Pharmazie
Therapie der Osteoporose mit
Biphosphonaten
Osteoporose ist eine systemische
Skeletterkrankung, die durch den Verlust der Knochenmasse
und die mikroarchitektonische Zerstörung von
Knochengewebe mit einer daraus folgenden Zunahme der
Knochenbrüchigkeit und Neigung zu Frakturen
charakterisiert ist (Consensus Conference 1993).
Therapieempfehlungen, die durch klinische
Studien belegt sind, liegen zur Zeit nahezu
ausschließlich für die häufigste Osteoporoseform, die
postmenopausale Osteoporose, vor. Für die männliche
Osteoporose, die in ihrer Häufigkeit meist unterschätzt
wird, gibt es kaum publizierte Therapieempfehlungen.
Grundsätzlich kommen jedoch, abgesehen von Estrogenen
und Gestagenen, dieselben Substanzen in Frage wie bei der
Frau.
Neben der ausreichenden Versorgung mit Calcium und
gegebenenfalls Vitamin D kommen nach Ausschluß einer
sekundären Osteoporose (zum Beispiel Hyperthyreose,
Hypogonadismus, Morbus Crohn) neben der
Hormonsubstitution (bei der postmenopausalen Frau) auch
osteoklastenhemmende Substanzen (Antiresorptiva, zum
Beispiel Biphosphonate) und osteoblastenstimulierende
Arzneistoffe (Osteoanabolika, zum Beispiel Fluorid) in
Frage.
Biphoshonate, Abkömmlinge des natürlich vorkommenden
Pyrophosphats, beeinflussen den Knochenstoffwechsel. Sie
können durch Chemisorption an
Calciumphosphatoberflächen die Bildung, das Wachstum
sowie die Auflösung der Hydroxyapatit-Kristalle und
ihrer amorphen Vorgängersubstanzen verhindern. Der
hauptsächliche pharmakologische Effekt beruht auf einer
Hemmung der Knochenresorption und Suppression des
Knochenumbaues, was zumindest zu einer Stabilisierung
oder in der Regel zu einer Zunahme der Knochenmasse
führt, die auf physiologischem Hydroxyapatit beruht.
Fluoride stimulieren die Osteoblastenproliferation und
die Bildung von härterem, schwerer löslichem
Fluorapatit mit nachfolgend möglicherweise reduziertem
osteoklastärem Knochenabbau. Die Fluoridtherapie (15 bis
20 mg bioverfügbares Fluorid/d) führt zu einem
beachtlichen Zuwachs der Knochendichte an der
Wirbelsäule, der jedoch nicht zwingend mit einer
Verminderung der Frakturinzidenz gekoppelt ist. Fluorid
besitzt ein enges therapeutisches Fenster, das eine
individuelle Dosisanpassung notwendig macht. Die
Nebenwirkungsrate liegt bei 20 bis 30 Prozent; berichtet
wird über lokale Schmerzen an der Tibia (Schienbein,
distal) und am Calcaneus (Fersenbein).
Zwei Biphosphonate zugelassen
Für die Therapie der Osteoporose und damit für
die Frakturprävention ist in Deutschland das
Alkyl-Biphosphonat Etidronat (Didronel zugelassen sowie
das Amino-Biphosphonat Alendronat (Fosamax), das Anfang
Oktober in Deutschland eingeführt wurde. Beide
Substanzen haben in klinischen, kontrollierten Studien zu
einer Verminderung der Wirbelkörperfrakturrate geführt,
weisen jedoch hinsichtlich Anwendung, Pharmakokinetik und
Begleitwirkungen erhebliche Unterschiede auf.
Wie allgemein bei jeder Osteoporosetherapie empfohlen,
benötigen auch die Biphosphonate grundsätzlich eine
Calcium- und gegebenenfalls Vitamin D-Supplementierung.
Entsprechend wurde in den klinischen Studien 500 mg
Calcium täglich gegeben. Beim Etidronat, das cyclisch
angewendet wird, ist Calcium fester Bestandteil des
Therapieschemas, während bei der kontinuierlichen
Verabreichung von Alendronat Calcium zusätzlich
verordnet werden muß.
Etidronat wird in Cyclen gegeben (14 Tage 400 mg/d,
nachfolgend 76 Tage nur 500 mg Calcium/d), die cyclische
Gabe über jeweils 90 Tage ist bei der Berechnung von
täglichen Therapiekosten zu berücksichtigen. Klinische
Erfahrungen aus der ununterbrochenen cyclischen
Behandlung mit Etidronat über sieben Jahre zeigen, daß
sie zu Zunahmen respektive dem Erhalt der vertebralen
Knochenmasse führt und dem Auftreten von
Wirbelkörperfrakturen anhaltend vorbeugt. Die einmalige
Gabe von 400 mg Etidronat kann zu jeder beliebigen
Tageszeit erfolgen, jedoch ist ein Mindestabstand von
zwei Stunden zu vorheriger oder folgender Mahlzeit
einzuhalten (Calcium-Interaktion). Die durchschnittliche
Bioverfügbarkeit beträgt 3,5 Prozent (2 bis 10
Prozent).
Alendronat wird kontinuierlich in einer Dosis von 10 mg
pro Tag gegeben, bei Patienten mit eingeschränkter
Nierenfunktion ist es nicht indiziert. Die Einnahme hat
auf nüchternen Magen mindestens 30 Minuten vor der
ersten Nahrungsaufnahme mit einem vollen Glas
Leitungswasser (kein Mineralwasser) zu erfolgen. Danach
darf der Patient für mindestens 30 Minuten nicht liegen,
wodurch dem erhöhten Risiko von oesophagealen
Nebenwirkungen (Oesophagitis, Oesophagus-Erosionen,
Oesophagus-Ulcera) vorgebeugt werden soll.
Über die Oesophagus-Problematik ist der Patient ebenso
wie über das erhöhte Risiko von Unverträglichkeiten im
oberen GI-Trakt bei gleichzeitiger Therapie mit NSAR
unbedingt aufzuklären. Die Bioverfügbarkeit beträgt
circa 0,7 Prozent, wenn mindestens eine Stunde nach
Einnahme keine Nahrungszufuhr erfolgt, und reduziert sich
um 40 Prozent , wenn nur eine halbe Stunde gewartet wird.
Klinische Langzeiterfahrungen liegen über etwa drei
Jahre vor. Für eine allgemeine Osteoporose-Prophylaxe
sind Biphosphonate nicht zugelassen und somit kein
Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.
PZ-Artikel von Niels-Peter Lüpke, Osnabrück
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