Betreuungsmodell in Baden-Württemberg getestet |
22.10.2001 00:00 Uhr |
Als Beitrag zu einer integrierten Diabetikerversorgung startete im Sommer 1997 eine einjährige Studie zur Pharmazeutischen Betreuung von Typ-2-Diabetikern in öffentlichen Apotheken. In dem Gemeinschaftsprojekt der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg und der Humboldt-Universität Berlin teste man ein Betreuungsmodell für Diabetiker und analysierte die Einflussmöglichkeiten einer intensiven Betreuung, bezogen auf den Krankheitsverlauf, die Stoffwechselsituation und die Lebensqualität der Patienten.
Die gesundheitspolitische Bedeutung des Diabetes mellitus hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an der Stoffwechselerkrankung. Therapie- und Folgekosten belasten zunehmend das Gesundheitswesen (1).
Diabetesassoziierte Comorbiditäten und Folgeerkrankungen verursachen nicht nur enorme Kosten, sondern beeinträchtigen auch die psychische Verfassung und Lebensqualität der Patienten (2). Hinzu kommen die verkürzte Lebenserwartung und die hohe Sterblichkeit bei Typ-2-Diabetikern infolge kardiovaskulärer Erkrankungen sowie die Auswirkungen des metabolischen Syndroms (3). Erfahrungsgemäß kann man davon ausgehen, dass bei Typ-2-Diabetikern, die im Alter zwischen 40 und 60 Jahren erkranken, die Lebenserwartung durchschnittlich um ein Drittel sinkt. Im Vergleich zu Stoffwechselgesunden steigt das Mortalitätsrisiko auf das Doppelte an (3-7).
Während die Manifestation eines Typ-1-Diabetes von starken klinischen Symptomen geprägt ist, entwickelt sich der Typ-2-Diabetes oft schleichend und wird von den Betroffenen zunächst psychisch verdrängt (8). Neben einem mangelnden Problembewusstsein sind viele Patienten über das Ausmaß der Erkrankung nur unzureichend informiert (9, 10). Schulungsangebote, die den Patienten mehr Therapiesicherheit, mehr Schutz vor Spätkomplikationen und mehr Freiheit im persönlichen Lebensraum geben könnten, kommen nicht allen Patienten zu gute (11-13). Besonders ältere Typ-2-Diabetiker haben Wissensdefizite, so dass sie ihre Lebensgewohnheiten den Erfordernissen der Therapie nur unzureichend oder gar nicht anpassen können (13-16).
Übergewicht steht am Anfang
Neben der genetischen Disposition, die für den Typ-2-Diabetes in der ersten Generation mit einem Vererbungsrisiko von 40 Prozent beschrieben wird (17), beeinflussen Faktoren wie Übergewicht, falsche Ernährung sowie mangelnde körperliche Aktivität und letztlich auch das Alter nachhaltig die Entwicklung und Manifestation eines Diabetes mellitus (18, 19).
Häufig entwickeln Patienten zunächst zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr das klinische Bild des metabolischen Syndroms, mit androidem Übergewicht, essenzieller Hypertonie, Hypertriglyceridämie und erhöhtem Gesamtcholesterol (20, 21). Diese Kombination von kardiovaskulären Risikofaktoren erklärt unter anderem auch die hohe Inzidenz der koronaren Herzkrankheit bei Patienten im mittleren Lebensalter. Sie manifestiert sich bei etwa 40 Prozent der Typ-2-Diabetiker vor dem eigentlichen Krankheitsbeginn (22).
Im weiteren Verlauf kann das Übergewicht an sich schon in geringem Ausmaß als eigenständiger Faktor die determinierte Insulinresistenz beschleunigen. Das Stadium der Dekompensation tritt um so eher ein, je übergewichtiger ein Patient ist, da die Adipositas eine zusätzliche Hypersekretion von Insulin erfordert und eine genetisch determinierte Insulinresistenz potenzieren kann (20).
Zwischen der Ausbildung des metabolischen Syndroms und der Manifestation eines Typ-2-Diabetes liegen durchschnittlich sechs bis sieben Jahre, in denen die Krankheit nicht erkannt und behandelt wird (21). Daraus ergeben sich verschiedene Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen, die eine langfristige Begleitung der Patienten erfordern.
Ansatzpunkte für die Pharmazeutische Betreuung
Angesichts der Tatsache, dass der durchschnittliche Diabetiker die öffentliche Apotheke drei- bis achtmal häufiger frequentiert als andere Patienten, könnte die Gruppe von einer intensiven Betreuung der Apotheke enorm profitieren (23). Pharmazeutischen Betreuung, die gerade auf langfristige und kontinuierliche Versorgung setzt, kann dazu beitragen, das Bewusstsein und die Eigenverantwortung der Patienten zu fördern. Sie unterstützt damit ärztliche Maßnahmen und hilft kostenintensive oder lebensverkürzenden Folgeerkrankungen vorzubeugen.
Auch das zusätzliche Angebot regelmäßiger Blutzuckermessungen kann einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung und rechtzeitigen Behandlung leisten (24). Darüber hinaus sind Apotheker qualifiziert, sowohl dem Arzt als auch dem Patienten bei der langfristigen Behandlung von Diabetes und Folgeerkrankungen wichtige Hilfestellungen zu geben.
Durch eine kontinuierliche Begleitung und Dokumentation der Blutzucker- und Blutdruckwerte sowie der gesamten Medikation können dem Arzt zusätzliche Informationen über die Patienten zur Verfügung gestellt werden, um die Therapie sicherer und effizienter zu gestalten. Der Patient erhält einen weiteren kompetenten Ansprechpartner, der ihn bei der Umsetzung der ärztlichen Anordnungen unterstützt und bei Problemen mit der Arzneimitteltherapie entsprechend berät.
Ziele der Studie
Vor dem Hintergrund, dass Apotheker in Zukunft möglicherweise stärker in die Diabetikerversorgung eingebunden werden, sollte im Rahmen der Studie analysiert werden, welchen Beitrag sie zu einer erfolgreichen und effizienten Pharmakotherapie im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung leisten können.
Das intensive Betreuungsangebot sollte helfen, Patienten aktiver in ihre Behandlung einzubeziehen, indem die Notwendigkeit und der Nutzen der Arzneimitteltherapie verdeutlicht und therapieunterstützende Maßnahmen vermittelt werden. Ziel sollte es sein, die Zufriedenheit und Lebensqualität der Patienten zu steigern sowie Folgeschäden und Komplikationen durch eine verbesserte Stoffwechseleinstellung zu vermeiden.
Die Studie lief über einen Zeitraum von 17 Monaten in öffentlichen Apotheken. Die ersten fünf Monate (Februar bis Juni 1997) dienten der Vorbereitung. Während dieser Phase wurden sowohl Apotheker als auch Patienten rekrutiert und die Apotheker geschult (32-34). Die eigentliche Studie begann am 1. Juli 1997 lief bis zum 1. Juli 1998.
Die Untersuchung hatte ein prospektives, quasi-experimentelles Studiendesign mit multizentrischem Ansatz, wobei ausgewählte Merkmale der Population in einem Prä-Post-Vergleich untersucht wurden. Der zunächst für die Erhebung vorgesehene Fall-Kontroll-Ansatz konnte in der öffentlichen Apotheke nicht umgesetzt werden, da die Unterscheidung in eine Fall- und in eine Kontrollgruppe innerhalb der ambulanten Arzneimittelversorgung generell problematisch ist.
Zum einen ist eine Randomisierung unter Praxisbedingungen in der öffentlichen Apotheke kaum möglich. Zum anderen kann ein Apotheker schon aus ethischen Gründen nicht zwischen einer Fall- und Kontrollgruppe entscheiden. Daher wurden alle Studienpatienten pharmazeutisch betreut.
Zunächst wurden 36 Apotheken über zwei von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg initiierte Informationsveranstaltungen im Raum Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn und Reutlingen zur Teilnahme gewonnen.
Die Apotheken mussten folgende Voraussetzungen erfüllen:
Die zuständigen Bezirksärztekammern in Nord- und Süd-Württemberg sowie Nordbaden wurden von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg über Ziele und Inhalte der Studie informiert. Zudem erfolgte die Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Ärzten von Seiten der Studienapotheker. Ein vorbereiteter Informationsbrief sowie ein kurzer Fragebogen, in dem der Arzt Stellung zum Leistungsangebot der Apotheke beziehen konnte, diente als initiale Kommunikationsgrundlage zwischen Arzt und Apotheker.
Am 1. April 1997 begann man, Patienten anzusprechen und zu rekrutieren. Des weiteren wurden Patienten auf Grund einer vorliegenden Rezeptverordnung über perorale Antidiabetika oder Insulin angesprochen. Als Informationsmaterial dienten dabei Handzettel und Plakate. Etwa 15 Patienten sollten pro Apotheke rekrutiert werden. Die Einnahme von mindestens einem peroralen Antidiabetikum, auch in Kombination mit Insulin, wurde als Einschlusskriterium für die Teilnahme an der Studie festgelegt. Nach Möglichkeit sollte das Alter der Teilnehmer zwischen 55 und 75 Jahren liegen. Sie sollten zu Hause leben sowie mental nicht eingeschränkt sein.
Zu Studienbeginn konnten zunächst 298 Patienten in das Projekt eingeschlossen werden, das durch zwei Erhebungsphasen charakterisiert war. Zunächst erhielten die teilnehmenden Patienten einen Fragebogen, der sowohl zu Beginn als auch zum Ende der Studie von den Teilnehmern selbständig ausgefüllt und in anonymisierter Form in einem Umschlag an die Studienleitung geschickt wurde. Beiden Fragebögen war ein entsprechendes Begleitschreiben hinzugefügt worden, in dem die Patienten auf den wissenschaftlichen Charakter der Studie hingewiesen wurden. Dem ersten Fragebogen wurde außerdem aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Einverständniserklärung beigefügt, in der sich die Patienten auch mit einer Kontaktaufnahme ihres behandelnden Arztes einverstanden erklärten, falls im Rahmen der Studie arzneimittelbezogene Probleme auftreten sollten.
Über den gesamten Studienzeitraum dokumentierten die Apotheker anhand von Betreuungsprotokollen die Medikation und den Betreuungsverlauf für jeden Studienteilnehmer. Die Gespräche mit den Patienten fanden in regelmäßigen Abständen in der Apotheke statt und wurden in den meisten Fällen nach Vereinbarung durchgeführt. Außerdem dokumentierten 25 Apotheker das Betreuungsprotokoll mit Hilfe einer speziell für die Studie entwickelten Software.
Zu Studienbeginn erhielt jede Apotheke ein Blutzuckermessgerät der Firma
Hestia, um während der intensiven Betreuung regelmäßige
Blutzuckermessungen bei den Studienpatienten durchführen zu können. Im
Rahmen der Schulungsmaßnahmen wurde jeder Studienapotheker mit der
Handhabung des Gerätes vertraut gemacht. Tabelle 1 demonstriert den
gesamten inhaltlichen und zeitlichen Ablauf der Fortbildungsmaßnahmen.
Während des gesamten Studienverlaufs konnten die teilnehmenden Apotheker
die Studienleitung über eine telefonische Hotline erreichen. Außerdem
wurden sie während der Studie zweimal vor Ort besucht und konnten an
einem Erfahrungsaustausch teilnehmen, der in Form von zwei Veranstaltungen
von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg organisiert wurde.
Tabelle 1: Intensives Schulungsprogramm zum Thema "Diabetes mellitus"
Modul
Thema
Zeitaufwand (Stunden)
A
Physiologie/Pathophysiologie
Physiologie/Intermediärstoffwechsel
4
Pharmakotherapie
4
Klinik des Diabetes mellitus
3
B
Diagnostik in Theorie und Praxis
Übersicht: Blutzuckermessgeräte, Insulin-Pens, Stechhilfen
4
Diagnostische Maßnahmen und Methoden
2
Blutzuckerbestimmung in der Apotheke
2
C
Kommunikation und Lebensführung bei manifestem Diabetes
Dokumentation von Studiendaten und Softwareeinführung
2
Kommunikation Patient/Arzt/Apotheker
8
Ernährung und allgemeine Lebensführung, Medikation auf Reisen, Arzneimittel-Interaktionen
7
D
Einführung in die Pharmazeutische Betreuung
Arbeitsschritte und Tätigkeiten
2
Erkennen und lösen von arzneimittelbezogenen Problemen
2
Fallbeispiele
2
gesamt
42
Dokumentation und Umsetzung
Die Entwicklung des Betreuungsprotokolls orientierte sich stark an den inhaltlichen Kernpunkten und den Arbeitsschritten des Pharmaceutical-Care-Konzepts nach Hepler (25). Die Definition und Vorgabe einheitlicher Arbeitsschritte anhand der Dokumentationsgrundlage sollte ein kontinuierliches Monitoring der Patienten ermöglichen und die geleisteten Interventionen der Studienapotheken bezüglich Inhalt und Stärke darstellen. Der Aufbau der Betreuungsprotokolle sah die regelmäßige Erfassung folgender Informationen und Daten vor (siehe Kasten).
Dokumentation im Betreuungsprotokoll
Nach Erfassung der gesamten Medikation mit Hilfe der Medikationshistorie und den entsprechenden Dosierungen der Arzneimittel sollten Medikationsprofile erstellt werden, um das Monitoring und die Bewertung der Arzneimitteltherapie zu unterstützen. Studienbegleitend wurde vom EDV-Unternehmen Promedisoft ein Programm zur Erfassung der Medikationsdaten und zusätzlicher Informationen während des Betreuungsprozesses entwickelt und den Studienapothekern auf Wunsch zur Verfügung gestellt. Das System wurde in 25 Apotheken installiert. Neben einer ausführlichen Anwendungsbeschreibung wurden die Teilnehmer durch eine Software-Hotline unterstützt. Das Programm wurde regelmäßig aktualisiert.
Auswertbare Datensätze
Komplette Datensätze, die in die Auswertung einbezogen werden konnten, lagen von 26 Apotheken vor, obwohl 30 Apotheken angegeben hatten, an der Studie teilnehmen zu wollen. Davon waren nach Prüfung der Vollständigkeit 166 Fragebögen für den Prä-Post-Vergleich und 178 Betreuungsprotokolle zu verwenden. Bei 149 Patienten lagen sowohl beide Fragebögen als auch die dazugehörigen Betreuungsprotokolle am Ende der Studie vor und wurden somit in die Auswertung einbezogen (Tabelle 2).
Tabelle 2: Anzahl der auswertbaren Datensätze
Erhebungsinstrumente
Studienbeginn (t0)
Studienende (t1)
Drop-outs
ausgeschlossene Datensätze
auswertbare Datensätze
Fragebögen
298
174
124
8
166
Betreuungsprotokolle
194
191
3
8
178
Fragebögen und Betreuungsprotokolle
178
178
0
29
149
Damit betreute im Schnitt jede Apotheke etwa sechs Patienten über den Studienzeitraum von zwölf Monaten. Nur zwei Apotheken erreichten die Zielvorgabe und betreuten 15 Patienten.
Zu Studienbeginn nahmen 69 Prozent der Apotheken das Softwareangebot an, jedoch nutzten es nur 36 Prozent bis zum Ende. Als Grund für den vorzeitigen Abbruch wurde der enorme Zeitaufwand für die Dateneingabe genannt, da der Rechner nicht an das Betriebssystem der apothekeneigenen EDV-Anlage angeschlossen werden konnte.
Gründe für Drop-outs
Das Ausscheiden von sechs Apotheken mit insgesamt 28 Patienten im Verlauf der Studie beruhte hauptsächlich auf Zeit- und Personalmangel, wobei kein Zusammenhang zwischen den Drop-outs und der Lage der Apotheke zu beobachten war. Die Gründe für Drop-outs von Seiten der Patienten hatten verschiedene Ursachen. 58 Patienten hatten schon nach kurzer Zeit kein Interesse mehr, an der Studie teilzunehmen, sechs Patienten wurden von ihrem behandelnden Arzt von der Teilnahme abgehalten und elf Patienten kamen ohne Angaben von Gründen nicht wieder in die Apotheke zurück. Bei 18 Patienten traten im Verlauf der Studie weitere gesundheitliche Probleme oder private Belastungen auf, die zu einem Abbruch der Studie führten. Drei Patienten starben während der Studiendauer an einem Herzinfarkt.
Die Studienpatienten
Das Durchschnittsalter der Studienpatienten lag bei 63,7 Jahren (Tabelle 3). Die Altersstruktur wies Normalverteilung auf und lag innerhalb einer Spanne von 40 bis 84 Jahren. Insgesamt lagen 26 Patienten auf Grund ihres Alters außerhalb des im Studiendesign vorgesehenen Einschlusskriteriums von 55 und 75 Jahren. Das Interesse an einer Studienteilnahme war jedoch sowohl bei den 21 Patienten unter der Altersgrenze, als auch bei den fünf über der Altersgrenze so groß, dass sie in die Auswertung mit einbezogen wurden.
Tabelle 3: Basisangaben zu den Studienpatienten (n=149)
Variablen
weiblich
männlich
gesamt
Geschlecht
88 (59,0%)
61 (41,0%)
149 (100%)
Alter (Jahre)*
64,4 (± 8,2)
62,7 (± 8,0)
63,7 (± 8,2)
Familiäre Vorbelastung
48 (54,5%)
24 (39,3%)
72 (48,3%)
Krankheitsdauer (Jahre)*
9,3 (± 7,3)
9,6 (± 8,1)
9,4 (± 7,6)
Body Mass Index (t0) (kg/m2)*
28,6 (± 4,7)
27,7 (± 3,6)
28,4 (± 4,3)
Schulbildung in Jahren*
8,5 (± 1,2)
9,1 (± 1,8)
8,7 (± 1,5)
Anzahl insulinpflichtiger Patienten (t0)
35 (39,8%)
16 (26,2%)
51 (34,2%)
Anzahl insulinpflichtiger Patienten (t1)
52 (59,1%)
20 (32,7%)
72 (48,3%)
Anzahl Patienten mit Krankenhausaufenthalt vor der Studie
13 (14,7%)
15 (24,5%)
28 (18,8%)
Anzahl Patienten mit Krankenhausaufenthalt während der Studie
20 (22,7%)
19 (31,1%)
39 (26,2%)
Anzahl Patienten mit Behandlung diabetesbedingter Spätfolgen
54 (61,4%)
36 (59,0%)
90 (60,4%)
*) Mittelwert
Von den 149 in die Auswertung einbezogenen Studienpatienten waren 88 (59,0 Prozent) weiblich und 61 (41,0 Prozent) männlich. Bereits in der Vergangenheit wiesen apothekenbasierte Untersuchungen eine zahlenmäßige Dominanz der Frauen nach (27, 28, 29), die sich mit einer allgemein höheren Frequenz von Apothekenbesuchen erklären lässt. Möglicherweise besteht aber auch ein Zusammenhang mit einer höheren Diabetes-Prävalenz bei Frauen in der Altersgruppe über 60 Jahren. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass die Diabeteshäufigkeit bei Frauen ab 60 Jahren signifikant steigt (30-32).
Geht man davon aus, dass die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Angehörigen ersten Grades von Typ-2-Diabetikern bei etwa 40 Prozent liegt (17), so ist der Anteil der Studienpatienten, die familiär vorbelastet sind, mit 48,3 Prozent durchaus repräsentativ. Auffallend war in diesem Zusammenhang auch der wesentlich höhere Anteil der Frauen, die eine familiäre Vorbelastung aufwiesen. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer lag zu Studienbeginn bereits bei 9,4 Jahren.
Die Schulbildung der Studienpatienten, ausgedrückt in absolvierten Schuljahren, ordnet sich mit durchschnittlich 8,7 Jahren eher in den unteren bis mittleren Bereich ein, wenn man beispielsweise die durchschnittliche Schulzeit der "Volksschule" von acht Jahren zugrunde legt. Bezogen auf die Altersgruppe der Studienpatienten war der Besuch der Volksschule eine für diese Generation übliche und allgemeine Schulbildung.
Etwa ein Drittel der Typ-2-Diabetiker war zu Studienbeginn (t0) bereits auf Insulin eingestellt. Auffallend war in diesem Zusammenhang der etwa doppelt so hohe Anteil von Frauen. Während der Studie stieg die Zahl der mit Insulin behandelten Patienten auf 72. Die meisten erhielten eine konventionelle Insulintherapie, nur sechs Patienten eine intensivierte.
Der chronische Verlauf der Erkrankung Diabetes spiegelte sich auch in der während der Studie zunehmenden Anzahl von Krankenhausaufenthalten wider. Während zu Studienbeginn insgesamt 28 Patienten angaben, in den vergangenen zwölf Monate einen Krankenhausaufenthalt gehabt zu haben, erhöhte sich der Anteil der Patienten während der Studie auf 39. Allein fünf Patienten wurden stationär auf Insulin umgestellt, bei vier Patienten wurde der Blutzucker neu eingestellt, ein Patient wurde in ein Schulungsprogramm einbezogen und bei zwei Patienten wurde eine Amputation an den Fußzehen vorgenommen. Ebenso stieg die Zahl der Patienten, die wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen stationär behandelt werden mussten.
Die Beschreibung diabetesbedingter Folgeerkrankungen zu Studienbeginn beruht auf Patientenangaben. Von 149 Probanden gaben 59 an, außer dem Diabetes keine weiteren Beschwerden zu haben. Dagegen berichteten 90 Personen von diabetesbedingten Folgeerkrankungen.
Insgesamt wurden 148 Folgeschäden festgestellt. Demnach bezogen sich 51 Nennungen auf die medikamentöse Behandlung einer Hypertonie, zwölf auf arteriosklerotische Veränderungen und 18 auf erhöhte Cholesterolwerte.
Damit stellt sich die untersuchte Patientengruppe in ihrer Gesamtbetrachtung als eine sehr heterogene Stichprobe dar. Auf Grund ihrer unterschiedlichen Behandlungsformen (insulinpflichtig und nicht insulinpflichtig) sowie der Behandlung verschiedener Folgeerkrankungen ergaben sich für die Umsetzung des Konzeptes der Pharmazeutischen Betreuung unterschiedliche Herausforderungen. Auch die zunehmende Anzahl an stationären Eingriffen während des Beobachtungszeitraums reflektiert den komplexen Krankheitsverlauf.
Literatur
Für die Verfasser:
Professor Dr. Marion Schaefer
Institut für Pharmazie der Humboldt-Universität
Goethestraße 54
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