Pharmazie
Expektorantien
und Antitussiva
Pharmacon Davos
Tun`s auch zwei bis drei Liter
Wasser täglich, statt eines Expektorans? Sind die Tage
der traditionellen Hustenbehandlung gezählt? Diese
Fragen diskutierte Dr. Horst Wunderer, Privat-Dozent und
praktischer Apotheker, aus Rain am Lech in seinem Vortrag
über hustenlösende und -stillende Arzneimittel.
Mukolytika aber auch Antitussiva sind umstritten. Fest
steht jedoch auch, daß beide Wirkstoffgruppen in der
Selbstmedikation nach wie vor eine erhebliche Rolle
spielen. Was soll der Apotheker also seinen Patienten
empfehlen?
"Nicht bei chronisch obstruktiver
Bronchitis, nicht bei Asthma und nicht tagsüber bei
gleichzeitiger mukolytischer Therapie". Beachte man
diese Ausnahmen, sei der unproduktive Reizhusten durch
entzündliche Veränderungen im Rahmen akuter Rachen- und
Bronchialinfekte "das unumstrittene und sinnvolle
Einsatzgebiet" der Antitussiva, stellte Wunderer
klar. Zu empfehlen seien sie beispielsweise abends zur
Besserung der Nachtruhe. Von einer Langzeitanwendung riet
er jedoch ab. Husten als notwendiger Reflex dürfe nicht
dauerhaft unterdrückt werden.
Zum Einsatz kommen zentral wirksame Antitussiva, bei
denen nur der nichtopioide Hustenblocker Dextromethorphan
in der Selbstmedikation eine Rolle spielt. Wirkdauer 3
bis 6 Stunden, keine oder nur geringe Beeinflussung des
Atemzentrums, keine oder nur geringe Suchtgefahr,
umfassende klinische Datenlage vorhanden. Für alle
zentralen Antitussiva gilt: Keine Anwendung in
Schwangerschaft und Stillzeit, Behandlung von Kindern
erst ab zwei Jahren.
Auch peripher wirksame Antitussiva sollten in
Schwangerschaft und Stillzeit nur mit Vorsicht angewendet
werden; Substanzen wie Dropropizin, Pentoxyverin und
Pipaceta sind hier kontraindiziert, Benproperin und
Clobutinol dürfen im ersten Trimenon nicht angewendet
werden, danach nur mit strenger Indikationsstellung. Den
größten Stellenwert bei den peripher wirkenden
Substanzen räumt Wunderer dem Clobutinol ein. Die
klinische Datenlage sei hier im Vergleich zu den meisten
anderen gut; es sei das einzige Antitussivum, das bereits
ab dem ersten Lebensmonat eingesetzt werden kann, und es
sei neben Noscapin der einzige hustenstillende Wirkstoff,
bei dem nur eine geringe Einschränkung der
Straßenverkehrstauglichkeit zu befürchten sei.
Die bei Patienten beliebten pflanzlichen Antitussiva wie
Eibisch, Huflattich und Isländisch Moos wirken laut
Wunderer durch die enthaltenen Schleimstoffe reizmildernd
im Mund- und Rachenraum. Bei "allem Wohlwollen"
seien sie jedoch nicht in der Lage, die Hustenrezeptoren
im Bronchialtrakt mit einer Schutzschicht zu überziehen
und unempflindlicher machen, stellte Wunderer klar. Die
von einigen Herstellern zusätzlich beanspruchte
antibakterielle Wirkung ihrer Pflanzenpräparate sei so
gering, daß für einen therapeutischen Nutzen
"Riesenmengen" eingenommen werden müßten.
Expektorantien wirklich überflüssig?
Die Standpunkte sind unterschiedlich, die
Datenlage zum Teil diffus, die Wirkmechanismen nicht alle
geklärt. Fest steht die Definition: Expektorantien oder
Mukolytika sind Substanzen, die die Beseitigung
störenden unphysiologischen Schleims aus den Atemwegen
erleichtern sollen. Primäres Ziel: Normalisierung der
Schleimviskosität. Im Vordergrund stehen vor allem drei
Wirkstoffe: Acetylcystein (ACC), der Vasicin-Abkömmling
Bromhexin sowie sein besser verfügbarer, länger
wirksamer Metabolit Ambroxol. Die Anwendung in
Schwangerschaft und Stillzeit ist auch hier
problematisch: Bromhexin ist absolut kontraindiziert, die
beiden anderen relativ.
Das für ACC lange Zeit postulierte Wirkprinzip -
Spaltung der Disulfidbrücken und damit
Viskositätsverminderung des Schleims - müsse neu
überdacht werden, erklärte Wunderer. Dieser Effekt
lasse sich zwar in vitro und bei Inhalation bestätigen,
nicht jedoch bei der heute üblichen oralen Anwendung.
Daher gehe man inzwischen von antioxidativen,
antiphlogistischen und mukusnormalisierenden Effekten
aus. Möglicherweise wirke ACC als Glutathion; als
Cystein-Prodrug sei es in der Lage, dessen Serumspiegel
bei vorhandenem Cysteinmangel zu erhöhen. Glutathion,
ein Tripeptid mit Cystein als Bestandteil, ist das
wichtigste zelluläre Antioxidans.
Außerdem bewirke ACC häufig eine gesteigerte
Bioverfügbarkeit von Antibiotika, beispielsweise bei
Amoxicillin oder bei Erythromycinpropionat, dessen
Resorption auf diese Weise verdoppelt werde. Gegenteilige
In-vitro-Ergebnisse dagegen in Kombination mit
Tetracyclin: Wegen verminderter Bioverfügbarkeit durch
ACC wird hier ein zweistündiger Einnahmeabstand
empfohlen. Einen Einfluß auf die Bioverfügbarkeit von
Antibiotika zeigt auch Ambroxol: Selbst in der Lunge rund
20mal höher konzentriert als im Blut, fördert es auch
den Übertritt von Substanzen wie Amoxicillin in das
Lungengewebe. Für eine effektive expektorierende Wirkung
empfiehlt Wunderer Dosen von 120 mg Ambroxol/d, da nicht
exakt geklärt sei, ob darunter liegende Mengen
ausreichend wirken.
Im Hinblick auf die in der Selbstmedikation beliebte
Hustentherapie mit ätherischen Ölen wie Pfefferminz,
Eukalyptus oder Fenchel gab Wunderer zu bedenken, daß
bei Anwendung von Pflanzentees wegen deren
"minimaler" Ölgehalte expektorierende Effekte
wohl kaum zu erwarten seien. Eine Wirkung sei hier in
erster Linie Resultat der
"Wässerungstherapie". Um sekretolytische,
expektorierende oder sekretomotorische Effekte von
ätherischen Ölen zu nutzen, sei - wenn überhaupt -die
Anwendung von Extrakten (in Kapselform) sinnvoller.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Davos
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