Pharmazie
RAAS, Losartan und Valsartan:
ein Überblick
Der Markt der
Antihypertensiva ist in Bewegung geraten. Mit Losartan
und Valsartan gibt es jetzt zwei neue Arzneistoffe, die
in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)
eingreifen. Im Gegensatz zu ACE-Hemmern blockieren sie
nicht die Bildung von Angiotensin II, sondern seinen
Angriff am Angiotensinrezeptorsubtyp AT1. Bei
vergleichbarer Blutdrucksenkung sollen die neuen Stoffe
besser verträglich sein.
Eines der wichtigsten Systeme der
Blutdruckregulation ist das RAAS. Das Gewebsenzym Renin
induziert die Abspaltung des Dekapeptids Angiotensin I
aus der Vorstufe Angiotensinogen. Serin-Proteasen können
davon zwei weitere Aminosäuren abspalten, es entsteht
das Oktapeptid Angiotensin II (Ang II), das ebenso wie
sein Nachfolgeprodukt Angiotensin III die Freisetzung von
Aldosteron aus der Nebennierenrinde induziert. Ang II
wirkt vasokonstriktorisch, erhöht die
Vasopressin-Sekretion, stimuliert den Sympathikus und die
Noradrenalin-Freisetzung: Der Blutdruck steigt.
Seit etwa 15 Jahren stehen ACE-Hemmer zur Verfügung, die
das Angiotensin-Converting-Enzym und damit den
wichtigsten Synthesweg von Ang II blockieren.. Es ist
identisch mit der Kininase II, die den Abbau von
Bradykinin katalysiert. Wie Professor Dr. Peter Dominiak,
Universität Lübeck, auf der Einführungspressekonferenz
von Valsartan erläuterte, greifen die
AT1-Rezeptorenblocker wie Valsartan und Losartan
eine Stufe tiefer an". Sie hemmen kompetitiv
und selektiv den Angriff von Angiotensin II am
Rezeptorsubtyp AT1, der folgende Ang-II-Wirkungen
vermittelt: Steigerung des glattmuskulären Tonus an den
Widerstandsgefäßen, Erhöhung der exozytotischen
Freisetzung von Noradrenalin, Freisetzung von Aldosteron
aus der Nebennierenrinde; Steigerung des glomulären
Filtrationsdrucks durch bevorzugte Wirkung von Ang II auf
das Vas efferens der Niere sowie Induktion der
Zellproliferation in verschiedenen Geweben.
Den Rezeptorsubtyp AT2 findet man vor allem in
embryonalem und fetalem Gewebe. Beim Erwachsenen wird er
bei kardialer Hypertrophie, Myokardinfarkt, nach
Gefäßverletzungen oder bei Hautwunden verstärkt
gebildet. Möglicherweise ist er an der
Gefäßneubildung, der Wundheilung, der
Zelldifferenzierung und der Apoptose beteiligt, vermuten
Wissenschaftler. Wird der AT1-Rezeptor medikamentös
besetzt, könnte überschüssiges Ang II verstärkt am
AT2-Rezeptor binden und dadurch eine Wachstumshemung
bewirken, so die Theorie von Dominiak. Im Tierversuch
bildete sich die linksventrikuläre Hypertrophie bei
Nierenhochdruck-Ratten unter zwölfwöchiger AT1-Blockade
deutlich zurück.
Die Affinität des Ang-II-Antagonisten Valsartan zum
AT1-Rezeptor ist 25.000 mal größer als zum
AT2-Rezeptor. Es ist ein Diphenyltetrazol-Derivat der
acetylierten Aminosäure Valin und weist im Gegensatz zu
Losartan keinen Imidazolring auf. Trotz einer
Halbwertszeit von sieben Stunden senkt Valsartan den
Blutdruck über 24 Stunden (wie Losartan), wobei die
circadiane Rhythmik des Blutdruckes erhalten bleibt.
Seine absolute Bioverfügbarkeit beträgt 23 Prozent. Es
sollte nicht während der Schwangerschaft angewendet
werden.
Beide AT1-Rezptorantagonisten sind gut verträglich. Die
Therapieabbruchrate unterschied sich im Versuch mit 4000
Patienten mit 2,3 Prozent kaum von der Placebogruppe.
Gleiches gilt für die Nebenwirkungen. Trockener Husten
tritt mit 2,6 Prozent signifikant seltener auf als unter
ACE-Hemmern (7,9 Prozent). Klinisch relevante
Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen sind nicht
bekannt.
Professor Dr. Thomas Philipp von der Medizinischen
Universitätsklinik Essen ist angesichts der positiven
Studien davon überzeugt, daß
Angiotensin-II-Antagonisten den ACE-Hemmern bald den Rang
ablaufen können, wenn in großen Studien ihre gute
Verträglichkeit bei vergleichbaren kardio- und
nephroprotektiven Eigenschaften bestätigt werden kann.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München
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