Pharmazie
Therapie bei postzosterischen Neuralgien
Eine Gürtelrose wird mit
Virustatika behandelt, die Wunde heilt ab. Die Schmerzen
können jedoch trotzdem bleiben, zum Teil sogar über
Jahre. Patienten mit solchen postzosterischen Neuralgien
sind kein Fall mehr für den Dermatologen, sie brauchen
eine gezielte und individuelle Behandlung vom Neurologen
oder Schmerztherapeuten.
Dr. Karin Wollina vom Universitätsklinikum Jena
definierte postzosterische Neuralgien als Schmerzen, die
länger als vier Wochen nach Beginn der Krankheit
andauern oder nach vorübergehendem Abklingen im
ursprünglich betroffenen Areal wieder auftreten. Die
Ursache ist ein irreversibler Untergang des Nervengewebes
als Folge der Entzündung während der akuten Phase der
Krankheit. Betroffen sind vor allem die Spinalganglien,
aber auch in der Peripherie, im Bereich der
Schmerzrezeptoren, kommt es zu Schädigungen.
Entsprechend stark sind die Schmerzen. Zwei Schmerztypen
werden unterschieden: ein tiefsitzender, quälender oder
brennender Dauerschmerz und attackenartig einschießende,
stechende Schmerzen, die nur wenige Sekunden oder Minuten
andauern. Charakteristisch für den ersten Typ ist
extreme Berührungsempfindlichkeit, die sogenannte
Allodynie. Schon das Tragen von Kleidungsstücken kann
zur Qual werden.
Die Behandlung richte sich nach dem Schmerztyp, daher sei
eine klare Schmerzanalyse notwendig, betonte Professor
Jean-Pierre Malin, neurologische Universitätsklinik
Bochum. Zum Einsatz kommen nicht nur periphere und
zentrale Analgetika, sondern auch tricyklische
Antidepressiva, Antiepileptika und Neuroleptika.
Zusätzlich ist eine kontinuierliche psychische Betreuung
wichtig. Periphere Analgetika wie Paracetamol zeigten
höchstens im Frühstadium der Krankheit gewisse Erfolge.
Tricyclische Antidepressiva haben dagegen nach seinen
Worten in der Therapie einen festen Stellenwert. Sie
wirken direkt analgetisch und außerdem
schmerzdistanzierend. Wichtig ist eine ausreichend hohe
Dosierung: Minimum sind 150 mg pro Tag.
In extremen Fällen kommen außerdem
Neuroleptika oder orale Opioide zum Einsatz. Zentrale
Analgetika helfen bei dumpfen, anhaltenden Schmerzen,
komplette Schmerzfreiheit wird aber auch hiermit meist
nicht erreicht. Neuroleptika wie Haloperidol oder
Levomepromazin sind wegen ihrer hohen Nebenwirkungsrate
(Schwindel, Parkinsonsyndrom, Sedierung) gerade bei
älteren Zosterpatienten schwierig einzusetzen. Da sie
den zentral-analgetischen Effekt konventioneller
Schmerzmittel verstärken und die zentrale
Schmerzschwelle senken, werden sie in Kombination mit
Analgetika gegeben. In Einzelfällen wirke auch
perkutanes Capsaicin, wenngleich die Ergebnisse aus
Langzeitstudien eher enttäuschend waren.
Aus dem Verlauf der Akutphase läßt sich die spätere
Entwicklung des Schmerzsyndroms kaum abschätzen.
Höheres Lebensalter, ausgeprägte Symptome wie Fieber
oder Schmerzen in der Anfangsphase der Krankheit und eine
Gürtelrose im Bereich des Trigeminusnervs sind mögliche
prognostische Faktoren. Die entscheidenden Weichen
würden jedenfalls in der Frühphase der Krankheit
gestellt, betonte Malin. Wird sie rechtzeitig
diagnostiziert und die Therapie so früh wie möglich
eingeleitet, kann dem Patienten möglicherweise viel Leid
erspart bleiben.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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