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Gentherapie verhilft zu konstanten L-Dopa-Spiegeln

13.05.2002  00:00 Uhr

Morbus Parkinson

Gentherapie verhilft zu konstanten L-Dopa-Spiegeln

von Dorothee und Boris Ferger, Zürich

Mit zunehmender Dauer der L-Dopa Therapie leiden Parkinson-Patienten unter quälenden Nebenwirkungen wie On/off-Fluktuationen und Dyskinesien. Vermutlich werden die Dopaminrezeptoren im Striatum durch die exogene Gabe von L-Dopa stoßweise und nicht kontinuierlich stimuliert. Konstante Wirkspiegel könnten die Nebenwirkungen deutlich zu reduzieren. Diesem Ziel rückten Wissenschaftler mit Hilfe des Gentransfers jetzt einen Schritt näher.

Es ist nicht so einfach, über längere Zeit eine konstante, therapeutisch wirksame L-Dopa Konzentration im Striatum aufrechtzuerhalten. Das Problem löste das internationale Forscherteam aus den USA, Schweden und Deutschland durch den Gentransfer mit Hilfe des rekombinanten adeno-assoziierten Virus (rAAV). Ziel der Wissenschaftler war es, L-Dopa endogen im Striatum zu produzieren. Eine Schlüsselrolle beim Gentransfer spielte dabei das Enzym Tyrosinhydroxylase, mit dessen Hilfe L-Dopa aus seiner Vorstufe Tyrosin gebildet wird. Die Wissenschaftler packten das Gen für Tyrosinhydroxylase in die DNA des Virus und injizierten die Suspension ins Striatum von Ratten. Das Virus selbst ist für den Menschen ungefährlich und zudem genetisch so verändert, dass es sich nicht mehr vermehren kann.

Um L-Dopa zu synthetisieren, ist Tyrosinhydroxylase auf den Cofaktor Tetrahydrobiopterin (BH4) angewiesen. Daher injizierten die Forscher zusätzlich einen zweiten Vektor, der das Gen für GTP-Cyclohydrolase-1, dem geschwindigkeitsbestimmenden Enzym für die Synthese von BH4, enthielt.

Um die Wirksamkeit der Gentherapie in einem Parkinsonmodell zu testen, lösten die Forscher mit dem dopaminergen Neurotoxin 6-Hydroxydopamin (6-OHDA) bei Laborratten Parkinson-ähnliche Veränderungen im dopaminergen System aus. Neben einer partiellen Läsion schädigten sie das System auch komplett. Die Wissenschaftler bestimmten zunächst die kleinste L-Dopa- Dosis, die bei peripherer Gabe zusammen mit dem Decarboxylase-Hemmstoff Benzerazid noch in der Lage war, die motorischen Einschränkungen durch 6-OHDA zu vermindern. Beim Parkinson Patienten würde dies einer therapeutischen Dosis entsprechen.

Grenzwert erreichen

Dann stellte sich die Frage, wie viel L-Dopa bei dieser Applikation wirklich im Striatum ankommt. Um L-Dopa exakt bestimmen zu können, mussten die Forscher zuvor den Abbau durch Vorbehandlung mit einem zentralwirksamen Dopa-Decarboxylasehemmstoff verhindern. Es zeigte sich, dass mindestens 1,5 pmol L-Dopa pro mg Gewebe notwendig sind, um therapeutische Effekte zu erzielen. Die Vektoren mussten folglich diese Mindestmenge L-Dopa kontinuierlich produzieren. Wie erwartet, wurde deutlich mehr L-Dopa gebildet (etwa die siebenfache Menge), wenn der Vektor für Tyrosinhydroxylase mit dem für den Cofaktor Tetrahydrobiopterin kombiniert wurde. Um den Grenzwert von 1,5 pmol/mg L-Dopa zu überschreiten, reichte allerdings die Injektion der Vektorkombination an nur zwei Stellen im Striatum nicht aus. Vielmehr musste der Mix an fünf Stellen appliziert werden. Allein bei diesem Applikationsschema stiegen dann auch die Dopaminwerte im durch 6-OHDA komplett geschädigten Striatum signifikant an. In den Gehirnschnitten der so behandelten Ratten fanden die Forscher in großen Teilen des Striatums wieder TH-positive Neurone, die bei Kontrolltieren vollständig verschwunden waren. Im Vergleich zu bisherigen Studien konnten zehn- bis hundertmal mehr Zellen wieder dazu gebracht werden, Tyrosinhydroxylase und damit L-Dopa zu produzieren. Die Forscher führen den Erfolg darauf zurück, dass sie einen neuen effizienteren Vektor verwendeten.

Gentransfer verbessert Motorik

Ob der Gentransfer auch die gestörte Motorik verbessert, untersuchten die Forscher in mehreren unabhängigen Verhaltenstests. Bei einer partiellen Schädigung konnte die AAV-Gentherapie die Motorik fast komplett normalisieren. Bei der kompletten Läsion fand ebenfalls eine Verbesserung statt, es blieben jedoch Einschränkungen zurück. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die bei der partiellen Läsion noch vereinzelt vorhandenen nigrostriatalen Nervenzellen den Erfolg des Gentransfers entscheidend beeinflussen. Man vermutet, dass diese Zellen die Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin unterstützen und dem neugebildeten Dopamin die Möglichkeit geben, physiologisch gespeichert und freigesetzt zu werden. Bisher war es Wissenschaftern mit Gentransfer von Tyrosinhydroxylase allenfalls gelungen, geringe Verbesserungen in motorischen Tests zu erzielen.

Auf Grund der neuen Erkenntnisse aus dieser erfolgreichen Studie hoffen die Autoren nun, dass die lokale Produktion und Abgabe von L-Dopa im Striatum durch Gentransfer eine realisierbare Therapie für Morbus Parkinson werden könnte. 

 

Goldstandard mit Schwächen L-Dopa gilt nach wie vor als die Substanz, die die Parkinson-Symptome am nachhaltigsten verbessern kann. Die Grenzen des Goldstandards zeigen sich meist erst nach Jahren, wenn die Wirksamkeit von L-Dopa nachlässt und der Alltag der Betroffenen zunehmend von On/off-Fluktuationen und Dyskinesien bestimmt wird. Mehr als 60 Prozent der Parkinsonkranken klagen nach langjähriger L-Dopa-Therapie über starke Dyskinesien an Armen und Beinen sowie pendelnden Bewegungen des Oberkörpers. Experten sind sich sicher, dass motorische Spätkomplikationen nicht alleine Folge der Grunderkrankung, sondern vor allem Folge einer früh begonnenen und hochdosierten L-Dopa-Therapie sind.

 

Quelle: Kirik, D. et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 99 (2002) 4708-4713. Top

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