Pharmazie
Fluticason, ein neues
inhalatives Glucocorticoid
Serie Neue Arzneistoffe
Akute und
chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen scheinen
zuzunehmen, obwohl die therapeutischen Ansätze und
Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten sowohl die
Lebensqualität als auch die Langzeitprognose deutlich
verbessert haben. In der Bundesrepublik sind heute etwa 5
bis 6 Millionen Menschen an Asthma bronchiale erkrankt.
Unter dem funktionell beschreibenden Begriff
"obstruktive Atemwegserkrankungen" versteht man
im einzelnen die Krankheitsbilder des Asthma bronchiale,
der akuten und chronisch obstruktiven Bronchitis und des
obstruktiven Lungenemphysems. Wegen der fließenden
Übergänge lassen sich die Übergänge jedoch nicht
immer ausreichend trennen. Die seit Jahren wirksamsten
Medikamente bei allen Formen obstruktiver
Atemwegserkrankungen sind aufgrund ihrer
entzündungshemmende Wirkung die Glucocorticoide und
direkt bronchodilatorisch aktive Substanzen wie ß2-Adrenorezeptoragonisten,
Parasympatholythika oder Theophyllin.
Seit März 1995 ist mit Fluticason-17-propionat ein
neues, inhalatives Glucocorticoid zugelassen. Die
Experten sind sich einig, daß dieser Arzneistoff im
Vergleich zu den bisher verfügbaren inhalierbaren
Glucocorticoiden wesentliche Vorteile aufweist. Im
Vergleich zu anderen Substanzen unterliegt
Fluticason-17-propionat einem fast 100prozentigen
First-pass-Effekt, so daß die orale Bioverfügbarkeit
weniger als 1 Prozent beträgt. Das bedeutet, daß
eventuelles Verschlucken der Substanz bei der Anwendung
nur zu einer minimalen systemischen Verfügbarkeit
führt. Da der größte Teil über die Lunge in den
systemischen Kreislauf gelangt, wird aber auch hier bei
der ersten Leberpassage die Substanz fast vollständig
metabolisiert.
Die Substanz ist kein Prodrug, sondern wird als
17-propionat mit sehr hoher Affinität an den
Glucocorticoid-Rezeptor im Lungengewebe gebunden. Auch
aufgrund der vergleichsweise höheren Lipophilie und
höheren Wirkkonzentrationen im Lungengewebe ist davon
auszugehen, daß dieses potentere neue Corticoid eine
bessere antiinflammatorische Wirkung und insgesamt eine
verbesserte therapeutische Breite aufweist.
Mit der Entwicklung von Fluticason-17-propionat zur
Inhalation wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieser
Arzneimittel weiter verbessert. Es ist daher zu
wünschen, daß die nationalen und internationalen
Empfehlungen zum frühzeitigen Einsatz von
Inhalations-Glucocorticoiden noch schneller als bisher in
die Therapie umgesetzt werden.
PZ-Artikel von Helmut W. Möllmann, Melanie
Wagner, Jürgen Barth, Bochum; Hartmut Derendorf,
Gainsville (USA) und Martin Schulz, Eschborn
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