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Grapefruitkernextrakt: natürlich gut für alles?

14.10.1996  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

Grapefruitkernextrakt: natürlich gut für alles?

  Seit der Veröffentlichung eines Zweizeilers in Deutschlands beliebtestem Boulevardblatt im März ist der bittere Grapefruitkernextrakt mit dem breiten Anwendungsspektrum über den pharmazeutischen Großhandel zu beziehen. Die Apothekenkunden verlangen den Auszug aus Citrus paradisi, der aufgrund seines hohen Vitamin-C-Gehalts derzeit immer öfter als Nahrungsergänzungsmittel in der Selbstmedikation vertrieben wird. Seine Wirksamkeit soll die des Mode-Antiseptikums Teebaumöl noch bei weitem übertreffen. Was ist dran an der wundersamen Heilkraft der paradiesischen Frucht?

In der Laienpresse wird Grapefruitkernextrakt als das beinahe perfekte Mittel dargestellt: Wachstumshemmend gegenüber Pilzen, Bakterien, Viren und Protozoen soll er sein, ohne dabei toxische oder immunsuppressive Nebenwirkungen aufzuweisen. Es würden pathogene Keime, aber keine physiologischen Bakterien der Darmflora angegriffen. Langzeitnebenwirkungen seien unbekannt.

Die Indikationen sind entsprechend dem Wirkspektrum weit gestreut: Für die begleitende Therapie von Magen- und Darmerkrankungen, Hefepilzinfektionen, Erkältungskrankheiten, HNO-Infektionen, Nagel- und Hautpilzerkrankungen, Zahnfleischentzündungen und Vaginalinfektionen sei Grapefruitkernextrakt ebenso anwendbar wie bei chronischer Müdigkeit, Candida und zur Stimulation des Immunsystems bei AIDS. Ferner wird der Extrakt zur Trinkwasseraufbereitung, Flächendesinfektion, als Konservierungs- und Pflanzenschutzmittel empfohlen. Indikationen und Dosierungsempfehlungen basieren auf In-vitro-Studien verschiedener Institute und Erfahrungsberichten von Heilkundigen.

Entdeckt wurde die antimikrobielle Wirksamkeit des Grapefruitkernextraktes vor sechzehn Jahren von einem Arzt in Florida. Der Hobbygärtner beobachtete, daß Grapefruitkerne in seinem Komposthaufen nicht verrotteten. Anschließende In-vitro-Versuche belegten die antimikrobielle Wirkung des Extraktes. Im Vergleich zu den gebräuchlichen Wirkstoffen Silberoxid, Chlorbleichmittel und Iod erwies sich der Grapefruitkernextrakt hinsichtlich der minimalen bakteriostatischen Hemmkonzentration als zehn- bis hundertmal effektiver. Als Konservierungsmittel zeigte er die gleichen Qualitäten wie Methylparaben, wirkte jedoch schneller. In einer Studie zur Reduzierung der Aflatoxinproduktion in ungeschälten Erdnüssen war der Extrakt jedoch weniger wirksam als Ammoniumpropionat.

Die einzige veröffentlichte In-vivo-Studie stammt aus dem Jahr 1990 und beschreibt die Wirkung von Citrussamenextrakt auf die intestinale Mikroflora bei atopischem Ekzem. Untersuchungen der Faeces von Patienten ergaben Hinweise auf eine effektive Hemmung von Candida- und Geotrichumarten sowie hämolysierenden Colibakterien. Unerwünschte Wirkungen wurden bei allen 15 Patienten nicht beobachtet.

Grapefruitkernextrakt enthält vor allem Bioflavonoide und Glykoside sowie einige Proteine. Als Wirkungsmechanismus der antimikrobiellen Aktivität wird die dosisabhängige Hemmung der Zellatmung postuliert. Biozidale Aktivitäten in höheren Konzentrationen sind möglicherweise auf spezifische Interaktionen mit der Zellmembran zurückzuführen. Die Aufnahme von Aminosäuren in die Cytoplasmamembran wird gehemmt, wodurch die Membranstruktur zerstört wird. Dies führt zum Verlust von Zellbestandteilen mit niedrigem Molekulargewicht. Aufgrund der Ergebnisse aus Tierversuchen wurde in den USA die akute Toxizität eines Grapefruitkernextraktes mit 50prozentiger Wirkstoffkonzentration auf 5g/kg Körpergewicht festgelegt.

Die Ergebnisse der In-vitro-Untersuchungen deuten darauf hin, daß Grapefruitkernextrakt offenbar ein potentes Mittel zur Oberflächendesinfektion darstellt. Zur Behandlung von Bagatellerkrankungen der Haut und der Schleimhäute erscheint er in ausreichender Verdünnung (ein bis zehn Tropfen auf ein Glas Wasser) durchaus empfehlenswert. Die Anwendung bei ernsten systemischen Erkrankungen, insbesondere anstelle von indizierten Arzneimitteln, entbehrt jedoch ausreichender In-vivo-Untersuchungen.

PZ-Artikel von Susanne Uhlenbrock, Münster    

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