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RAAS, Losartan und Valsartan: ein Überblick

07.10.1996  00:00 Uhr

-Pharmazie

  Govi-Verlag

RAAS, Losartan und Valsartan: ein Überblick

  Der Markt der Antihypertensiva ist in Bewegung geraten. Mit Losartan und Valsartan gibt es jetzt zwei neue Arzneistoffe, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) eingreifen. Im Gegensatz zu ACE-Hemmern blockieren sie nicht die Bildung von Angiotensin II, sondern seinen Angriff am Angiotensinrezeptorsubtyp AT1. Bei vergleichbarer Blutdrucksenkung sollen die neuen Stoffe besser verträglich sein.

Eines der wichtigsten Systeme der Blutdruckregulation ist das RAAS. Das Gewebsenzym Renin induziert die Abspaltung des Dekapeptids Angiotensin I aus der Vorstufe Angiotensinogen. Serin-Proteasen können davon zwei weitere Aminosäuren abspalten, es entsteht das Oktapeptid Angiotensin II (Ang II), das ebenso wie sein Nachfolgeprodukt Angiotensin III die Freisetzung von Aldosteron aus der Nebennierenrinde induziert. Ang II wirkt vasokonstriktorisch, erhöht die Vasopressin-Sekretion, stimuliert den Sympathikus und die Noradrenalin-Freisetzung: Der Blutdruck steigt.

Seit etwa 15 Jahren stehen ACE-Hemmer zur Verfügung, die das Angiotensin-Converting-Enzym und damit den wichtigsten Synthesweg von Ang II blockieren.. Es ist identisch mit der Kininase II, die den Abbau von Bradykinin katalysiert. Wie Professor Dr. Peter Dominiak, Universität Lübeck, auf der Einführungspressekonferenz von Valsartan erläuterte, greifen die AT1-Rezeptorenblocker wie Valsartan und Losartan „eine Stufe tiefer an". Sie hemmen kompetitiv und selektiv den Angriff von Angiotensin II am Rezeptorsubtyp AT1, der folgende Ang-II-Wirkungen vermittelt: Steigerung des glattmuskulären Tonus an den Widerstandsgefäßen, Erhöhung der exozytotischen Freisetzung von Noradrenalin, Freisetzung von Aldosteron aus der Nebennierenrinde; Steigerung des glomulären Filtrationsdrucks durch bevorzugte Wirkung von Ang II auf das Vas efferens der Niere sowie Induktion der Zellproliferation in verschiedenen Geweben.

Den Rezeptorsubtyp AT2 findet man vor allem in embryonalem und fetalem Gewebe. Beim Erwachsenen wird er bei kardialer Hypertrophie, Myokardinfarkt, nach Gefäßverletzungen oder bei Hautwunden verstärkt gebildet. Möglicherweise ist er an der Gefäßneubildung, der Wundheilung, der Zelldifferenzierung und der Apoptose beteiligt, vermuten Wissenschaftler. Wird der AT1-Rezeptor medikamentös besetzt, könnte überschüssiges Ang II verstärkt am AT2-Rezeptor binden und dadurch eine Wachstumshemung bewirken, so die Theorie von Dominiak. Im Tierversuch bildete sich die linksventrikuläre Hypertrophie bei Nierenhochdruck-Ratten unter zwölfwöchiger AT1-Blockade deutlich zurück.

Die Affinität des Ang-II-Antagonisten Valsartan zum AT1-Rezeptor ist 25.000 mal größer als zum AT2-Rezeptor. Es ist ein Diphenyltetrazol-Derivat der acetylierten Aminosäure Valin und weist im Gegensatz zu Losartan keinen Imidazolring auf. Trotz einer Halbwertszeit von sieben Stunden senkt Valsartan den Blutdruck über 24 Stunden (wie Losartan), wobei die circadiane Rhythmik des Blutdruckes erhalten bleibt. Seine absolute Bioverfügbarkeit beträgt 23 Prozent. Es sollte nicht während der Schwangerschaft angewendet werden.

Beide AT1-Rezptorantagonisten sind gut verträglich. Die Therapieabbruchrate unterschied sich im Versuch mit 4000 Patienten mit 2,3 Prozent kaum von der Placebogruppe. Gleiches gilt für die Nebenwirkungen. Trockener Husten tritt mit 2,6 Prozent signifikant seltener auf als unter ACE-Hemmern (7,9 Prozent). Klinisch relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen sind nicht bekannt.

Professor Dr. Thomas Philipp von der Medizinischen Universitätsklinik Essen ist angesichts der positiven Studien davon überzeugt, daß Angiotensin-II-Antagonisten den ACE-Hemmern bald den Rang ablaufen können, wenn in großen Studien ihre gute Verträglichkeit bei vergleichbaren kardio- und nephroprotektiven Eigenschaften bestätigt werden kann.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München
   

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