Pharmazie

Dorzolamid, ein neues Glaukommittel
Serie Neue Arzneistoffe
Das unbehandelte Glaukom, bei dem es durch den erhöhten Augeninnendruck zu einer Schädigung des Sehnervs kommt, ist die zweithäufigste Erblindungsursache in den Industrienationen. Neben der Lasertherapie und konventionellen Operationsverfahren, die schweren Formen des erhöhten Augeninnendrucks vorbehalten sind, werden bevorzugt lokal am Auge applizierbare Medikamente angewandt. Neben Clonidin (wie Isoglaucon) werden vor allem drei Substanzgruppen eingesetzt: Betablocker wie Timolol (Chibro-Timoptol und andere), Sympathomimetika wie Dipivefrin (Glaucothil) und Parasympathomimetika wie Aceclidin (Glaucotat und andere), Pilocarpin (Pilocarpol und andere) oder Carbachol (Carbamann und andere).
Beim Glaukomanfall wird zusätzlich Acetazolamid eingesetzt, ein Carboanhydrasehemmer. Der Wirkstoff kann aber nicht lokal, sondern nur oral oder i. v. angewendet werden. Da zur Glaukombehandlung vergleichsweise hohe Dosen erforderlich sind, ist die Nebenwirkungsrate entsprechend hoch. Daher wurde nach lokal am Auge anwendbaren Carboanhydrasehemmern gesucht, die weniger systemische Wirkungen aufwiesen. Mit Dorzolamid (Trusopt) von der Firma Schibret kam Mitte 1995 der erste lokal anwendbare Carboanhydrasehemmer in den Handel, der die unerwünschten Wirkungen des systemisch verabreichten Acetazolamids (Nierensteinbildung, Kaliumverlust, Störung des Säure-Basen-Haushalts, Blutbildungsstörungen wie Thrombozytopenie, Agranulozytose oder aplastische Anämie) nicht besitzt, trotzdem aber zu einer wirksamen Senkung des intraokularen Drucks führt. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren bitterer Geschmack (etwa 27 Prozent) sowie Brennen der Augen (etwa 12 Prozent).
Bei Patienten mit Glaukom oder okulärer Hypertension erwies sich Dorzolamid bei dreimal täglicher Verabreichung als Monotherapie oder zweimal täglicher Gabe als Zusatztherapie zu topischen Betablockern in klinischen Studien mit einer Dauer bis zu einem Jahr als wirksam. Die Wirksamkeit der Langzeit-Monotherpaie war vergleichbar mit Betaxolol und etwas geringer als unter Timolol. Bei Anwendung als Zusatztherapie konnte mit Dorzolamid eine zusätzliche Augeninnendrucksenkung, vergleichbar mit der viermal täglichen Gabe von Pilocarpin 2 %, erreicht werden.
Dorzolamid ist als Bereicherung des therapeutischen Spektrums anzusehen. Die Substanz eignet sich besonders für Patienten, die auf eine Betablocker-Therapie nicht ansprechen oder bei denen diese Stoffgruppe kontraindiziert ist. Positiv hervorzuheben ist auch die Möglichkeit der Kombination mit Betablockern, die eine zusätzliche Senkung des intraokulären Drucks ermöglicht. Denn anders als Pilocarpin, das ebenfalls - mit Betablockern kombiniert - zu einer zusätzlichen Drucksenkung führt, kommt es nach Gabe von Dorzolamid nicht zu den unter Pilocarpin bekannten Sehstörungen.
PZ-Artikel von Rolf Thesen, Eschborn © 1996 GOVI-Verlag
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