Pharmazie
Aceclofenac heißt das neue,
nichtsteroidale Antiphlogistikum (NSAID, non steroid
anti-inflammatory drug), das Experten in Bordeaux
vorstellten. Der erstmals 1992 in Spanien, später in
Portugal und verschiedenen lateinamerikanischen Ländern
zugelassene Arzneistoff soll ab Mitte des Jahres auch in
Deutschland und etwa vierzig anderen Staaten zur
Behandlung der chronischen Polyarthritis, der
Osteoarthritis und des Morbus Bechterew zur Verfügung
stehen. Aceclofenac wirkt bei guter Leber- und
gastrointestinaler Verträglichkeit schnell analgetisch
und antiphlogistisch und hemmt die Synthese von
Interleukin-1ß, das den Knorpelabbau stimuliert.
Was macht den Cyclooxygenasehemmer Aceclofenac -
Handelsname Biofenac - mit bekanntem Wirkmechanismus zu
einem interessanten neuen, nichtsteroidalen
Antiphlogistikum (NSAID)? "Aceclofenac weist ein
besseres Sicherheitsprofil auf als andere NSAID.
Patienten, deren arthritische Erkrankungen mit Acelofenac
behandelt werden, bleiben mit größerer
Wahrscheinlichkeit therapietreu", faßte Professor
Dr. Ernst Martin Lemmel, Direktor des Rheumazentrums
Baden-Baden, die Ergebnisse von dreizehn doppelblinden,
klinischen Studien zusammen, in denen 3500 Patienten mit
Osteoarthritis, chronischer Polyarthritis oder Morbus
Bechterew drei bis sechs Monate randomisiert entweder mit
Aceclofenac oder mit Diclofenac, Indometacin, Naproxen,
Piroxicam, Tenoxicam oder Ketoprofen behandelt wurden.
Deutlich mehr Patienten der Aceclofenacgruppen schlossen
die Behandlung ab, ein Zeichen für hohe Compliance. In
den Aceclofenacgruppen traten deutlich seltener
gastrointestinale und andere unerwünschte Wirkungen auf.
Die bessere Verträglichkeit von Aceclofenac beruht
möglicherweise auf einer bevorzugten Hemmung der Isoform
II des Cyclooxygenase(COX)-Systems: Die COX-II wird erst
unter pathophysiologischen Bedingungen aktiviert und ist
verantwortlich für die Bildung von
Entzündungsmediatoren. In-vitro-Studien, die die
COX-II-Präferenz von Aceclofenac belegen sollen, sind
jedoch noch nicht abgeschlossen.
Nach den Ergebnissen doppelblinder Parallelgruppenstudien
vermindert Aceclofenac Schmerz und Morgensteifigkeit von
Patienten mit chronischer Polyarthritis ebenso wie
Diclofenac, Indometacin oder Ketoprofen; bei Patienten
mit Morbus Bechterew zeigt es vergleichbare Wirkung wie
Tenoxicam, Indometacin oder Naproxen. Bei Patienten mit
Osteoarthritis der Kniegelenke erwies sich Aceclofenac
als ähnlich wirksam wie Piroxicam oder Diclofenac.
Zum Vergleich der antientzündlichen Aktivität der
Arzneistoffe erhielten dreißig Patienten sechs Monate
täglich 200 mg Aceclofenac oder 150 mg Diclofenac. Die
Synthese des Entzündungsmediators Prostaglandin-E2 durch
mono- und polymorphkernige Blutzellen war nach sechs
Monaten bei beiden Behandlungsgruppen ähnlich
signifikant verringert. Auch die Produktion von
Interleukin-1ß nahm bei Patienten mit hohen
Ausgangswerten vergleichbar ab. Trotzdem ist die
Indikation Osteoarthritis für NSAID umstritten, da
manche Arzneistoffe bei längerer Anwendung
möglicherweise knorpelschädigend wirken.
Fördert Aceclofenac die Knorpelregeneration?
John T. Dingle, Professor an der Universität
Cambridge, untersuchte in vitro an gesunden und
osteoarthritischen menschlichen Knorpeln, wie verschieden
NSAID die Synthese von
Glucosaminoglycan(GAG)-Knorpelmatrixbausteinen in den
Chondrozyten beeinflussen. Er stellte fest, daß
Aceclofenac wie Tenidap und Tolmetin in vitro die
GAG-Synthese stimuliert. Ob dieser chondroprotektive
Effekt von Aceclofenac auch in vivo zu beobachten ist,
wird eine derzeit noch offene spanische Studie mit 24
Patienten zeigen.
Das Phenylessigsäurederivat Aceclofenac ist unabhängig
von gleichzeitiger Nahrungsaufnahme nahezu vollständig
bioverfügbar und schnell wirksam. Bereits 15 bis 30
Minuten nach oraler Gabe sind wirksame, nach 1,3 bis 3
Stunden maximale Plasmakonzentrationen meßbar. Bei einer
Halbwertszeit von 4 Stunden akkumuliert Aceclofenac in
der empfohlenen Dosierung von zwei 100-mg-Kapseln
täglich auch bei älteren Patienten nicht im Plasma.
Die Leber wandelt Aceclofenac zu 10 Prozent in Diclofenac
und zu 50 Prozent in Hydroxyaceclofenac um, wodurch
vermutlich die im Vergleich zu Diclofenac geringere
hepatotoxische Wirkung zu erklären ist. Als weitere
unerwünschte Wirkungen traten in klinischen Studien
neben gastrointestinalen Wirkungen wie
Verdauungsstörungen, Übelkeit oder Durchfall
gelegentlich Hautausschläge auf.
Die Ausscheidung von Aceclofenac erfolgt zu 70 Prozent
renal. Bei schweren Nierenfunktionsstörungen ist
deshalb, ebenso wie bei Lebererkrankungen, eine
Dosisanpassung erforderlich. Vorsicht vor Interaktionen
ist wie bei anderen NSAID bei gleichzeitiger Gabe von
Diuretika, Antikoagulantien und oralen Antidiabetika
geboten.
PZ-Artikel von Birgit Strohmaier, Passau
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