Trastuzumab bei Brustkrebs mit und ohne Metastasen |
22.08.2005 00:00 Uhr |
Als erstes Therapeutikum, das in die Biologie des Tumorgewebes eingreift, erhielt Trastuzumab (Herceptin®) 2001 den PZ-Innovationspreis. Mittlerweile ist der monoklonale Antikörper nicht nur zum Hoffnungsträger für Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom geworden, sondern soll auch für die adjuvante Brustkrebstherapie zugelassen zu werden.
In der Brustkrebstherapie bahnte sich um die Jahrtausendwende ein Umdenken an. Während man früher versuchte, den Tumor komplett zu vernichten, setzt man heutzutage auf weniger radikale Strategien: Durch eine individuelle Therapie, welche die molekularen Eigenschaften des Tumors berücksichtigt, sollen dessen Wachstum und Ausbreitung verhindert beziehungsweise kontrolliert werden. Maßgeblich für diesen Ansatz war die Erkenntnis, dass nicht der Primärtumor, sondern Metastasen die meisten Brustkrebs-Patientinnen töten.
Als erstes zugelassenes tumorbiologisches Medikament überzeugte Trastuzumab, ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (HER 2) richtet. »Er bietet vor allen den Frauen einen Vorteil, deren Mammakarzinom-Zellen nicht estrogenabhängig wachsen, sprich deren Proliferation über die Überexpression der HER-2-Rezptoren angeregt wird, und die somit nicht auf Antiestrogene beziehungsweise Aromatasehemmer ansprechen«, sagte PZ-Chefredakteur Professor Dr. Hartmut Morck, bei der damaligen Preisverleihung. Diesen Frauen hat bis dahin nur die Therapie mit unspezifisch wirkenden Alkylantien oder interkalierenden Wirkstoffen wie Daunorubicin mit all ihren Nebenwirkungen zur Verfügung gestanden. »Da Trastuzumab sicher die spezifischere und verträglichere Alternative zu diesen Substanzen ist, hat sie als echte Neuerung den Innovationspreis verdient.«
Herceptin wird als Trockensubstanz angeboten. Die daraus hergestellte Infusionslösung enthält den rekombinanten humanisierten IgG1-Antikörper, der sich gegen HER 2 richtet. Das Rezeptormolekül beschleunigt die Teilungsrate von Krebszellen und deren Ablösung vom Zellverband. Der Antikörper spürt die Rezeptoren an der Zelloberfläche auf, dockt dort an und leitet die Zerstörung der Krebszellen durch das Immunsystem ein.
Trastuzumab eignet sich insofern nur für die Therapie von Brustkrebspatientinnen, deren metastasierende Tumoren das HER-2-Protein überexprimieren. Das ist in etwa 20 bis 30 Prozent aller Mammakarzinome der Fall. Studien ergaben, dass die Patientinnen eine deutlich kürzere krankheitsfreie Überlebenszeit haben. Vor der Behandlung mit Trastuzumab muss unbedingt der HER-2-Status bei den Patientinnen bestimmt werden. Voraussetzung für die Behandlung mit Trastuzumab ist daher der diagnostische Nachweis der HER-2-Überexpression im Tumor zum Beispiel mittels immunhistochemischer Methoden.
Die Zulassungsbehörden unterteilten die Indikation nochmals in drei Gruppen: Zum einen ist der Antikörper als Monotherapie indiziert, wenn zuvor mindestens zwei Chemotherapien mit mindestens einem Taxan und Anthracyclin nicht ansprachen. Zum anderen kann Trastuzumab auch in Kombination mit Paclitaxel solchen Frauen verabreicht werden, die noch keine Chemotherapie erhalten haben und für die Anthracycline ungeeignet sind. Des Weiteren ist es geeignet in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung von Patientinnen, die noch keine Chemotherapie gegen die Metastasen erhalten haben. Mit Trastuzumab konnte in Kombination mit einer Chemotherapie die Ansprechrate auf 35 Prozent erhöht werden, verglichen mit etwa 26 Prozent unter alleiniger Antikörpertherapie. Insgesamt verlängerte sich die Überlebenszeit damit um etwa neun Monate. Problematisch ist jedoch die Kardiotoxizität dieser Substanz, vor allem im Zusammenhang mit Anthracyclinen.
Mittlerweile wird der Antikörper auch bei Patientinnen getestet, bei denen der Tumor noch keine Metastasen gebildet hat, um zu sehen, ob er das Auftreten eben dieser Tochtergeschwulste verhindern oder hinauszögern kann. Und es sieht gut aus. Trastuzumab scheint das Rezidivrisiko nahezu halbieren zu können, wie erste Studienergebnisse von mehr als 5000 Patientinnen mit invasivem, HER-2-positivem Mammakarzinom in frühem Stadium zeigen. Experten fordern nach diesen jüngst veröffentlichten Daten euphorisch, die adjuvante Trastuzumab-Therapie als Standard bei HER-2-positivem Brustkrebs anzusehen. Hoffmann-La Roche erwartet die Indikationserweiterung für 2007.
Wissen Sie's noch? Zehnmal hat die Pharmazeutische Zeitung bereits den PZ-Innovationspreis vergeben und damit seit 1995 das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres gewürdigt. Können Sie sich noch an die ehemaligen Preisträger erinnern? Die PZ stellt in einer Serie die zehn Kandidaten der letzten Jahre vor, bevor dann auf dem Deutschen Apothekertag in Köln die Innovation 2005 gekürt wird. Worauf beruht das neue Wirkprinzip? Waren die Arzneistoffe im Nachhinein wirklich wegweisend? Und haben sie gehalten, was man sich zu ihrer Markteinführung versprochen hat? Das sind die Fragen, die die PZ in dieser Serie beantwortet.
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