die Verantwortlichen von einer Anwendung
bei Schwangeren ab. Stehen Patienten unter einer Therapie
mit 5-Fluorouracil, ist Brivudin kontraindiziert.
Effektiv nur bei aktiven Viren
Wie bei Aciclovir ist die Bioverfügbarkeit von Brivudin
mit 33 Prozent sehr niedrig. Dennoch reicht eine
tägliche Dosis von viermal 125 mg aus. Nach einer Stunde
ist dann das Viruswachstum zu 70 Prozent gehemmt, nach
vier Stunden werden 100 Prozent erreicht, die
Halbwertszeit liegt bei 13 bis 15 Stunden. Da die Wirkung
von Brivudin eine aktive Virustätigkeit voraussetzt, hat
auch dieses Medikament keinen Einfluß auf latent ruhende
Viren.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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