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Sertralin: ein neuer SSRI gegen Depressionen

10.03.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

Sertralin: ein neuer SSRI gegen Depressionen

  Depressionen haben ein vielgestaltiges Krankheitsbild und sind mitunter lebensgefährlich. Nicht nur die Suizidrate steigt massiv, auch die körperlichen Symptome der Depression erhöhen die Gesamtmortalität. Die Prävalenz in der Bevölkerung beträgt fünf bis zehn Prozent - keine seltene Krankheit also. Etwa drei Viertel der Patienten werden von Allgemeinärzten behandelt, und nur ein Teil von ihnen erhält Antidepressiva.

Diese Ergebnisse aus den deutschen Daten einer WHO-Studie nannte Professor Dr. Markus Gastpar, Essen, bei der Einführungspressekonferenz von Sertralin in München. Die Substanz ist der fünfte Vertreter der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI: selective serotonin re-uptake inhibitor) zur Therapie depressiver Erkrankungen.

Als Ursache der Depression gelten Störungen in Neurotransmittersystemen, vor allem im noradrenergen und serotonergen System. Es wurden daher Substanzen gesucht, die die adrenerge und serotonerge Transmission ähnlich beeinflussen wie die trizyklischen Antidepressiva (TCA), jedoch ohne deren Nebenwirkungen. Neu im Markt sind Venlafloxin, ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, sowie der a2-Antagonist Mirtazepin, der indirekt Serotonin und Noradrenalin verstärkt. Die Suche nach selektiven SSRI hat nach Fluoxetin, Fluvoxamin und Paroxetin zu den Arzneistoffen Citalopram und Sertralin geführt.

Kaum pharmakologische Unterschiede

In der Pharmakologie ähneln sich die SSRI sehr stark, zeigte Professor Dr. Walter E. Müller aus Frankfurt. Die SSRI blockieren das Transporterprotein, das Serotonin aus dem synaptischen Spalt zurück in das präsynaptische Neuron bringt; damit steigt der Serotoningehalt im synaptischen Spalt. Sertralin hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin etwa 840mal stärker als die von Noradrenalin.

Alle SSRI haben keine oder nur eine sehr geringe Affinität zu anderen Rezeptoren, zum Beispiel a1-, a2- , ß-Adrenozeptoren, Dopamin- oder Histamin-Hl-Rezeptoren. Sie haben keine anticholinergen Effekte und lösen daher keine Obstipation oder trockenen Mund aus (wie TCA). Die Nebenwirkungen sind gruppenspezifisch und erklärbar durch Hemmung der Serotoninaufnahme: gastrointestinale Störungen, Unruhe und Schlafstörungen, Appetitminderung, Kopfschmerzen und sexuelle Funktionsstörungen.

SSRI dürfen nie kombiniert werden mit serotonergen Arzneistoffen wie MAO-Hemmern um das Auftreten eines Serotoninsyndroms zu vermeiden. Günstig ist ihre sehr geringe Toxizität, erklärte Professor Dr. Hans-Jürgen Möller, München. Bei einer Einnahme von 8 g in suizidaler Absicht wurde keine ernsthafte systemische Toxizität beobachtet. Dennoch empfahl der Psychiater bei agitierten suizidgefährdeten Personen den Zusatz eines Tranquilizers (Benzodiazepin).

Antagonist am Sigma-Rezeptor

Einen neuen Aspekt könnte Sertralin durch seine Interaktion mit Sigma-Rezeptoren bieten. Es bindet relativ stark an diesen Opioidrezeptor-Subtyp und wirkt antagonistisch. Möglicherweise erklärt dies die gute Wirksamkeit bei wahnhaften Depressionen, die laut Möller meist die Kombination von Antidepressivum und Neuroleptikum erfordern; Sertralin wirkt hier besser als Paroxetin. Bei anderen depressiven Symptomen ist die Wirksamkeit von Sertralin vergleichbar mit anderen SSRI. Etwa 60 Prozent der Patienten sprechen auf eine Tagesdosis von 50 mg an, eine Dosissteigerung bringt nach Möllers Erfahrungen keine wesentlichen Vorteile. Erst nach einer Therapiephase von vier bis sechs Wochen kann ein (Nicht-)Ansprechen beurteilt werden. In Studien war die Substanz auch bei saisonaler Depression, Dysthymie und prämenstruellen dysphorischen Störungen wirksam.

Der erzielte antidepressive Effekt bleibt bei einer Erhaltungstherapie (Dosierung beibehalten) bestehen; alle SSRI sind rezidivprophylaktisch wirksam, aber nicht zugelassen zur Prophylaxe.

Brigitte M. Gensthaler, München
   

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