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Arzneimittelpreis für Clozapin

09.12.1996  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag

Arzneimittelpreis für Clozapin

  Der Arzneimittelpreis der Münchner Medizinischen Wochenschrift (MMW) ging in diesem Jahr an das atypische Neuroleptikum Clozapin. Die vor über dreißig Jahren gefundene Substanz hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich: In ihrer Bedeutung nur von wenigen Psychiatern erkannt, wäre sie beinahe ganz vom Markt verschwunden, nachdem schwere Nebenwirkungen aufgetreten waren. In den vergangenen Jahren hat sie jedoch vor allem in den USA eine regelrechte Renaissance erlebt und ist damit zu einem Klassiker geworden.

Clozapin fiel Ende der 50er Jahre aus dem Rahmen, als das Herstellerunternehmen (Wander) ursprünglich neue trizyklische Antidepressiva auf der Basis von Benzodiazepinen synthetisieren wollte: Clozapin war antipsychotisch wirksam, zeigte aber im Gegensatz zu den anderen bis dato bekannten Neuroleptika keine extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen. Klinische Studien in Europa bestätigten dies, konnten der Substanz aber noch nicht zum Durchbruch verhelfen: Zu tief war das Dogma verwurzelt, daß bei Neuroleptika die antipsychotische Wirkung obligat mit einer extrapyramidal-motorischen gekoppelt sein müsse.

Wirksam auch Minussymptomatik

Vielleicht hätte sich das Präparat dennoch durchgesetzt, wären nicht Mitte der siebziger Jahre in Finnland in Verbindung mit einer Clozapinbehandlung 16 Fälle von Agranulozytose aufgetreten, die Hälfte davon mit letalem Ausgang. Der Hersteller erwog daraufhin, das Medikament völlig vom Markt zu nehmen, wurde aber von einigen Wissenschaftlern vom Gegenteil überzeugt. Sie konnten nachweisen, daß Clozapin eine Sonderstellung in der Behandlung schizophrener Psychosen einnimmt.

Es wirkt auch bei ungefähr 50 Prozent der Fälle, die gegen herkömmliche Neuroleptika resistent sind. Im Gegensatz zu diesen beeinflußt es nicht nur die schizophrene Plussymptomatik wie Wahn und Halluzinationen, sondern auch die Minussymptome mit Affektverarmung, Antriebsmangel und Kontaktstörung. Gleichzeitig induziert der Wirkstoff keine Parkinson-artigen, extrapyramidal-motorischen Störungen.

Infolge des Fehlens dieser wichtigsten Nebenwirkungen ist die Compliance - bei psychotischen Patienten im ambulanten Bereich ohnehin ein Problem - unter Clozapinbehandlung besser als bei den übrigen Neuroleptika, was sich wiederum in einer Reduktion der Gesamtbehandlungskosten niederschlägt. Aufgrund erheblich reduzierter Kosten für stationäre Behandlung ergaben sich in zwei US-Studien Einsparungen zwischen 20 000 und über 40 000 Dollar pro Patient und Jahr.

Das Agranulozytose-Risiko ist zwar, wie sich herausgestellt hat, nicht größer als bei anderen trizyklischen Verbindungen; eine regelmäßige Blutbildkontrolle ist dennoch zwingend vorgeschrieben (anfangs wöchentlich, später alle vier Wochen). Clozapin ist deshalb in Deutschland nur für eine "kontrollierte Anwendung", ausschließlich bei therapieresistenter Schizophrenie, zugelassen. Das Medikament wird an die Apotheke nur ausgeliefert, wenn der behandelnde Arzt gegenüber der Herstellerfirma sein Einverständnis mit der Anwendung der entsprechenden Richtlinien schriftlich niedergelegt hat.

Angesichts der positiven Erfahrungen der letzten Jahre, vor allem in den USA, fordern Professor Dr. Hanns Hippius, München, zufolge immer mehr Psychiater, die zugelassene Indikation zu erweitern. Schweizer Psychiater haben laut Professor Dr. Franz Müller-Spahn aus Basel eine Initiative gestartet, um Clozapin künftig auch als Mittel der ersten Wahl vor allem bei paranoider Schizophrenie, bei überwiegender Negativsymptomatik sowie bei Suizidrisiko einsetzen zu können.

PZ-Artikel von Josef Gulden, Ingolstadt
   

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