Schnarcher leben gefährlich |
01.11.2004 00:00 Uhr |
Unbemerkt und doch mit fatalen Folgen: Die obstruktive Schlafapnoe, charakterisiert durch immer wiederkehrende Atemaussetzer während des Schlafs, zieht ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten, Schlaganfall oder Depressionen nach sich. Apotheker können helfen, gefährdete Personen zu identifizieren.
Der Schlaf von etwa zwei Millionen Deutschen ist durch eine Schlafapnoe gestört, sagte Dr. Hartmut Grüger, Somnologe am Diakoniewerk Kaiserswerth, Düsseldorf, auf einer Veranstaltung des Adexa-Netzwerks Patientenkompetenz. Aber etwa 95 Prozent wissen nichts davon. Dabei sind die Symptome kaum zu überhören: Apnoiker schnarchen laut und unregelmäßig; das Schnarchen wird definitionsgemäß von Atemstillständen von mindestens 10 Sekunden Dauer unterbrochen. Bei der obstruktiven Schlafapnoe bleibt dem Betroffenen mindestens zehnmal pro Stunde die Luft weg – und solche Atemblockaden können bis zu 600 Mal pro Nacht auftreten.
Was nimmt die Luft zum Atmen? „Bei der obstruktiven Apnoe verschließt sich während des Einatmens der Rachen durch eine übermäßige Erschlaffung der Schlund- und Mundbodenmuskulatur sowie durch einen erhöhten Gewebsdruck von außen“, erklärte der Experte. Somit ist dem Sauerstoff der Weg in die Lunge versperrt. Der Patient droht zu ersticken. Der Sauerstoffmangel im Blut und der verminderte Herzschlag lösen eine Überlebensreaktion aus: Der Betroffene erwacht, wenn auch nur kurz, holt mit einem lauten Schnaufer Luft und beginnt wieder zu atmen. Die Sauerstoffsättigung im Blut sowie der Herzschlag pendeln sich wieder auf Normalniveau ein – bis der nächste Atemstillstand kommt. Statt eines erholsamen Nachtschlafs erlebt der Apnoiker eine Reihe von Stressmomenten, meist ohne sich dessen bewusst zu sein.
Nachts kurz wach, tags lange müde
Die andauernden Unterbrechungen des Schlafs bleiben nicht ohne Folgen: Bleierne Müdigkeit und ständige, kaum kontrollierbare Schlafanfälle am nächsten Tag zeugen von der gestörten Nachtruhe. Sekundenschlaf ist besonders gefährlich beim Autofahren. So ist denn auch Einschlafen am Steuer mit 24 Prozent die häufigste Unfallursache, haben Untersuchungen ergeben. Neben der extremen Erschöpfung machen manchen Betroffenen Kopfschmerzen direkt nach dem Aufstehen zu schaffen. Grund ist der erhöhte Kohlendioxid-Gehalt im Blut. Wer dauernd schlecht schläft, wird zunehmend unkonzentriert, reagiert gereizt, ist nervös und aggressiv. Das Gefühl, den Anforderungen von Familie und Beruf nicht mehr gewachsen zu sein, wächst. Manche Betroffene werden depressiv und schieben ihren Leistungsknick auf das Alter.
Doch nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung leidet. Diese ist auf Grund der Folgeerkrankungen gegenüber Gesunden deutlich herabgesetzt. Die ständigen nächtlichen Stressmomente überschwemmen den Organismus laufend mit Catecholaminen, was das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Grüger nannte Zahlen: „Ein 50-Jähriger mit mindestens 20 Atemaussetzern pro Stunde hat ohne Therapie ein doppelt erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen wie ein Gesunder.“ Ähnlich sieht es für Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Hypertonie oder Schlaganfall aus. Studien zeigen, dass 50 bis 70 Prozent der Schlafapnoiker eine Hypertonie haben. Unter der restlichen Bevölkerung haben etwa 10 bis 20 Prozent einen erhöhten Blutdruck. Allerdings findet sich bei rund 30 Prozent der Hochdruck-Patienten eine Schlafapnoe, so dass die Apnoe als eine Ursache des Hochdrucks gilt.
Die genauen Ursachen der Schlafapnoe sind noch nicht definitiv geklärt. Zwar begünstigen Übergewicht, abends genossener Alkohol, Rauchen, unregelmäßige Schlafenszeiten (zum Beispiel bei Schichtarbeitern) und männliches Geschlecht die nächtlichen Atemaussetzer. Grüger: „2 Prozent der 30- bis 60-jährigen Frauen und 4 Prozent der 30- bis 60-jährigen Männer sind betroffen.“ Doch diskutieren Wissenschaftler auch erbliche Faktoren.
Engpass Schlaflabor
In Schlaflaboren wird das Schlafverhalten analysiert. Das Problem: Die Patienten müssen meist mehrere Monate warten, bis sie dort untersucht werden können. Das konnte Grüger nur bestätigen und schilderte die Situation in seinem Hause: „Wir können rund 1000 Patienten pro Jahr im Schlaflabor analysieren. 3000 potenziell Betroffene stehen bei uns derzeit auf der Warteliste.“ Im bundesweiten Durchschnitt warten die Patienten rund sechs bis neun Monate. So kommt es, dass „von den 1.600.000 behandlungsbedürftigen Apnoikern in Deutschland nur etwa 300.000 mit der CPAP-Maske versorgt sind“.
Denn wer seine nächtlichen Atemaussetzer mit Abnehmen, Alkohol- und Nikotinverzicht nicht in den Griff bekommt, der benötigt nachts eine Atemhilfe, mit der Überdruckbeatmung beziehungsweise die so genannte nCPAP-Therapie (kontinuierliche Überdruckbeatmung durch die Nase, engl.: nasal continuous positive airway pressure) möglich ist. Dabei erhält der Patient über eine Nasenmaske Luft in die Atemwege, ein geringer Überdruck wird aufgebaut. Dieser Überdruck hält den Rachen offen, so dass keine Apnoen auftreten können und das Schnarchen unterbleibt. Akzeptieren die Patienten das Gerät mit Schlauch in der Nase? „Endlich wieder durchschlafen zu können und morgens erholt aufzuwachen, lässt die Betroffenen das Gerät akzeptieren“, berichtete Grüger über seine Erfahrung.
Risiko-Screening in der Apotheke Schlaflabore sind monatelang im Voraus ausgebucht. Patienten sollten deshalb gut voruntersucht und erst danach gegebenenfalls in ein Schlaflabor überwiesen werden. Hinzu kommt: Die wenigsten Betroffenen sind diagnostiziert und in richtiger Behandlung – eine Chance für Apotheker, bislang unerkannte Patienten durch ein Screening zu identifizieren. Dabei hilft das Screeninggerät microMesam®, welches einfach über Nacht das Risiko schlafbezogener Atmungsstörungen sicher feststellt oder ausschließt. „Das Gerät zeichnet sich durch seine extrem hohe Sensitivität aus. Das heißt, es findet definitiv alle Apnoiker“, informierte Stefan Heß von der Herstellerfirma MAP Medizin-Technologie.
Das Gerät im Handyformat ist einfach zu bedienen. Der Apotheker erklärt dem Kunden seine Handhabung und stellt ihm das Gerät über Nacht zur Verfügung. Zuhause legt der Kunde das Gerät vor dem Zubettgehen an. Dann arbeitet das microMesam für ihn. Alle relevanten Daten über seine Atmung werden mittels eines speziellen Atemmessschlauchs aufgezeichnet. Am nächsten Tag bringt der Kunde das Gerät wieder in die Offizin, wo der Apotheker das Gerät an einen PC anschließt. Die Daten über die Atmung des Patienten werden vollautomatisch ausgelesen, analysiert, die Ergebnisse interpretiert und auf einem einseitigen Ergebnisreport ausgedruckt. Die automatische Analyse beruht auf validierten wissenschaftlichen Methoden der Schlafmedizin. Heß: „MicroMesam zeigt, wie viele und welche respiratorischen Ereignisse wie Apnoen, Hypopnoen, Flusslimitationen oder Schnarchen in der Nacht aufgetreten sind und ermittelt aus diesen Daten einen Risikoindikator.“ Bestätigen die Resultate den Verdacht auf eine schlafbezogene Atmungsstörung, ist der Gang zum Spezialisten angezeigt. Der Besuch des Schlaflabors ist also erst nach Bestätigung des Verdachts notwendig. Heß hofft, dass das zu einer Entlastung der häufig überfüllten Schlaflabore führen könnte.
Das Netzwerk Patientenkompetenz hat ein Pilot-Programm mit 25 Apotheken gestartet, um praktische Erfahrungen mit dem Screeninggerät zu sammeln. Gibt es technische Probleme? Stößt das Screening auf Interesse bei den Apothekenkunden? Wie beratungsintensiv ist das Thema Schlafapnoe? Gibt es Zwistigkeiten mit umliegenden Ärzten? Schließlich ist das Screeninggerät bereits seit längerem bei der Ärzteschaft im Einsatz. Nach Ablauf dieses Testlaufs werden die Erfahrungen in den Test-Apotheken diskutiert, um dann über die endgültige Implementierung des Schlafapnoe-Screenings ins Adexa-Netzwerk Patientenkompetenz zu entscheiden.
Wer sich für das Netzwerk Patientenkompetenz im Allgemeinen und das Schlafapnoe-Screening im Besonderen interessiert, wendet sich an:
Adexa-Netzwerk Patientenkompetenz
Barbara Neusetzer
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