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Vorsicht vor Vitamin-Megadosen

03.06.2002  00:00 Uhr

Pharmacon Meran 2002

Vorsicht vor Vitamin-Megadosen

Was ist dran an orthomolekularer Medizin und Anti aging? Professor Dr. Hans Konrad Biesalski vom Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim zog ein kurzes Fazit: "Wenig" sei wissenschaftlich gesichert. "Gene, gesunde Ernährung, Bewegung, Life style, Gelassenheit, Optimismus und vielleicht auch Antioxidantien" könnten helfen, das Alter schön und gesund zu erleben.

Das Konzept der orthomolekularen Medizin geht davon aus, dass ein Überangebot an essenziellen Mikronährstoffen und Vitaminen den Zellstoffwechsel und damit den gesamten Organismus "harmonisieren" könne. In der Theorie, dass eine Imbalance von pro- und antioxidativen Faktoren den Alterungsprozess antreibt, liegt ein wichtiger Grund für den Einsatz hoher Dosen antioxidativer Vitamine. "Wissenschaftlich gesichert ist der Nutzen nur zur Behebung eines nachgewiesenen Mangels", stellte der Referent klar. "Anti aging ist unsinnig, das gibt es nicht." Es sei unseriös, wenn die Anti-aging-Medizin einen Jungbrunnen verspricht.

Das wichtigste endogene Antioxidans ist Harnsäure, als wichtigste exogene Stoffe nannte Biesalski Vitamin E, Carotinoide und Ubiquinon. Via Ernährung führe sich der Mensch relativ rasch Antioxidantien zu. Vitamin E sollte man nur kombiniert mit Vitamin C einnehmen, empfahl der Wissenschaftler. Der Grund: Tocopherol fängt in der Zellmembran Radikale ab und bremst damit die Lipidoxidation. Seinerseits wird es durch Vitamin C reduziert, wobei das sehr reaktionsträge Vitamin-C-Radikal entsteht.

Dieses Radikal als intermediäres Endprodukt ist ein Marker für die Lipidoxidation, nicht generell für oxidativen Stress. Biesalski räumte mit einem weiteren Irrtum auf: Der Antioxidantienstatus im Plasma ist wenig aussagekräftig für die Konzentrationen in Zellen - dem eigentlichen Wirkort. In eigenen Untersuchungen konnte er zeigen, dass der Betacaroten- und Tocopherolspiegel in Buccalzellen deutlich niedriger lag als im Plasma.

Eine Antioxidantien-reiche Ernährung reduziert das Risiko degenerativer Erkrankungen. Für Supplemente sieht die Lage schlechter aus: Interventionsstudien hätten keinen Effekt gezeigt, sagte der Referent. Nur in kleinen Studien habe man eine Wirkung bei Risikogruppen wie Rauchern gesehen. In großen Studien wie der ATBC- oder der CARET-Studie sei die Lungenkrebs- oder Mortalitätsrate in der Betacaroten/Vitamin-C- beziehungsweise -Vitamin-A-Gruppe sogar angestiegen. Beim Frettchen reduzierte die Kombination von Betacaroten und Rauchen die Retinsäurerezeptor-(RAR)-b-Aktivität; von RAR-b-Knock-out-Mäusen weiß man, dass sie rasch Lungenkrebs entwickeln. Über die Nahrung werden maximal 10 mg Betacaroten täglich aufgenommen, mahnte der Referent zur Vorsicht.

In der CHAOS-Studie erhielten die Teilnehmer 800 oder 400 internationale Einheiten a-Tocopherol. Dies reduzierte zwar die Zahl nicht tödlicher Herzinfarkte und größerer Koronarereignisse, die Sterblichkeit blieb aber unverändert und stieg in den ersten drei Monaten sogar an. Biesalski riet, Vitamin E langsam einzuschleichen, da dieses die Thrombozytenadhärenz und die Blutgerinnung moduliert. Auch bei Vitamin C sind Nebeneffekte denkbar, da es die gleichen GLUT-Rezeptortypen für den Eintritt in die Zelle benutzt wie Glucose. Daran solle man denken, wenn man Diabetikern hohe Dosen Vitamin C verabreicht.

Häufig werden Präparate der orthomolekularen Medizin begleitend in der Krebstherapie eingesetzt. Jedoch wirken Chemo- und Strahlentherapie überwiegend über die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), die möglicherweise vom Antioxidantien-Cocktail abgefangen werden. Vitamin E könne zwar die Nebenwirkungen einer Doxorubicin-Therapie reduzieren, die Wechselwirkungen seien jedoch unklar.

Biesalski resümierte: Anti aging ist eine Frage des Lebensstils und der Gene. Ob orthomolekulare Medizin einen ungesunden Lebensstil kompensieren könne, sei fraglich. Ob sie trotz einer gesunden Lebensweise etwas bewirke, sei offen. Wirkungen und Nebenwirkungen von Vitamin-Supplementen würden erst nach vielen Jahren sichtbar; daher seien 2- und 5-Jahresstudien irrelevant. Für die Primärprophylaxe hält er maximal 100 mg Vitamin E plus 500 mg Vitamin C für "adäquat". Betacaroten könne man zur Intervalltherapie bei polymorpher Lichtdermatose einsetzen, wenn der Hautarzt diese Indikation festgestellt habe.

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