Pharmazie
Der
Alkoholismus ist bei mindestens 2,5 Millionen
behandlungsbedürftigen Alkoholikern und einer Prävalenz
von etwa 5 Prozent bei Männern beziehungsweise circa 2
Prozent bei Frauen - die Suchtkrankheit Nummer 1 in
Deutschland. Eine möglichst frühe Diagnose des
pathologischen Trinkverhaltens ist anzustreben, um den
Patienten rechtzeitig in eine qualifizierte medizinische
und psychotherapeutische Behandlung einzubinden.
Acamprosat-Calcium ist
arzneilich wirksamer Bestandteil des Arzneimittels
Campral® der Firma LIPHA Arzneimittel GmbH, Essen. Eine
magensaftresistente Tablette enthält 333mg Acamprosat -
Calcium.
Auf der Basis neuro- und
molekularbiologischer Erkenntnisse zur Pathogenese von
Alkoholismus, Alkoholentzug und -delir haben sich in den
vergangenen Jahren neue pharmakologische Ansatzpunkte
für eine Pharmakotherapie der Alkoholsucht entwickelt.
Jüngste Untersuchungen zeigen einen selektiven
und dosisabhängigen Effekt des Ethanols auf verschiedene
Neurotransmittersysteme, insbesondere das GABA-, dopamin-
und glutamaterge System, wodurch das Trink- und
Suchtverhalten, der Suchtdruck (Craving), der
Alkoholentzug sowie das Delir beeinflußt werden. Des
weiteren wird speziell für das Alkoholdelir auch die
pathogenetische Bedeutung toxischer Eiweißprodukte und
einer Alkalose diskutiert.
Die Abstinenzbehandlung Alkoholabhängiger beschränkt
sich zur Zeit fast ausschließlich auf die überwiegend
stationär durchgeführte Entwöhnungstherapie sowie den
Besuch von Selbsthilfegruppen. Meist ist aber eine
mangelhafte Compliance für das Scheitern eines
anhaltenden therapeutischen Abstinenzerfolges
verantwortlich.
Die Rückfallprophylaxe, das größte Problem in der
Behandlung des Alkoholismus, stützt sich bislang auf
Arzneimittel wie Disulfiram (Antabus®), das bei
gleichzeitigem Alkoholkonsum
Unverträglichkeitsreaktionen auslöst. Die Compliance
der Patienten bei diesem Therapieverfahren ist allerdings
ebenfalls gering. Es gibt nur wenige Studien, in denen
ein langfristiger Erfolg einer Disulfiram-Therapie
nachgewiesen wurde.
Auch der Einsatz von Clomethiazol (Distraneurin®) ist
aufgrund seines eigenen Suchtpotentials stark umstritten.
In der Monographie der Aufbereitungskommission B3 des BGA
(jetzt BfArM) vom 27. Juni 1991 wird ausdrücklich auf
das Abhängigkeitspotential von Clomethiazol verwiesen:
Bei Patienten mit Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit
besteht bereits nach mehrtägiger Anwendung (bis zu 14
Tagen) ein erhebliches Risiko zur Entwicklung einer
sekundären Abhängigkeit von Clomethiazol.
Mit Acamprosat wurde in Frankreich bereits 1989 (als
Aotal®) und im März 1996 (als Campral®) auch in
Deutschland ein Medikament mit einem neuen Wirkprinzip,
ein Antidipsotropikum, zur Rückfallprophylaxe
Alkoholkranker, zugelassen.
Das Homotaurinderivat Acamprosat ist eine wertvolle
therapeutische Innovation für die Rückfallprophylaxe
bei Alkoholabhängigkeit. Zur Vermeidung eines nicht
sachgerechten Einsatzes muß auf die bestimmungsgemäße
Anwendung ausschließlich als Zusatztherapeutikum (nicht
als Ersatz!) im Rahmen einer psychosozial betreuten
Abstinenzbehandlung hingewiesen werden. Die Behandlung
mit Acamprosat sollte sinnvollerweise nach
abgeschlossener Entgiftung (Alkoholentzug) begonnen
werden und 3 bis 12 Monate dauern, um eine günstige
Prognose für eine dauerhafte Abstinenz zu
gewährleisten.
In klinischen Studien erhöhte Acamprosat die
Abstinenzrate sowie die kumulative Abstinenzdauer. Die
Substanz wirkt nicht psychotrop, hat kein Suchtpotential,
keine hepatotoxischen Nebenwirkungen und interagiert
nicht mit Alkohol beziehungsweise anderen Arzneistoffen.
Ein Nachteil für die Akzeptanz bei Alkoholabhängigen
ist die relativ hohe Dosis und Dosierungsfrequenz. Hier
kann und sollte der Apotheker compliancefördernd aktiv
werden.
PZ-Artikel von Barbara Peruche und Martin Schulz,
Eschborn
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de