Hoffnungsträger für die Sehkraft |
26.05.2003 00:00 Uhr |
Internationale Studien liefern viel versprechende Ansätze für die vorbeugende Wirkung von Vitaminen und Carotinoiden vor Augenkrankheiten wie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD).
Seit ein paar Jahren braucht Liselotte M. (Name von der Redaktion geändert) eine spezielle Lupe, wenn sie ein Buch lesen möchte. Sie erkennt keine Gesichter und gerade Linien erscheinen ihr wellenförmig verzerrt. Wie zwei Millionen Deutsche leidet die rüstige 90-Jährige Frau an einer altersbedingten Makuladegeneration, kurz AMD – neben dem Katarakt die bedeutendste Augenerkrankung bei Senioren.
Die Makula lutea, ein orangegelbes, gefäßfreies Areal, sitzt im Zentrum der Netzhaut und nimmt einen Durchmesser von ungefähr drei Millimetern ein. „Hier erreicht unser Auge seine höchste Sehschärfe“, erklärte Privatdozent Dr. Konrad Kohler von der Universitäts-Augenklinik in Tübingen auf einer Presseveranstaltung des Arbeitskreises Ernährung- und Vitamin-Information e.V.. Als „Stelle des zentralen Sehens“ ermöglicht uns dieser kleine kreisrunde bis ovale Fleck, Bücher zu lesen, Gegenstände zu fixieren, Bilder zu betrachten oder Gesichter zu erkennen. Ohne ihn verschleiert sich unser Blick und Buchstaben verschwimmen vor den Augen.
Wenn der gelbe Fleck verschwindet
Wenn Licht in unser Auge dringt, wandeln Fotorezeptoren die photochemische Energie in eine Sinnesreizung um. Während in der Peripherie der Netzhaut stäbchenförmige Rezeptoren überwiegen, sammeln sich im Bereich der Makula ausschließlich Zapfen. Diese Zapfen sind sehr empfindlich. Um sie zu schonen, müssen ihnen tatkräftige Filter vorgeschaltet sein, die aggressive Moleküle wie reaktive Sauerstoffverbindungen oder freie Radikale aus kurzwelligem blauem UV-Licht abfangen. „Deshalb sitzen gelbe Farbstoffe vor den Zapfen. Bevor Licht auf die sensiblen Außensegmente der Zapfen treffen darf, muss es erst diese Pigmentschicht durchlaufen“, erklärte Konrad. Sollten die Außensegmente trotz aller Vorsichtsmaßnahmen dennoch einmal oxidativen Stress erfahren und geschädigt werden, werden sie von den Pigmenten phagozytiert und ausgeschleust.
Doch dieser Schutzwall kann im Laufe des Lebens erheblichen Schaden nehmen. Dann dringen aggressive Moleküle zu den Zapfen vor und beginnen ihr unwiderrufliches zerstörerisches Werk: Gewebe geht zugrunde und nicht mehr abbaubare Membranbruchstücke lagern sich in der Makula ab und formen Drusen. Mit der Zeit wachsen Blutgefäße ein und bilden Narbenplatten. Wenn am Ende die Zapfen vollständig degeneriert sind, bleibt vom „Ort des zentralen Sehens“ inmitten der Netzhaut nicht mehr viel übrig.
Meistens ereilt das Übel erst ein Auge. Doch mit großer Sicherheit zieht das andere ein paar Jahre später nach. Tückischerweise verspüren die Patienten mit AMD keine Schmerzen. Die ersten Anzeichen bemerken sie oft beim Lesen: Sie erkennen dann in der Mitte des Schriftbildes einen verschwommenen Fleck oder einen grauen Schatten, der sich mit der Zeit vergrößert. Weil das Leiden die Patienten davon abhält, Auto zu fahren oder Zeitung zu lesen, schränkt es ihre Lebensqualität erheblich ein. Erblinden in dem Sinn, dass sie am Ende in vollkommener Dunkelheit leben, müssen die Betroffenen allerdings nicht.
Prinzipiell kann das Übel jeden treffen. Dennoch gibt es bestimmte Risikogruppen mit einer äußerst hohen Prävalenz. So erkranken im Alter von 40 Jahren nur etwa 13,4 Prozent der Menschen, im Alter von 65 bis 79 bereits 24 Prozent und bei den über 80-Jährigen mehr als 40 Prozent. Man spricht deshalb auch von einer altersbedingten Makuladegeneration. Frauen weisen eine 2,5-fach höhere Bereitschaft für die Erkrankung auf als Männer. Ferner gehen Experten davon aus, dass das Leiden mit der Pigmentierung des Körpers korreliert. So kommt eine Makuladegeneration bei Farbigen seltener vor als bei Weißen. Personen mit sehr heller Haut und blauen, lichtempfindlichen Augen müssen sich eher vorsehen. Während die erbliche Veranlagung eine untergeordnete Rolle spielt, schaden Raucher ihrer Makula sehr.
Schutzengel unserer Sehschärfe
„Unglücklicherweise gibt es gegen die altersbedingte Makuladegeneration keine kausale Therapie. Das Leiden lässt sich lediglich in seinem Verlauf verlangsamen beziehungsweise milder gestalten “, bedauert Kohler. „Oder wir versuchen bereits im Vorfeld zu verhindern, dass der gelbe Fleck im Auge überhaupt erst degeneriert“, fügte der Referent hinzu.
Hier treten die Antioxidantien auf den Plan. Bereits seit vielen Jahren mutmaßen Experten, dass Vitamin E und Carotinoide in der Ernährung aktiv dazu beitragen, unsere Makula gesund zu erhalten und sie vor oxidativen Angriffen zu schützen. „Carotinoide, insbesondere die Xanthophylle Lutein und Zeazanthin sind Teil des Schutzwalles, der die Makula umgibt. Wie ein Blitzableiter fangen sie die überschießende Energie zerstörerischer Verbindungen auf und leiten sie in Form von Wärme ab, “ sagte Professor Dr. Hans K. Biesalski vom Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Die heiße Diskussion entfachte die Arbeitsgruppe um Seddon im Jahre 1994. Die Wissenschaftler konnten im Rahmen einer Studie nachweisen, dass eine hohe Serumkonzentration von Lutein und Zeazanthin das Risiko für eine AMD deutlich verringert. Brown bewies 1999, dass Personen, die sich ausreichend mit den beiden Carotinoiden versorgten, seltener an der degenerativen Augenerkrankung leiden. Einen weiteren Meilenstein setzte der großangelegte AREDS (Age Related EYE Disease Study)-Report im Jahr 2001. Die Studie demonstrierte an 3640 Probanden, dass eine mehrjährige Supplementierung mit den Vitaminen C, E, Beta-Carotin und Zink das Fortschreiten der Makulazerstörung aufhalten kann.
Doch wie sieht eine Ernährung, die unser Auge schützt, de facto aus? Um eine gezielte AMD-Prävention zu erreichen, sollten etwa 4 bis 5 mg Lutein und Zeazanthin pro Tag eingenommen werden. „Am besten wir verzehren täglich mindestens fünf kleine Portionen von einem sinnvoll zusammengestellten, appetitlichen Mix aus den unterschiedlichsten frischen Obstsorten und grünem Gemüse“, sagte der Ernährungsexperte Biesalski. Eine sinnvolle Alternative für ganz Eilige ist auch eine Supplementierung mit einem entsprechenden Vitaminpräparat.
Die Prävention mit Vitaminen schlägt dabei besonders gut bei Menschen an, deren Netzhaut die Carotinoide naturgemäß in außerordentlich hohen Konzentrationen anreichert. Allen Rauchern legt Biesalski in diesem Zusammenhang dringend ans Herz, dem Laster lieber heute als morgen den Rücken zu kehren. „Jede Zigarette macht den Erfolg, den eine gesunde und ausgewogene Ernährung erzielt, sofort wieder zunichte“, mahnte der Referent.
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