Ebastin, Tegafur und Temoporfin |
01.04.2002 00:00 Uhr |
von Ulrich Brunner und Hartmut Morck, Eschborn
Mit dem Antihistaminikum Ebastin und dem Zytostatikum Tegafur kamen im März zwei neue Wirkstoffe auf den deutschen Markt. Temoporfin, mit dem palliativ Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren behandelt werden können, steht bereits seit Februar zur Verfügung.
Ebastin
Rechtzeitig zur Heuschnupfensaison kam Anfang März ein weiteres Antiallergikum in die deutschen Apotheken. Das Antihistaminikum Ebastin stammt aus der Forschungsabteilung des spanischen Konzerns Almirall Prodesfarma und ist in Spanien bereits seit Anfang der 90er-Jahre verfügbar. Bei uns wird Ebastel® vom Kooperationspartner Bayer Vital vermarktet.
Der Wirkstoff ist zur symptomatischen Behandlung der saisonalen und perennialen allergischen Rhinitis mit oder ohne Bindehautentzündung sowie zur Linderung der Quaddelbildung bei Urtikaria zugelassen.
Ebastin blockiert vornehmlich die peripheren H1-Rezeptoren und verhindert so die typischen histaminergen Reaktionen wie zum Beispiel Vasodilatation und erhöhte Permeabilität der Kapillaren.
Die Strukturformel von Ebastin leitet sich vom Diphenylpyralin-Gerüst der Antihistaminika der ersten Generation ab. Am Stickstoff des Piperidinrings hängt jedoch eine lange aliphatische Seitenkette. Die Substanz wird rasch resorbiert und fast vollständig über CYP3A4 in den wirksamen Metaboliten Carebastin umgewandelt. Maximale Plasmaspiegel des Metaboliten werden nach 2,6 bis 4 Stunden erreicht. Der Steady-state ist bei Mehrfachgabe nach drei bis fünf Tagen erreicht.
Der Wirkstoff wird zu 66 Prozent über die Niere ausgeschieden. Patienten mit schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie Kinder unter 12 Jahren dürfen das Antihistaminikum nicht einnehmen.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ebastin wurde in mehr als 40 Studien an über 8000 Patienten geprüft. Dabei linderte der Neuling in Dosierungen von 10 und 20 mg täglich signifikant besser die Symptome der allergischen Rhinitis als Placebo. In Vergleichsstudien waren Tagesdosen von 10 und 20 mg Ebastin 10 mg Cetirizin oder 10 mg Loratadin ebenbürtig.
Wie andere Antihistaminika der zweiten Generation überwindet Ebastin fast nicht die Blut-Hirn-Schranke und bedingt damit kaum unerwünschte zentrale Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Mundtrockenheit. Die Wirkung des Antihistaminikums auf das Herz war in Studien mit Placebo vergleichbar. Dennoch ist bei Patienten mit bekannter Verlängerung des QTC-Intervalls Vorsicht geboten, besonders dann, wenn die Substanz gemeinsam mit Ketokonazol oder Erythromycin eingenommen wird.
Tegafur
Mit Tegafur steht nach Capecitabin (Xeloda®) der zweite Vertreter peroral applizierbarer 5-Fluorouracil-Prodrugs zur Therapie metastasierter kolorektaler Tumoren zur Verfügung. In der unter dem Handelsnamen UFT® von Bristol-Myers Squibb vertriebenen Hartkapseln ist Tegafur [5-Fluoro-1-(tetrahydro-2-furyl)uracil] mit Uracil im molaren Verhältnis von eins zu vier kombiniert. Außerdem soll laut Zulassung gleichzeitig Caliciumfolinat gegeben werden. Die Dosierungsvorgabe lautet täglich 300 mg Tegafur und 672 mg Uracil pro Quadratmeter Körperoberfläche in Kombination mit 90 mg Calciumfolinat. Die Arzneimittel werden peroral in drei Einzeldosen verabreicht, vorzugsweise alle acht Stunden und mindestens eine Stunde vor oder eine Stunde nach den Mahlzeiten. Die Therapie soll an 28 aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden. Danach folgt ein siebentägige Pause.
Die Wirksamkeit der Kombination geht vom 5-Fluorouracil (5-FU) aus, das in der Leber durch Cytochrom P450 aus Tegafur entsteht. 5-FU beziehungsweise seine intrazellulär gebildeten aktiven Metaboliten 5-Fluoro-deoxyuridin-monophosphat (FdUMP) und 5-Fluoro-uridin-triphosphat (FUTP) hemmen die DNA-Synthese und stören die RNA-Funktion. FdUMP hemmt die DNA-Synthese durch Bildung von hemmenden Tertiärkomplexen mit der Thymidilat-Synthetase (TS). FUTP wird in die zelluläre RNA integriert und führt zur Störung der RNA-Funktion. Tegafur wird mit Uracil kombiniert, um so eine rasche Inaktivierung des 5-FU durch die Dihydropyrimidindehydrogenase (DPD) zu verhindern, denn Uracil hat eine höhere Affinität zur DPD als 5-FU. Das gleichzeitig verabreichte Calciumfolinat verstärkt die Zytotoxizität von 5-FU über den intrazellulären Metaboliten 5,10-Methylentetrahydrofolat durch Modulation der TS.
Die Wirksamkeit der Kombination Tegafur/Uracil wurde in der First-line-Therapie des metastasierendem Colorektalkarzinoms in zwei multinationalen, randomisierten Phase-III-Studien mit insgesamt 815 Patienten untersucht. In beiden Studien erwies sich Tegafur/Uracil in Kombination mit Caliumfolinat gleich wirksam wie die parenterale Gabe von 5-FU/Folinsäure nach dem Mayo-Clinic-Protokoll in Hinblick auf die Parameter Überlebenszeit und Gesamtmortalität. Gegenüber dem intravenösen Mayo-Clinic-Regime wirkte die perorale Gabe von Tegafur/Uracil/Calicumfolinat wesentlich weniger toxisch (1 versus 13 Prozent beziehungsweise 3 versus 31 Prozent).
Hauptnebenwirkungen waren wie bei dem Mayo-Regime Mukositis beziehungsweise Stomatitis. Auffällig ist, dass das Fuß-Hand-Syndrom, das bei Capecitabin als unangenehme Nebenwirkung auftritt, bei Tegafur in Kombination mit Uracil nicht beziehungsweise nur in geringem Maße beobachtet wird.
Der größte Vorteil der neuen Substanz dürfte in seiner Darreichungsform liegen. Sie erlaubt es dem Patienten, die palliative Therapie zu Hause durchzuführen.
Temoporfin
Bei Patienten mit alterbedingter Makuladegeneration hat sich die fotodynamische Therapie mit der verwandten Substanz Verteporfin bereits bewehrt. Seit Februar steht nun mit Temoporfin (Foscan®) dieses Behandlungsverfahren auch für die palliative Behandlung von Patienten mit vorangeschrittenem Plattenepithelkarzinom im Kopf- und Halsbereich zur Verfügung, allerdings nur dann wenn andere Therapien vorher versagten oder nicht angewendet werden können.
Bei der fotodynamischen Therapie wird die lichtempfindliche Substanz aus der Stoffklasse der Porphyrine zunächst in die Vene infundiert. Im Blut bindet Temoporfin verstärkt an Plasma-Lipoproteine und Albumin und reichert sich so auch im gewünschten Gewebe an. Nach 96 Stunden wird das betroffene Areal zielgenau mit Laserlicht einer definierten Wellenlänge (652 nm) bestrahlt. Außerhalb des Zielgebietes liegendes Gewebe muss vollständig abgeschirmt werden. Durch die Fotoaktivierung entstehen im Tumor reaktive Sauerstoff-Moleküle, die zum Untergang des Tumorgewebes führen. Die fotodynamische Therapie ist onkologischen Spezialeinrichtungen vorbehalten, die Erfahrungen mit der Behandlung haben.
Mit Temoporfin behandelten Patienten sind zeitweilig verstärkt lichtempfindlich. Während der ersten 15 Tage nach Injektion müssen daher Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um Haut und Augen vor direktem Sonnenlicht und heller Raumbeleuchtung zu schützen. Die Patienten dürfen sich anschließend nur schrittweise normalem Licht aussetzen. Dazu ist ein detailliert Expositionsplan zu beachten.
In einer klinischen Studie wurden 147 Patienten mit fortgeschrittenem Karzinom im Kopf-Hals-Bereich behandelt. Bei 25 Prozent der Behandelten schrumpfte die Tumormasse nach einmaliger Bestrahlung über einen Zeitraum von vier Wochen um die Hälfte. Die besten Erfolge brachte die fotodynamische Therapie bei Tumoren mit einer Tiefe von 10 mm oder weniger. Die mittlere Ansprechrate lag bei 57 Tagen, bei Patienten mit kompletter Remission bei 84 Tagen.
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