Pharmazie
Pharmazeutische Betreuung: Tips
und Erfahrungen
Serie Pharmaceutical Care
Das Konzept der Pharmazeutischen
Betreuung und seine Umsetzung in die tägliche
Apothekenpraxis werden seit einigen Jahren zum Teil
kontrovers diskutiert. Erfreulicherweise gibt es immer
mehr Kolleginnen und Kollegen, die in ersten Projekten
und Einzelinitiativen Erfahrungen in ihren Apotheken
sammeln.
Die hier skizzierten Erfahrungen einer Apotheke
in Dortmund-Dorstfeld sind individuell geprägt und
beschreiben nicht den vollständigen, theoretischen
Ablauf der Pharmazeutischen Betreuung. Vielmehr wird
deutlich, daß es vor allem zu Beginn notwendig ist, sich
auf Teilaspekte zu konzentrieren und sich erreichbare
Ziel zu stecken.
Die Kundschaft dieser Apotheke besteht überwiegend aus
Stammkunden. Für die persönliche Beratung abseits vom
Offizinbetrieb steht eine provisorisch eingerichtete
Beratungsecke zu Verfügung. Im Frühjahr 1995 bot die
Apothekeninhaberin erstmals ein Seminar für
Asthmapatienten an. Sie motivierte die Anwesenden, Fragen
zu ihrer Asthmatherapie zu stellen. Bei zwei Patienten
mit arzneimittelbezogenen Problemen ergab sich die Frage,
ob das Konzept der Pharmazeutischen Betreuung geeignet
sei, Lösungen zu finden.
Das benötigte Schulungsmaterial für die betreuenden
Apotheker umfaßte Hintergrundinformationen zum Konzept
der Pharmazeutischen Betreuung, eine Wissensvertiefung
auf dem Gebiet der Asthmatherapie und die Vermittlung von
Kenntnissen aus den Bereichen Kommunikation,
Dokumentation und Handhabung von Inhalationshilfen und
Peak-flow-Meter.
Die Patienten benötigten Asthmatagebücher, Fragebögen
zur Lebensqualität, Peak-flow-Meter sowie
Inhalationshilfen zu Demonstrationszwecken. Die
Dokumentation sollte mit Hilfe des speziell dafür
konzipierten Berichtsbogens zur Unterstützung der
Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker und des
Patienten-Dokumentationsbogens erfolgen.
Primäres Ziel war es, die arzneimittelbezogenen
Schwierigkeiten der beiden Problempatienten zu
identifizieren und im Sinne der Pharmazeutischen
Betreuung zu lösen. Im Juli und August 1995 fanden die
ersten Gespräche und eine Basisbestimmung der
Lebensqualität statt. Anschließend sollten die
Patienten nach Bedarf betreut werden, mindestens jedoch
beim jedem Einlösen eines Rezeptes mit Asthmamedikation.
Die Betreuung beinhaltete Erläuterungen zur korrekten
Handhabung der Antiasthmatika, der Inhalationshilfen und
des Peak-flow-Meters sowie zur medikamentösen Therapie.
Die Patienten sollten zunächst unter Anleitung des
Apothekers oder Arztes und dann selbständig zweimal
täglich ihre Peak-flow-Werte messen und in ein
Asthmatagebuch eintragen. In anschließenden Gesprächen
konnten weitere, erst im Verlauf der Therapie auftretende
Fragen geklärt werden.
Resultat: Inzwischen kennt die Problemasthmatikerin Paula
S. ihre Arzneimittel und wendet sie regelmäßig und
korrekt an. Sie hat gelernt, den Verlauf ihrer Erkrankung
besser einzuschätzen. Ihre Lebensqualität ist subjektiv
gebessert, was sich möglicherweise zum Teil auf die
korrekte Handhabung ihrer Medikamente zurückführen
läßt. Sie führt regelmäßig ihr Asthmatagebuch, auch
in beschwerdefreien Intervallen. Sie fühlt sich
kompetent, mit dem Arzt über ihre Behandlung zu
sprechen, und sie weiß, was zu tun ist, wenn die
Peak-flow-Werte abfallen: rechtzeitige Dosiserhöhung,
Arztbesuch.
Im Winter 1995 stellte die Apothekenleiterin weiteren
Asthmapatienten das Angebot einer umfassenden
Therapiebegleitung vor, bis Januar 1996 nahm sie die
Stammdaten von neun neuen Patienten auf und führte mit
ihnen erste Gespräche. Nicht jeder Patient beschrieb auf
Anhieb Probleme mit Arzneimitteln. Zu den Aufgaben des
Apothekers zählt es, mögliche Schwierigkeiten durch
gezielte (möglichst offene) Fragen aufzudecken; zum
Beispiel: Wie oft nehmen Sie Ihr Asthmamittel ein?
Welches Medikament nehmen Sie im Bedarfsfall bei Atemnot?
Zeigen Sie mir doch bitte, wie Sie Ihr
Inhalationsmittel/Peak-flow-Meter anwenden, et cetera.
Außerdem wird deutlich, wie wichtig es ist, auf die
individuellen Bedürfnisse des Patienten einzugehen. Vor
allem jüngere Patienten scheinen eine weniger
umfangreiche, seltenere Betreuung zu bevorzugen. Im
Verlauf des Projektes wurden Dokumentationshilfen
entworfen, die in den kommenden Monaten weiterentwickelt
werden sollen: so der Patienten-Dokumentationsbogen (zum
Verbleib in der Apotheke) mit der schriftlichen
Einwilligung des Patienten zur Dokumentation der
Pharmazeutischen Betreuung, der Patienten-Stammdaten und
einer Kurzdokumentation der Beratungsgespräche;
weiterhin eine Checkliste als Hilfe für den Apotheker
bei der Beurteilung, ob der Patient seine Antiasthmatika,
Inhalationshilfen und das Peak-flow-Meter korrekt
anwenden kann. Darüber hinaus baten die Patienten im
Verlauf der Betreuung wiederholt um einen Handzettel, der
die wesentlichen Schritte bei der Handhabung von
Dosieraerosolen beinhaltet.
In den kommenden Monaten soll in der Dortmunder Apotheke
verstärkt nach neuen Wegen gesucht werden, die Ärzte
bereits zu Beginn in den Prozeß der Pharmazeutischen
Betreuung einzubeziehen und die Kommunikation zwischen
Arzt, Apotheker und Patient zu verbessern. In einem
weiteren Schritt wird möglicherweise die Bestimmung der
Lebensqualität in der Apotheke näher untersucht werden.
Die derzeitige Zufriedenheit und das gestiegene
Wohlbefinden der betreuten Patienten wird als
Bestätigung gewertet, den eingeschlagenen Weg
weiterzuverfolgen.
Für die Umsetzung gibt es Leitfäden mit Anregungen, wie
die Pharmazeutische Betreuung in den Apothekenalltag
integriert werden kann. Es handelt sich dabei um
Entwürfe, die den Weg von der Entscheidungsfindung des
Apothekers - für oder gegen die Pharmazeutische
Betreuung - über die Durchführung bis hin zur
Dokumentation widerspiegeln. Es werden mögliche Abläufe
beschrieben, die aber häufig nicht in ihrer Gesamtheit
befolgt werden können.
In den meisten Apothekerkammern ist seit März dieses
Jahres ein Beauftragter für Pharmazeutische Betreuung
benannt, der aktuelle Informationen weitergeben kann. Auf
Fortbildungsveranstaltungen, deren Termine den
Kammerbeauftragten bekannt sind, können alle Kollegen
ihr Wissen auf diesem Gebiet vertiefen. Eine
Bibliographie deutschsprachiger Publikationen zur
Pharmazeutischen Betreuung wurde den
Landesapothekerkammern ebenfalls zur Verfügung gestellt.
PZ-Artikel von Mechthild Hagedorn, Martin Schulz ,
Eschborn, und Brigitte Bankamp, Dortmund
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