Saquinavir aus HIV-Therapie nicht wegzudenken |
25.07.2005 00:00 Uhr |
Eine Substanz, die 1997 von der Pharmazeutischen Zeitung mit dem Innovationspreis ausgezeichnet wurde, erlebt derzeit eine Renaissance in der HIV-Therapie. War es1997 das neue Wirkprinzip von Saquinavir, das für Aufsehen sorgte, so ist es heute seine Interaktions- und Resistenzarmut.
Saquinavir (Invirase®) war der erste Vertreter der Proteasehemmer. Damit stand neben der Reverse-Transkriptase-Inhibition ein zweiter Weg zur Blockade der HI-Virusreplikation und damit zur Senkung der Viruslast zur Verfügung. Ein wichtiger Schritt für die Therapie, denn die Reverse-Transkriptase-Hemmer (Nukleosid-Analoga) führen häufig zu Resistenzen. Saquinavir blieb nicht der einzige Proteasehemmer: Mit Ritonavir (Norvir®), Indinavir (Crixivan®) oder Nelfinavir (Viracept®) folgten rasch weitere Vertreter dieser Klasse.
Protease-Inhibitoren greifen in einem späteren Stadium der Virusvermehrung ein als die Nukleosid-Analoga, indem sie das aktive Zentrum der HIV-Protease blockieren. Das viruseigene Enzym wird dadurch kompetitiv gehemmt. Es ist für die Fertigstellung verschiedener virusspezifischer Proteine zuständig. Wenn es durch Saquinavir oder andere Proteasehemmer inaktiviert wird, entstehen nur nichtinfektiöse Viren. Auch in der Spätphase einer HIV-Infektion sind Protease-Inhibitoren noch wirksam.
Saquinavir war ein Hoffnungsträger für viele HIV-Patienten. Als es Ende der 90er-Jahre auf den Markt kam, war die Kombination aus Saquinavir mit zwei Nukleosid-Analoga in der Lage, die Viruslast im Plasma der Infizierten über einen längeren Zeitraum zum Teil unter die Nachweisgrenze zu drücken. Die HIV-Last reduzierte sich um bis zu 99,9 Prozent, bei gleichzeitigem Anstieg der CD-4-Zellen des Abwehrsystems der Patienten. Die symptomfreie Latenzphase sowie die Überlebenszeit der HIV-Patienten konnte durch die preisgekrönte Substanz signifikant verlängert werden. Doch nicht nur das: Auch das Auftreten opportunistischer Infektionen sowie die Zahl der Krankenhauseinweisungen seien mit Einführung der Proteasehemmer in die Kombinationsbehandlung deutlich zurückgegangen, hieß es anlässlich der Preisverleihung. Saquinavir gilt als gut verträglich. Am häufigsten werden Nebenwirkungen wie Durchfall, Erbrechen oder Übelkeit beobachtet, die in der Regel einen milden Verlauf haben.
Saquinavir hält Fortschritt stand
Das Behandlungsregime für HIV-Kranke wandelt sich ständig: Saquinavir konnte mithalten. Etwa ein Jahr nach der Zulassung kam der Wirkstoff in neuer galenischer Formulierung auf den Markt. Bislang nur als Hartgelatinekapsel verfügbar, gab es den Arzneistoff nun auch als Weichgelatinekapsel (Fortovase®). Diese technologische Neuerung war notwenig, denn sie setzte an einem großen Nachteil von Saquinavir an: der geringen Bioverfügbarkeit von nur 4 Prozent. Die Weichgelatinekapsel bringt höhere Wirkspiegel und damit stärkere antiretrovirale Aktivität. Die Einnahme sollte während oder bis zu zwei Stunden nach den Mahlzeiten erfolgen. Auch das erhöht die Bioverfügbarkeit.
Ein andere Möglichkeit, um die Bioverfügbarkeit von Saquinavir zu erhöhen, ist die Kombination mit Ritonavir. Die Vierer-Kombitherapie aus zwei Proteasehemmern gewinnt derzeit immer mehr Zuspruch bei den HIV-Experten. Begründet ist das in der häufigen Resistenz des HI-Virus gegen nukleosidische und nicht-nukleosidische Analoga. Im Rahmen dieser Therapie kommen die Proteasehemmer oft geboostert zusätzlich kombiniert mit niedrig dosiertem Ritonavir zur Wirkverstärkung zum Einsatz. Da Saquinavir seit Juni 2005 auch als 500-mg-Filmtablette (Invirase® 500 mg) erhältlich ist, stellt es den idealen Kombinationspartner dar. Die neue Formulierung reduziert die Zahl einzunehmender Tabletten von zehn auf vier, um die empfohlene Tagesdosis von 2000 mg zu erreichen. Hinzu kommen zweimal täglich 100 mg Ritonavir. Saquinavir ist für die Viererkombination besonders geeignet, weil es beim Metabolismus in der Leber nur selten zu Interaktionen mit anderen Präparaten führt und es sich im Resistenzspektrum mit anderen Proteasehemmern nur wenig überlappt.
Wissen Sie's noch? Zehnmal hat die Pharmazeutische Zeitung bereits den PZ-Innovationspreis vergeben und damit seit 1995 das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres gewürdigt. Können Sie sich noch an die ehemaligen Preisträger erinnern? Die PZ stellt in einer Serie die zehn Kandidaten der letzten Jahre vor, bevor dann auf dem Deutschen Apothekertag in Köln die Innovation 2005 gekürt wird. Worauf beruht das neue Wirkprinzip? Waren die Arzneistoffe im Nachhinein wirklich wegweisend? Und haben sie gehalten, was man sich zu ihrer Markteinführung versprochen hat? Das sind die Fragen, die die PZ in dieser Serie beantwortet.
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