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Hormone im Fluss

03.12.2001  00:00 Uhr

Hormone im Fluss

von Holger Neye, Münster

Der Medikamentenverbrauch ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. In der Folge gelangen auch größere Mengen Arzneistoffe in die Umwelt.

Besonders Substanzen, die im Organismus nur langsam abgebaut werden, sind meist auch in der Umwelt stabil. Sind die Arzneistoffe zudem gut wasserlöslich, verteilen sie sich leichter in der Umwelt. Wirksame und ökotoxische Eigenschaften liegen also eng beieinander. 1999 wurden in der Europäischen Union und der Schweiz circa dreizehntausend Tonnen Antibiotika verbraucht. Alleine in Deutschland produziert die Pharmaindustrie pro Jahr zwischen 30.000 und 35.000 Tonnen Arzneimittel. Ein Teil davon gelangt zum Beispiel über Abwässer und Gülle in die Umwelt. Wissenschaftler fanden bei einer Stichprobe 7,3 µg Clofibrinsäure pro Liter Berliner Brunnenwasser. Andere Umweltforscher bestimmten im Abfluss einer Kläranlage Estron-Konzentrationen von 70 Nanogramm pro Liter. Im Flusswasser lag die Konzentration des Metaboliten von 17-b-Estradiols immerhin noch bei 1,6 Nanogramm pro Liter.

Die ökotoxikologischen Folgen dieser Rückstände seien zur Zeit noch nicht absehbar, erklärte Dr. Gerd Hamscher von der Tierärztlichen Hochschule Hannover kürzlich während einer Veranstaltung der DPhG in Münster. Aber erste Untersuchungen deuteten daraufhin, dass insbesondere Stoffe mit hormoneller Wirkung Konzentrationen erreichen, die Wasserlebewesen schädigen können. Im Vergleich zu anderen wichtigen Umweltkontaminanten wie den Pestiziden belasteten Arzneimittel allerdings nicht permanent die Ökosysteme, sondern abhängig von der Jahreszeit.

Zwar würden in der Veterinärmedizin weniger Medikamente als in der Humanmedizin verbraucht, bei circa 26 Millionen Schweinen und 15 Millionen Rindern in Deutschland müsse man jedoch mit einem beachtlichen Eintrag in die Umwelt rechnen, so der Referent.

Mit einem Boden-Dauerbeobachtungsprogramm kontrollieren inzwischen Wissenschaftler in Niedersachsen, welche Mengen der bedeutendsten Tetracycline über die Gülle in die Umwelt gelangen. Definierte Flächen mit gut dokumentierter Bodennutzung und -beschaffenheit, genaue Wetterdaten sowie brachliegende Vergleichsflächen ermöglichen aussagekräftige Feldstudien. Die Forscher fanden mit Hilfe einer aufwändigen Spurenanalytik in Bodentiefen bis zu 30 cm nach wiederholter Gülleausbringung Tetracyclin-Konzentrationen von bis zu 300 µg/kg. Es zeigte sich, dass die Substanzen nicht nur sehr persistent sind, sondern auch akkumulieren können. In tieferen Schichten und im Grundwasser war das Antibiotikum, vermutlich auf Grund seiner starken Bindung an organische Bestandteile in der Ackerkrume, nicht mehr nachweisbar.

Seit 1996 ist für die Zulassung von neuen Tierarzneimitteln eine umfassende ökotoxische Prüfung vorgeschrieben, wenn im Boden mit Arzneimittelkonzentrationen von über 100 µg/kg gerechnet werden muss. Solche Grenzwerte würden bei den bereits seit langem verwendeten Tierarzneimittel wie Tetracyclin durchaus erreicht und überschritten, meinte Hamscher. Zur Zeit seien die ökologischen Konsequenzen für den Boden und insbesondere seine Mikroflora noch nicht abzusehen. Laut Hamscher sind inzwischen weitere Forschungsarbeiten, mit anderen Arzneistoffen und unter Berücksichtigung einer möglichen Akkumulation in der Nahrungskette, geplant. Vorbeugende Maßnahmen zum Umwelt- und Verbraucherschutz, insbesondere die fachgerechte Entsorgung von Arzneimitteln, seien allerdings schon heute unverzichtbar. Top

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