Pharmazie
Hepatitis:
neue Hintergründe und Therapieansätze
Italienische Barbiere leben
gefährlich. Ein großer Prozentsatz von ihnen hat
Gelbsucht. Der Grund, so wird kolportiert, liege darin,
daß so mancher Barbier nicht nur den Bart der Kunden,
sondern auch seinen eigenen mit ein und demselben Messer
abrasiere. Man kann diese Methoden für nicht ganz
zeitgemäß und daher vernachlässigbar halten. Tatsache
ist aber, daß die Ausbreitung und Übertragungswege der
Hepatitiden immer wieder diskutiert werden.
Jährlich infizieren sich 50 000 Menschen neu
mit Hepatitis B, 25 000 davon erkranken akut, bis zu
5000, also knapp 10 Prozent, entwickeln eine chronische
Gelbsucht. Bei Hepatitis C (HCV) werden die
Neuinfektionen auf 3000 bis 4000 im Jahr geschätzt, die
Inzidenz beträgt also nur rund ein Zehntel.
Problematisch sei jedoch, daß die Krankheit zu Beginn
oft ohne Symptome, aber in rund 80 Prozent der Fälle
chronisch verlaufe, betonte Professor Dr. Wolfgang Jilg
vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene in Regensburg
auf einem Hepatologie-Symposium am Virchow-Klinikum der
Berliner Humboldt-Universität.
Die Übertragungswege bei Hepatitis B sind weitgehend
bekannt. Minimale Läsionen reichen für eine Ansteckung
aus. Gefährdet ist, wer im medizinischen Bereich
arbeitet, sich Drogen spritzt oder häufig wechselnde
Sexualkontakte hat. Zwischen 1987 und 1989 hatte
Hepatitis B stark abgenommen. Jilg führt dies auf
bessere Vorsichtsmaßnahmen im Zuge der AIDS-Kampagnen
zurück und wertet das Ergebnis als einen Hinweis für
die Bedeutung der sexuellen Übertragung.
Im Falle von Hepatitis C ging man ursprünglich von
ähnlichen Ansteckungswegen aus. Die vorhandenen
Fallzahlen reichen jedoch für fundierte epidemiologische
Studien nicht aus. Eine Untersuchungsgruppe von
HCV-Infizierten in Hamburg bestand zu 40 Prozent aus
Drogenabhängigen, nur 0,7 Prozent hatten sich aufgrund
ihrer Tätigkeit im medizinischen Bereich angesteckt, bei
gut der Hälfte blieb die Genese unbekannt.
IFN a und Ansätze zur Response-Verbesserung
Chronische Hepatitiden bergen die Gefahr einer
Leberzirrhose oder eines Leberkarzinoms in sich. Einzige
etablierte Therapiemöglichkeit sei die Behandlung mit
Interferon a (IFN a), erklärte Professor Dr. Uwe Hopf
vom Virchow-Klinikum in Berlin. Allerdings sprechen
Patienten mit Hepatitis B nur zu 40 Prozent, Patienten
mit Hepatitis C sogar nur zu 20 Prozent auf die
Behandlung an. In Einzelfällen kommt es sogar vor, daß
die Wirkung von Interferon nach mehreren Jahren
erfolgreicher Therapie ausbleibt.
Um die Rate der Non-Responder zu senken, wird Interferon
mit Nukleosidanaloga kombiniert. Gegen Hepatitis B werden
Famciclovir und Lamivudine eingesetzt, gegen Hepatitis C
wird derzeit Ribavirin, ein Guanidinanalogon, getestet.
Im Gegensatz zu anderen Nukleosidanaloga konnte bei
Ribavirin keine virustatische Aktivität festgestellt
werden, der Wirkmechanismus ist unbekannt, klinisch wurde
aber eine positive Wirkung festgestellt.
Die Zwischenauswertung einer noch nicht abgeschlossenen
multizentrischen Studie zeigte, daß Ribavirin in
Kombination mit Interferon 40 Prozent der Non-Responder
in Responder umwandelt. Bei Patienten, die von
vorneherein auf Interferon ansprachen, verbesserte sich
die Wirkung durch die zusätzliche Gabe von Ribavirin
nicht weiter. Nach drei Monaten Kombinationstherapie wird
die Behandlung allein mit Interferon fortgesetzt. Als
wichtigste Nebenwirkung wurde bei einigen Patienten ein
starkes Absinken des Hämoglobinspiegels beobachtet.
Hepatitis B will man vor allem durch konsequente
Impfungen eindämmen. Gegen Hepatitis C ist kein
Impfstoff in Sicht, die Krankheit verläuft lange Zeit
unbemerkt, und die Behandlung ist schwierig. Die
ansteigenden Fallzahlen führt Jilg auf die höhere
Wahrnehmungsrate der Ärzte zurück. Viele
Typ-C-Infektionen würden zudem jetzt als akut und damit
»neu« gemeldet, obwohl sie schon viele Jahre bestanden.
Zur Panik, so Jilg, gebe die Entwicklung daher zur Zeit
keinen Anlaß.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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