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Selen im Fokus der Onkologie

10.06.2002  00:00 Uhr

Selen im Fokus der Onkologie

von Christiane Berg, Hamburg

Selen ist ein "Muss in der Prävention und Therapie von Krebserkrankungen". So lautete das Resümee eines Expertenforums der Firma Cefak am 25. Mai.

Unstrittig ist nach Meinung von Dr. Klaus Kühn aus Olching, dass dem lebensnotwendigen Mikromineral als Zentralelement zahlreicher Enzyme und körpereigener Redoxregulatoren wie der Glutathionperoxidase oder der Thioredoxin-Reduktase eine antioxidative Schutzfunktion zukommt.

Selenaufnahme weit hinter Empfehlungen zurück

Als Co-Faktor vieler Proteine wirkt Selen der Zellschädigung durch Radikalbildner oder Lipidhydroperoxide entgegen. Es moduliert die Lymphozytenfunktion und steigert die Aktivität von natürlichen Killerzellen. Es bestimmt die Funktionstüchtigkeit der Schilddrüsenhormone, die bei einem Selenmangel durch entsprechende Supplementation verbessert werden kann. Als mitochondriales Kapsel-Selenoprotein bewahrt es das Sperma vor oxidativen Schäden und sichert dessen Stabilität und Mobilität. Belegt ist der Einfluss von Selen auch auf DNA-Reparaturmechanismen sowie auf die Auslösung der Apoptose, so Kühn. Insgesamt sind derzeit über 20 Selen-haltige Enyzme mit unterschiedlichen physiologischen Wirkungen bekannt.

Der Bioanorganiker verwies auf die Selen-Armut landwirtschaftlich genutzter Böden in Europa, die unter anderem auf moderne Agrartechnologien zurückzuführen sei. Über die Nahrungskette könnten daher nur unzureichende Mengen des von den Griechen nach dem Mond benannten Halbedelmetalls in den menschlichen Organismus gelangen. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Selenaufnahme von 70 bis 100 mg pro Tag sei mit herkömmlichen Lebensmitteln kaum zu erzielen, so dass es zu typischen Mangel-Erscheinungen wie Immunschwäche, erhöhter Infektanfälligkeit, aber auch entzündlichen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, Kardiomyopathie oder erhöhter Krebsinzidenz kommen kann.

Mit 38 mg pro Tag für Frauen und 47 mg für Männer bleibe die tatsächliche Selenaufnahme weit hinter den Empfehlungen zurück. Da es zumeist nicht gelingt, Defizite selbst durch Zufuhr selenhaltiger Nahrungsmittel wie Weizen, Fleisch, Fisch, Huhn und Eier auszugleichen, sei hier bei regelmäßiger Kontrolle des Plasmaspiegels die gezielte Substitution zum Beispiel in Form von Natriumselenit angezeigt. Kinder im Alter von drei bis vier Jahren sollten 20 mg, Kinder über vier Jahre 50 mg, Jugendliche und Erwachsene 100 mg, Frauen mit Kinderwunsch 150 mg, Schwangere und Stillende 200 mg und ältere Menschen 150 bis 200 mg pro Tag einnehmen.

Krebsrisiko durch niedrigen Selenstatus

Ein niedriger Selenstatus geht mit einem erhöhten Krebsrisiko einher, bestätigte Dr. Olaf Kuhnke aus Rosenheim. Der Mediziner plädierte für den verstärkten Einsatz von Selen nicht nur in der Präventivmedizin, sondern auch in der Onkologie. Die antikarzinogene Wirkung von Selen sei auf antimutagene, antiproliferative, antiradiotoxische und antivirale Effekte, Metallentgiftung und das Abbinden von Karzinogen wie Benzpyren oder Aflatoxin sowie auf Apoptoseinduktion zurückführen. Während beim noch gesunden Menschen die Basissubstitution ausreicht, sind beim chronisch Kranken und hier insbesondere in der Onkologie Hochdosisregime erforderlich, um in das Krankheitsgeschehen eingreifen zu können. So empfehle sich bei laufender Chemotherapie die Verabreichung von mindestens 300 mg pro Tag sowie die Infusion von 1000 mg direkt vor Zytostatikagabe.

Krebspatienten, die begleitend zu einer Chemotherapie Natriumselenit erhalten, leiden weniger unter den Nebenwirkungen der konventionellen Tumorbehandlung, konstatierte auch Dr. Harald Heidecke, Luckenwalde. Selen könne darüber hinaus die tumordestruktive Kraft konventioneller Therapien steigern. Heidecke schilderte Zwischenergebnisse einer aktuellen In-vitro-Studie, die belegen, dass es durch Co-Medikation mit Selen zu einem signifikanten Wirkanstieg unter anderem von Oxaliplatin und 5-FU beim Kolonkarzinom kommt. Der Referent sprach von eindrucksvollen Ergebnissen, die auch auf einen bisher nicht bekannten, Selen-spezifischen Wirkmechanismus hinweisen.

Ganzheitliches onkologisches Therapiekonzept

Argumente für die Behandlung mit Selen liefert unter anderem die so genannte Clark-Studie, erläuterte Dr. Stephan Wey, Lauf. Dabei handelt es sich um eine prospektive, doppelblinde und randomisierte Präventionsstudie an 1312 Patienten mit Hauttumoren, die 1996 in den USA durchgeführt wurde. Sie ging mit einer erniedrigten Inzidenz von sekundärem Lungen-, Prostata- und Kolonkarzinom bei Supplementierung von täglich 200 mg Selen einher, berichtete der Arzt. Da die Gesamt-Krebsmortalität in der Selengruppe deutlich gesenkt werden konnte, brach man die Studie vorzeitig ab.

Wey schilderte des Weiteren eine Interventionsstudie aus dem Jahr 1997 an 130.471 Probanden im chinesischen Quidong. Die Verabreichung von selenangereichertem Salz führte zur signifikanten Reduktion der Inzidenz von Leberzell-Karzinomen um 40 Prozent nach acht Jahren. Auch eine Freiburger Studie aus dem Jahr 1998 und eine amerikanische Studie von 2000 belegen, dass Natriumselenit in hohen Konzentrationen das Wachstum humaner Karzinomzellen (Prostata, Niere, Kolon, Brust, Niere, Dünndarm, Leber) verhindern kann. Wey: "Selen ist aus der Krebstherapie nicht mehr wegzudenken und zählt heute neben Zytostatika- und Strahlentherapie, der komplementären Immuntherapie, Hyperthermie und orthomolekularer Medizin, Enzym- und Thymus-, Schmerz-, Ernährungs-, Psycho-, und Physiotherapie zum ganzheitlichen onkologischen Therapiekonzept". Top

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