Gesetze geben keine Antwort |
03.06.2002 00:00 Uhr |
Pharmacon Meran 2002
Ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID ) lässt sich weder aus dem Embryonenschutzgesetz noch aus der Verfassung eindeutig ableiten. Ob das Verfahren künftig in Deutschland erlaubt oder verboten ist, kann und muss nach Meinung von Professor Dr. Jochen Taupitz von der Universität Mannheim das Parlament entscheiden.
Taupitz, der neben seiner Professur für Rechtwissenschaften auf Bundesebene in zahlreichen Kommissionen und Gremien arbeitet, interpretierte die rechtlichen Aspekte der PID, nachdem der Mediziner und Biologe Dr. Dieter Schäfer seinem Auditorium zuvor die naturwissenschaftlichen Fakten erläutert hatte.
Die Befürworter und Gegner einer Diagnose der im Reagenzglas befruchteten Eizelle beziehen sich zum Teil auf das 1990 in Deutschland in Kraft getretene Embryonenschutzgesetz (ESchG). Zunächst stelle sich die Frage, ob man eine einzelne totipotente Zelle, die für die PID vom Zellhaufen isoliert wird, mit dem Embryo gleichsetzen könne, erläuterte der Experte. Dieser auch von der Bundesjustizministerin getragenen Interpretation, dass bereits die Untersuchung als solche eine verbotene Verwendung im Sinne der "Benutzung" und "Inanspruchnahme" des Embryos darstelle, die nicht seiner Erhaltung dient, konnte sich Taupitz nicht anschließen. Für fragwürdig hält er auch die Argumentation, dass sich Ärzte strafbar machen, die über die Möglichkeiten der PID im Ausland aufklären.
Bislang ist unklar, ob die Zellen, die im 8-Zell-Stadium abgetrennt werden, noch totipotent oder nur pluripotent sind. Der Rechtsexperte vertrat zudem nicht die Meinung, dass die PID eine missbräuchliche Verwendung im Sinne des ESchG sei.
Diejenigen, die die PID nach geltendem Recht für legal halten, argumentierten, dass die Methode zwar eventuell gegen das ESchG verstoße, aber gleiche Voraussetzungen wie bei einem legalen Schwangerschaftsabbruch gelten sollten, informierte Taupitz. Schließlich sei der Abbruch aus medizinisch-sozialen Gründen nicht nur straffrei, sondern sogar erlaubt.
"Aus dem ESchG lässt sich weder ein Verbot noch die Erlaubnis der PID ableiten", resümierte der Experte. Und auch die Argumente der PID-Gegner, die sich auf die Verfassung beziehen, konnte er nicht nachvollziehen. Die meisten Gegner bezögen sich auf den Begriff der Menschenwürde. Dieser sei in der Verfassung aber bewusst nicht statisch festgeschrieben. Taupitz begründete seine Aussage mit der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht bislang immer nur prüfte, ob eine Verletzung der Menschenwürde vorliegt, sich also ganz bewusst auf eine "Negativprüfung" beschränkte.
Nach Meinung von Taupitz könne man dem Argument, die Menschenwürde des Embryos würde verletzt, die These entgegensetzen, dass es gerade dem Lebensschutz und der Menschenwürde widerspreche, einen Embryo ohne PID "unwissend" weiter heranwachsen zu lassen, um ihn dann später nach einer pränatalen Diagnostik abzutreiben. Problematisch ist nach Meinung des Rechtsgelehrten auch die Beziehung zwischen PID und PND (Pränataldiagnostik). Zwischen beiden Untersuchungen dürfe eigentlich nicht unterschieden werden. Eine Schwangerschaft auf Probe sei nicht akzeptabel.
Dass Kinder künftig nur noch nach Selektion im Reagenzglas und entsprechend den Wünschen der Eltern "produziert" werden, kann Taupitz nicht nachvollziehen. Schließlich sei die künstliche Befruchtung für die Eltern außerordentlich belastend. "Die Lust am Kinderkriegen wird uns vom Selektieren von Designerkindern abhalten", prognostizierte er. Da sich aber weder aus der Verfassung noch aus dem Embryonenschutzgesetz schlüssige Antworten ableiten lassen, müsse das Parlament über eine Erlaubnis oder das Verbot der PID entscheiden.
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