Pharmazeutische Zeitung online

Pharmazeutische Betreuung: Tips und Erfahrungen

21.10.1996  00:00 Uhr

-Pharmazie

  Govi-Verlag

Pharmazeutische Betreuung: Tips und Erfahrungen
Serie Pharmaceutical Care

  Das Konzept der Pharmazeutischen Betreuung und seine Umsetzung in die tägliche Apothekenpraxis werden seit einigen Jahren zum Teil kontrovers diskutiert. Erfreulicherweise gibt es immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die in ersten Projekten und Einzelinitiativen Erfahrungen in ihren Apotheken sammeln.

Die hier skizzierten Erfahrungen einer Apotheke in Dortmund-Dorstfeld sind individuell geprägt und beschreiben nicht den vollständigen, theoretischen Ablauf der Pharmazeutischen Betreuung. Vielmehr wird deutlich, daß es vor allem zu Beginn notwendig ist, sich auf Teilaspekte zu konzentrieren und sich erreichbare Ziel zu stecken.

Die Kundschaft dieser Apotheke besteht überwiegend aus Stammkunden. Für die persönliche Beratung abseits vom Offizinbetrieb steht eine provisorisch eingerichtete Beratungsecke zu Verfügung. Im Frühjahr 1995 bot die Apothekeninhaberin erstmals ein Seminar für Asthmapatienten an. Sie motivierte die Anwesenden, Fragen zu ihrer Asthmatherapie zu stellen. Bei zwei Patienten mit arzneimittelbezogenen Problemen ergab sich die Frage, ob das Konzept der Pharmazeutischen Betreuung geeignet sei, Lösungen zu finden.

Das benötigte Schulungsmaterial für die betreuenden Apotheker umfaßte Hintergrundinformationen zum Konzept der Pharmazeutischen Betreuung, eine Wissensvertiefung auf dem Gebiet der Asthmatherapie und die Vermittlung von Kenntnissen aus den Bereichen Kommunikation, Dokumentation und Handhabung von Inhalationshilfen und Peak-flow-Meter.

Die Patienten benötigten Asthmatagebücher, Fragebögen zur Lebensqualität, Peak-flow-Meter sowie Inhalationshilfen zu Demonstrationszwecken. Die Dokumentation sollte mit Hilfe des speziell dafür konzipierten Berichtsbogens zur Unterstützung der Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker und des Patienten-Dokumentationsbogens erfolgen.

Primäres Ziel war es, die arzneimittelbezogenen Schwierigkeiten der beiden Problempatienten zu identifizieren und im Sinne der Pharmazeutischen Betreuung zu lösen. Im Juli und August 1995 fanden die ersten Gespräche und eine Basisbestimmung der Lebensqualität statt. Anschließend sollten die Patienten nach Bedarf betreut werden, mindestens jedoch beim jedem Einlösen eines Rezeptes mit Asthmamedikation.

Die Betreuung beinhaltete Erläuterungen zur korrekten Handhabung der Antiasthmatika, der Inhalationshilfen und des Peak-flow-Meters sowie zur medikamentösen Therapie. Die Patienten sollten zunächst unter Anleitung des Apothekers oder Arztes und dann selbständig zweimal täglich ihre Peak-flow-Werte messen und in ein Asthmatagebuch eintragen. In anschließenden Gesprächen konnten weitere, erst im Verlauf der Therapie auftretende Fragen geklärt werden.

Resultat: Inzwischen kennt die Problemasthmatikerin Paula S. ihre Arzneimittel und wendet sie regelmäßig und korrekt an. Sie hat gelernt, den Verlauf ihrer Erkrankung besser einzuschätzen. Ihre Lebensqualität ist subjektiv gebessert, was sich möglicherweise zum Teil auf die korrekte Handhabung ihrer Medikamente zurückführen läßt. Sie führt regelmäßig ihr Asthmatagebuch, auch in beschwerdefreien Intervallen. Sie fühlt sich kompetent, mit dem Arzt über ihre Behandlung zu sprechen, und sie weiß, was zu tun ist, wenn die Peak-flow-Werte abfallen: rechtzeitige Dosiserhöhung, Arztbesuch.

Im Winter 1995 stellte die Apothekenleiterin weiteren Asthmapatienten das Angebot einer umfassenden Therapiebegleitung vor, bis Januar 1996 nahm sie die Stammdaten von neun neuen Patienten auf und führte mit ihnen erste Gespräche. Nicht jeder Patient beschrieb auf Anhieb Probleme mit Arzneimitteln. Zu den Aufgaben des Apothekers zählt es, mögliche Schwierigkeiten durch gezielte (möglichst offene) Fragen aufzudecken; zum Beispiel: Wie oft nehmen Sie Ihr Asthmamittel ein? Welches Medikament nehmen Sie im Bedarfsfall bei Atemnot? Zeigen Sie mir doch bitte, wie Sie Ihr Inhalationsmittel/Peak-flow-Meter anwenden, et cetera.

Außerdem wird deutlich, wie wichtig es ist, auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten einzugehen. Vor allem jüngere Patienten scheinen eine weniger umfangreiche, seltenere Betreuung zu bevorzugen. Im Verlauf des Projektes wurden Dokumentationshilfen entworfen, die in den kommenden Monaten weiterentwickelt werden sollen: so der Patienten-Dokumentationsbogen (zum Verbleib in der Apotheke) mit der schriftlichen Einwilligung des Patienten zur Dokumentation der Pharmazeutischen Betreuung, der Patienten-Stammdaten und einer Kurzdokumentation der Beratungsgespräche; weiterhin eine Checkliste als Hilfe für den Apotheker bei der Beurteilung, ob der Patient seine Antiasthmatika, Inhalationshilfen und das Peak-flow-Meter korrekt anwenden kann. Darüber hinaus baten die Patienten im Verlauf der Betreuung wiederholt um einen Handzettel, der die wesentlichen Schritte bei der Handhabung von Dosieraerosolen beinhaltet.

In den kommenden Monaten soll in der Dortmunder Apotheke verstärkt nach neuen Wegen gesucht werden, die Ärzte bereits zu Beginn in den Prozeß der Pharmazeutischen Betreuung einzubeziehen und die Kommunikation zwischen Arzt, Apotheker und Patient zu verbessern. In einem weiteren Schritt wird möglicherweise die Bestimmung der Lebensqualität in der Apotheke näher untersucht werden. Die derzeitige Zufriedenheit und das gestiegene Wohlbefinden der betreuten Patienten wird als Bestätigung gewertet, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen.

Für die Umsetzung gibt es Leitfäden mit Anregungen, wie die Pharmazeutische Betreuung in den Apothekenalltag integriert werden kann. Es handelt sich dabei um Entwürfe, die den Weg von der Entscheidungsfindung des Apothekers - für oder gegen die Pharmazeutische Betreuung - über die Durchführung bis hin zur Dokumentation widerspiegeln. Es werden mögliche Abläufe beschrieben, die aber häufig nicht in ihrer Gesamtheit befolgt werden können.

In den meisten Apothekerkammern ist seit März dieses Jahres ein Beauftragter für Pharmazeutische Betreuung benannt, der aktuelle Informationen weitergeben kann. Auf Fortbildungsveranstaltungen, deren Termine den Kammerbeauftragten bekannt sind, können alle Kollegen ihr Wissen auf diesem Gebiet vertiefen. Eine Bibliographie deutschsprachiger Publikationen zur Pharmazeutischen Betreuung wurde den Landesapothekerkammern ebenfalls zur Verfügung gestellt.

PZ-Artikel von Mechthild Hagedorn, Martin Schulz , Eschborn, und Brigitte Bankamp, Dortmund    

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