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Hormone kontra Schwangerschaft und Wechseljahrsbeschwerden

19.04.1999  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-Verlag

BERLINER FORTBILDUNGSTAG

Hormone kontra Schwangerschaft und Wechseljahrsbeschwerden

von Stephanie Czajka, Berlin

Kann eine Frau nicht schwanger werden, hat das, sofern anatomisch alles in Ordnung ist, verschiedene Ursachen: Bei 32,4 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sind die Prolactin-Werte pathologisch erhöht, bei 22,5 Prozent die Androgene. 16 Prozent haben eine Unter- und 7,8 Prozent eine Überfunktion der Schilddrüse. Die Störungen sind häufig kombiniert, erklärte der Berliner Gynäkologe Professor Dr. Lothar Moltz auf dem Dritten Fortbildungstag der Apothekerkammer Berlin.

Bei zwei Drittel der Frauen liegt eine Corpus-luteum-Insuffizienz vor, bei 4,6 Prozent stimmt die Konzentration des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH) nicht. Bei 28,7 Prozent der Frauen geht die Ovarialinsuffizienz auf eine Störung in Hypothalamus oder Hypophyse zurück. Die Ursachen für eine hypothalamische Amenorrhoe sind laut Pschyrembel "stets psychogen".

Liegt eine Unterfunktion der Schilddrüse vor, sollte diese zuerst behandelt werden. Denn erhöhte Prolactin- oder Testosteron-Werte können Folge der Unterfunktion sein. An zweiter Stelle steht die Therapie der Hyperprolactinämie, zuletzt wird die Hyperandrogenämie behandelt. Bei einer Hypothyreose (TSH über 3 µE/ ml) wird abhängig vom Körpergewicht mit L-Thyroxin behandelt. Kommt es zur Schwangerschaft, wird weitertherapiert, meist sogar in höherer Dosis. Eine Schilddrüsenüberfunktion sollte vom Internisten abgeklärt und behandelt werden.

Bei Hyperandrogenämie und Hyperprolactinämie werden die Medikamente abgesetzt, sobald der Schwangerschaftstest positiv ist. Bei Hyperprolactinämie (über 10 ng/ml) werden Bromocriptin oder Lisurid gegeben. Begonnen wird mit der kleinstmöglichen Dosis, nur wenn sich die Prolactinwerte nicht bessern, wird die Dosis gesteigert. Sind die Testosteronwerte zu hoch (über 2,5 ng/ml) wird Prednisolon (5 mg) gegeben. Wichtig: Das Corticoid sollte in diesem Fall abends eingenommen werden. Denn so können mit geringen Dosen die morgendlichen Testosteron-Spitzen kupiert werden, erklärte Moltz. Mit Nebenwirkungen oder Mißbildungen sei bei dieser Therapie nicht zu rechnen.

Obwohl sich der Zyklus unter diesen Therapien normalisiert, kann es noch Monate bis zur ersten Eireifung dauern. Daher wird die Basistherapie "recht häufig" mit Stimulatoren der Follikel-Reifung kombiniert, meinte Moltz. Eingesetzt werden Clomiphen, FSH- und LH-Präparate oder GnRH-Analoga.

Sind die Androgen-Spiegel erhöht, ohne daß die Frau schwanger werden möchte, werden Antiandrogene wie Cyproteronacetat (kombiniert mit Ethinylestradiol oder Estradiolvalerat) gegeben, häufig auch Spironolacton, Flutamid oder Finasterid. Häufig geht die Hyperandrogenämie einher mit chronischem Streß, Übergewicht und diabetischen Symptomen. Den Patientinnen sollte daher in der Beratung Streßabbau und Gewichtsreduktion nahegelegt werden, so Moltz. Neben Zyklusstörungen, Sterilität und Androgenisierungserscheinungen können zu hohe Testosteronwerte das Risiko für Krebserkrankungen, Diabetes, Herz- und Schlaganfall erhöhen.

Verhütung mit Außenseitern

Minipille, Dreimonatsspritze und die "Pille danach" gehören zu den Außenseitern der medikamentösen Empfängnisverhütung. Die Minipillen werden nur von einem Prozent der Frauen angewendet, die meisten nehmen sie nicht länger als ein Jahr, sagte Dr. Susanne Baumgarten, niedergelassene Gynäkologin aus Berlin. Grund dafür sind Dauer- und Zwischenblutungen oder auch das völlige Ausbleiben der Blutungen. Der Stoffwechsel ändert sich nur geringfügig, so daß die Minipille vor allem bei zyklischer Migräne, Hypertonie und Diabetes indiziert ist. Minipillen eignen sich auch für die Stillzeit. Die gebräuchlichsten Arzneistoffe sind Lynestrenol, Levonorgestrel, Norethisteron und Norethisteronacetat. Sie erhöhen die Viskosität des Zervixschleimes und verhindern so die Migration der Spermien.

Auch bei Drei-Monats-Spritzen kann es zu Zyklusstörungen kommen. Nach Absetzen der Spritze dauert es im Durchschnitt neun Monate, bis die Frau wieder fruchtbar ist. Indiziert sind Depot-Gestagene bei Mastopathie, nach Brustkrebsoperationen und bei verwirrten oder geistig behinderten Patientinnen, die die tägliche Pille zu oft vergessen würden.

Die Pille danach - auch als postkoitale Kontrazeption oder heute richtiger als Interzeption bezeichnet - sollte spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Da den Frauen meist sehr übel wird, sollten sie zusätzlich ein Antiemetikum erhalten. Versagt die Pille, kommt es in einem von zehn Fällen zu einer extrauterinen Schwangerschaft.

Sicherer ist das in Deutschland noch nicht zugelassene Mifepriston (RU 486). Wird es innerhalb von 72 Stunden gegeben, sind Schwangerschaften so gut wie ausgeschlossen. In Kombination mit Prostaglandin liegt die Schwangerschaftsrate bis zur neunten Woche bei 0 bis 2,5 Prozent. Übelkeit und Erbrechen sind selten.

Nach Meinung Baumgartens vorteilhaft: Mit RU 486 sind Narkose, Absaugen und mechanische Dilatation des Muttermundhalses nicht nötig. Die psychische Belastung aber sei für viele Frauen größer, weil sie mit Tabletten selbst den Abort einleiten und die Ausstoßung bewußt miterlebten, sagte die Ärztin. In Frankreich wählten zwei Drittel der Frauen die chirurgische Methode und nur ein Drittel RU 486.

Estrogene im Alter

Nehmen Frauen nach der Menopause Hormone ein, hat das Auswirkungen auf den ganzen Körper. "Die Hinweise darauf, daß die Substitutionstherapie beim Morbus Alzheimer präventiv wirkt, nehmen zu", sagte Professor Dr. Horst Lübbert vom Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Berlin. Estrogene beeinflussen den Acetylcholin- und den Serotonin-Stoffwechsel im Gehirn, sie induzieren einen Wachstumsfaktor für Nervenzellen und verhindern die falsche Metabolisierung bestimmter Neuropeptide.

Auf Gefäße und Blutgerinnung wirken Estrogene in dem sie die Konzentration von Fibrinogen, LDL oder Homocystein senken. Die Hormone erhöhen Stickoxid- und Prostacyclin-Spiegel. So wird die Thrombozytenaggregation vermindert, die Gefäßmuskelzellen werden relaxiert. Allerdings gilt dies nur an den Arterien, in den Venen wirkten Estrogene thrombogen, meinte Lübbert. "Der gesundheitliche Vorteil durch Abnahme arterieller Thrombosen überwiegt bei weitem den kleinen Nachteil durch venöse Thrombosen." Risikopatientinnen, übergewichtig oder mit angeborenen Gerinnungsstörungen, sollten aber vorsichtig sein.

Trotz der positiven Effekte auf die Arterien hat eine große randomisierte placebokontrollierte Studie aus den USA ergeben, daß Estrogene das Risiko für einen Herzinfarkt nicht senken, wenn die Frau bereits einen Infarkt hatte. Nur in der Primärprävention rechnet Lübbert mit einer Wirkung, prospektive Studien dazu stehen aber noch aus. "Die jahrelange treue Anwendung von Estrogenen kann wahrscheinlich das Risiko für einen Herzinfarkt um 30 Prozent senken."

Die Estrogen-Substitution induziert keinen Brustkrebs, kann aber das Wachstum okkulter Brustkrebszellen beschleunigen. Nur prospektive Studien könnten diese Frage eindeutig klären, meinte Lübbert. Nimmt eine 55jährige Frau seit fünf Jahren Hormone, ist ihr Risiko ungefähr so groß, wie das einer Frau, bei der erst mit 55 Jahren das Klimakterium beginnt. Das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, nimmt unter der Estrogen-Substitutionstherapie ab. Wahrscheinlich hängt dies mit dem Einfluß der Hormone auf die Produktion von Gallensäuren zusammen.

Pille vergessen - was tun?

Schätzungsweise zehn bis dreißig Prozent aller Frauen vergessen eine oder mehrere Pillen pro Zyklus, sagte Dr. Susanne Baumgarten, Gynäkologin aus Berlin. Je früher im Zyklus die Pille vergessen wird, desto größer ist das Risiko schwanger zu werden. Daher sollte auch keinesfalls das einnahmefreie Intervall über die vorgeschriebenen sieben Tage hinaus verlängert werden. Wird eine Minipille nur drei Stunden zu spät eingenommen, muß mindestens für die nächsten zwei Tage zusätzlich verhütet werden.

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