Oxaceprol stoppt Leukozytenmigration |
24.05.1999 00:00 Uhr |
Bereits seit 20 Jahren setzten Mediziner Oxaceprol, ein acetyliertes Hydroxyprolin, zur Therapie degenerativer Gelenkkrankheiten ein. In experimentellen Untersuchungen zeigte die Substanz pharmakodynamische Effekte, die die Vermutung nahelegen, daß Oxaceprol über einen anderen Mechanismus als die herkömmlichen NSAIDs wirkt. Aktuelle Studienergebnisse deuten nun darauf hin, daß Oxaceprol hauptsächlich über eine Leukozytenhemmung im befallenen Gewebe seine antientzündliche Wirkung entfaltet.
Die Medizin teilt antirheumatisch-wirksame Arzneistoffe in die Gruppe der nichtsteroidalen antientzündlichen Substanzen (NSAIDs) und sogenannte Krankheits-beeinflussende antirheumatische Wirkstoffe (DMARDs) ein. In der ersten Gruppe sind eine Reihe strukturell sehr unterschiedlicher Verbindungen zusammengefaßt, die hauptsächlich analgetisch antientzündlich wirken, jedoch kaum degenerative Prozesse im Gewebe bremsen, die langfristig zu Knorpelverlust und Knochenschäden führen. Die DMARDs dagegen stoppen kaum Entzündungen und Schmerzen, sondern verzögern bei langfristiger Einnahme eher das Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis.
Schon in frühen Screening-Tests entdeckten Wissenschaftler, daß Oxaceprol die Entstehung Carragenan-induzierter Ödeme an Rattenpfoten hemmt. In einer späteren Untersuchung beobachteten Forscher im gleichen Testmodell nach einer Gabe von 50 mg/kg KG eine 50prozentige Hemmung der Ödembildung. Der Effekt ließ sich jedoch durch Dosiserhöhung nicht steigern.
Der Pfötchen-Test mit Carragenan gilt als Standardmodell zur Wirsamkeitsbestimmung der NSAIDs. Diese Arzneistoffgruppe hemmt das Enzym Cyclooxygenase, und damit die Bildung von verschiedenen Prostaglandinen. Prostaglandin (PG) E2 gilt als wichtigste proinflammatorische Substanz, die Schmerz provoziert, gefäßerweiternd wirkt und dafür sorgt, daß vermehrt Plasma ins befallenen Gewebe einströmt.
Oxaceprol jedoch hemmte im Gegensatz zu den NSAIDs in experimentellen Tests an Makrophagen weder PGE2 noch Leukotrienen vom Typ C4. Diese Ergebnis und weitere experimentelle Daten deutet darauf hin, daß der Arzneistoff seine Wirkung weder über eine COX-Hemmung noch über eine Lipoxigenase-Hemmung entfaltet, sondern hauptsächlich die Leukozyten-Infiltration in entzündetes Gewebe bremst.
Bei einer Entzündung stimulieren Zytokine die Bildung von Adhäsionsmolekülen auf der Oberfläche von Leukozyten und Endothelzellen. Bei diesen Adhäsionsmolekülen handelt es sich um Selektine, Adressine und Integrine. Die Adhäsionsmoleküle steuern das Einwandern zirkulierender Leukozyten in das Endothel. Die Interaktion zwischen Selektin und Adressin führt zu einer langsamen Rollbewegung der Leukozyten am Endothel (rolling). Die feste Bindung erfolgt dann jedoch über die Integrine.
In einem In-vitro-Modell untersuchten die Wissenschaftler den Einfluß von Oxaceprol auf die Reaktionskaskade und beobachteten, daß die Substanz die Leukozyten-Adhäsion je nach Dosierung zu 50 bis 100 Prozent hemmte. Dabei soll Oxaceprol seine Wirkung ausschließlich über die Leukozyten, und nicht die Endothelzellen entfaltet haben.
Nach Angaben von Cephasaar, dem Hersteller von Oxaceprol (AHP 200®), konnte der genaue Wirkungsmechanismus aber noch nicht bis ins Detail geklärt werden. Da die Substanz die Leukozytenmigration unterdrücke, würde die Entzündungsreaktion jedoch in einem sehr frühen Stadium gehemmt. Weitere In-vitro-Testreihen sowie Untersuchungen an Tier und Mensch seien noch nötig.
© 1999 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de