Pharmazie
Riluzol: Erste Hoffnung für ALS-Patienten
Serie Neue Arzneistoffe
Die amyotrophe Lateralsklerose
(ALS) oder myotrophe Lateralsklerose (MALS) oder
Motoneuronopathie (motor neuron disease) ist eine
vermutlich neurodegenerative Erkrankung des Menschen und
stellt im Hinblick auf die Bewältigung sowohl an die
Patienten, die betreuenden Angehörigen als auch an die
behandelnden Ärzte hohe Anforderungen.
Es handelt sich um eine Erkrankung des
motorischen Systems noch unbekannter Ätiologie, die
durch fortschreitende Degeneration corticaler
Motoneurone, sekundär ihrer corticospinalen Bahnen sowie
der bulbären und spinalen Motoneurone charakterisiert
ist. Als Folge davon entwickeln sich Lähmungen und
Muskelschwund schließlich aller Skelettmuskeln
einschließlich Schluck- und Atemmuskulatur, zum Teil
auch eine deutliche Spastik vornehmlich der Beine. Die
Krankheit beginnt im allgemeinen nach dem 40. Lebensjahr.
Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Von 100 000
Menschen erkranken jährlich 1 bis 2 an ALS. Fünf bis
zehn Prozent der Fälle sind familiär gehäuft mit einem
autosomaldominanten Erbgang.
Bei der ALS handelt es sich um eine fortschreitende
Degeneration des ersten und zweiten Neurons der
Willkürmotorik der corticalen Pyramidenbahnzellen und
der spinalen Vorderhornzellen einschließlich der Kerne
motorisch kaudaler Hirnnerven. Seit einigen Jahren weiß
man, daß das glutamaterge Neurotransmittersystem und
exitotoxische Prozesse maßgeblich an diesem neuronalen
Zelluntergang beteiligt sind.
Mit Riluzol - 2-Amino-6-(trifluoromethoxy)benzothaizol
(IUPAC) - ist seit kurzem ein Arzneimittel verfügbar,
das eine bedeutende Innovation darstellt. Es gehört zur
Familie der Benzothiazole und wird aus
Trifluoromethoxyanilin gewonnen. Die Substanz ist der
arzneilich wirksame Bestandteil des Fertigarzneimittels
Rilutek der Firma Rhône-Poulenc Rorer.
Eine kapselförmige Filmtablette mit einseitiger Gravur
RPR 202" enthält 50mg Riluzol. Weitere
Bestandteile des Kerns sind Calciumhydrogenphosphat,
mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumoxid,
Magnesiumstearat und Natrium-Carboxymethylcellulose.
Weitere Bestandteile der Hülle sind
Methylhydroxypropylcellulose, Macrogol 6000 und
Titandioxid.
Riluzol zeigte in experimentell-pharmakologischen Studien
eine deutliche neuroprotektive Wirksamkeit und ist
derzeit das einzige Medikament, das zur Behandlung von
ALS zugelassen ist. Eine Verzögerung des
Nervenzellabbaus und damit ein verlangsamtes
Fortschreiten der Lähmung stellen für den
Schwerstkranken einen großen Gewinn an Lebensqualität
dar. Das Fortschreiten der Krankheit wird allerdings auch
durch Riluzol nicht verhindert.
PZ-Artikel von Barbara Peruche, Martin Schulz, Eschborn,
und Rudolf W.C. Janzen, Frankfurt am Main
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