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Mehr Qualität für weniger Geld

08.05.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-VerlagKRANKENHAUSPHARMAZIE

Mehr Qualität für weniger Geld

von Axel Helmstädter, Köln

Es klingt wie die Quadratur des Kreises, doch es scheint zu funktionieren: Eine qualitative Verbesserung der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus ohne zusätzliche Kosten. Sogar Einsparungen sind möglich, wenn pharmazeutisches Wissen ans Patientenbett gebracht wird und mit moderner Logistik Hand in Hand geht. Klinisch pharmazeutische Dienstleistungen ergänzen daher mehr und mehr die traditionellen Aufgabenfelder und erweitern das facettenreiche Berufsbild des Krankenhausapothekers.

Entsprechend vielgestaltig präsentierte sich das Programm des 28. Wissenschaftlichen Kongresses des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker, ADKA, vom 5. bis 7. Mai 2000 in Köln. In Referaten wurde deutlich, dass Strategien zur Erweiterung des Kompetenzbereiches und zur Sicherung der Position des Pharmazeuten im Krankenhaus in die politischen Rahmenbedingungen sinnvoll eingebettet sein müssen.

Zuständigkeiten sauber trennen

ABDA-Präsident Hans-Günter Friese wies darauf hin, dass nicht nur die Krankenhauspharmazie, sondern das deutsche Apothekenwesen als Ganzes auf dem gesundheitspolitischen Prüfstand steht und die Diskussionen um eine Novellierung des Apothekengesetzes noch andauern. Umso mehr seien intensive Dialoge innerhalb der pharmazeutischen Berufsgruppen und ein gemeinsames Auftreten gegenüber der Politik gefordert. Friese erinnerte an den 1996 zwischen ABDA und ADKA erzielten Kompromiss. Er erteilte den Bestrebungen einzelner Krankenhausapotheker, neue Geschäfts- und Betätigungsfelder außerhalb der Klinik zu erschließen, eine klare Absage. Ebenso deutlich verurteilte der ABDA-Präsident den hier und da zu beobachtenden und durch die Großzügigkeit einzelner Genehmigungsbehörden katalysierten Trend zur Wiederkehr von Versandapotheken. Der Wissenstransfer vom Krankenhaus zu Offizinapotheken im Bereich onkologischer Spezialrezepturen sei dagegen ein Beispiel für harmonisches Zusammenarbeit.

Die besonderen Verdienste der Krankenhausapotheker um einen wirtschaftlichen Arzneimitteleinsatz hob der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Karl Rudolf Mattenklotz hervor. So betrug der für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel aufgewandte Anteil an den Ausgaben für die etwa 400 nordrhein-westfälischen Krankenhäuser nur noch 4,2 Prozent. Auch Mattenklotz mahnte an, den 1996 gefundenen Kompromiss zur Abgrenzung der Versorgungsbereiche von öffentlichen und Krankenhausapotheken im Gesetz festzuschreiben und damit die Zuständigkeiten sauber zu trennen. Im Wettbewerb mit krankenhausversorgenden Apotheken sieht der Kammerpräsident klare Vorteile für die klinikeigene Apotheke hinsichtlich der Beratung von Ärzten und Pflegepersonal.

Die akademische Basis

Ein flächendeckendes Angebot klinischer Dienstleistungen kann sich nur entwickeln, wenn die universitäre Ausbildung solide Grundlagen legt. Professor Dr. Ulrich Jaehde, Bonn, erster deutscher Hochschullehrer für Klinische Pharmazie, gab einen Überblick über relevante Inhalte aus Forschung und Lehre. Dabei soll die Verbindung von Grundlagenforschung und Praxis gewährleisten, was Klinische Pharmazie definitionsgemäß kennzeichnet: die Optimierung der Arzneimitteltherapie auf naturwissenschaftlicher Grundlage. Analog sollten Forschungsprojekte Therapieoptimierungen zum Ziel haben. Entsprechend forderte der Hochschullehrer, universitäre Rahmenbedingungen zu schaffen, um Forschungsprojekte durchführen und Lehrveranstaltungen qualifiziert anbieten zu können. Auf bewährte Weise seien theoretische Grundlagen im zweiten, praxisbezogene Inhalte im Dritten Ausbildungsabschnitt zu vermitteln. Ideal wären Dozenten, die teilweise an der Hochschule und teilweise in der Praxis tätig sind ("teacher/practitioner").

Jaehde plädierte für fallbezogenes Lernen, bei dem reale Patientendokumentationen arzneimittelorientiert durchgearbeitet werden, um Vorschläge für eine Therapieoptimierung zu machen. Zur Zeit werden bereits an verschiedenen Hochschulen klinisch-pharmazeutische Lehrveranstaltungen angeboten; die gewöhnlich aktive Krankenhausapotheker mitgestalten. Ihre Erfahrungen zu nutzen hält der Hochschullehrer im Hinblick auf die Fortentwicklung seiner Disziplin für unverzichtbar.

Organisation entscheidet

Die Optimierung der Arzneimittelversorgung fängt damit an, Fehler zu vermeiden. Die kommen Studien zufolge in traditionellen Distributionssystemen mit einer Häufigkeit von 5 bis 15 Prozent vor. Dabei dominieren systematische Fehler, die sich durch organisatorische Maßnahmen abstellen lassen. Albert W. Lenderink, Tilburg, beschrieb das Vorgehen in den Niederlanden. Dort setzt man auf Unit-Dose-Versorgung, die von der Verordnung bis zur Einnahme die eindeutige Zuordnung der einzelnen Arzneiform zum Patienten gewährleistet. Durch elektronische Verschreibung einerseits und Dokumentation der Arzneimitteleinnahme mittels Barcode-Leser am Patientenbett andererseits wird die Arzneimitteltherapie lückenlos nachvollziehbar. Das System führe nachweislich zur Fehlerreduktion, Stationsvorräten würden abgebaut, Diebstählen vermieden und die Arzneimittelsicherheit steige. Das niederländische Gesundheitssystem erleichtert zudem die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus- und Offizinapotheker, in dem es zum Beispiel beiden den Zugriff auf die Medikationsdatenbank des Patienten gestattet. Die Kooperation geht so weit, dass Offizinapotheker in die Klinik kommen und dort ihre Stammkunden pharmazeutisch beraten. Umgekehrt ist die Belieferung ambulanter Patienten aus der Klinikapotheke möglich.

Beispiel Hamburg

Nach einer fast zehnjährigen Planungs- und Experimentierphase werden inzwischen alle Patienten des Krankenhauses Hamburg-Harburg im Unit-Dose-System versorgt. Diese, als Patientenorientierte Arzneimittelversorgung (PAV) bezeichnete Organisatiosform führte, wie Apothekenleiter Klaus Meier, nachwiesen konnte, zu einem stetig sich verbessernden Betriebsergebnis der Apotheke. Die Zahl der Fehler sank und Patienten sowie Mitarbeiter seien ausgesprochen zufrieden mit dem System. Die Fehlerrate konnte mit PAV im Vergleich zu traditioneller Versorgung von Stationsvorräten halbiert werden. Eine Kosteneffektivität ergab sich trotz des zusätzlichen Personalaufwandes von sieben Vollzeitkräften.

Die Arzneimitteldistribution übernimmt im Wesentlichen der Automat, zusätzlich findet auf jeder Station zweimal täglich eine pharmazeutische Beratung statt. Die Krankenhausapotheke arbeitet an allen Wochentagen rund um die Uhr. Die entscheidenden Einsparungen wurden erzielt durch ein verändertes Verordnungsverhalten unter pharmazeutischem Einfluss, verringerte Stationsvorräte, weniger Arzneimittelmüll und einen deutlich kleineren Aufwand für Stationsbegehungen.

Apotheker und Arzt kooperieren

Der Erfolgsfaktor für pharmazeutische Dienstleistungen auf Station ist eine hohe Akzeptanz bei Pflegepersonal und Ärzten. Wie eine solche Zusammenarbeit funktionieren kann, dokumentierten der Apotheker Andzrej Kostrzewski und der Mediziner Dr. Mark Spring aus London. In Krankenhäusern der britischen Hauptstadt gibt es eigene Apothekervisiten auf Station, bei denen die Kollegen arzneimittelbezogene Probleme aufdecken und die Patienten beraten. Besonders wichtig sei die Erstkonsultation neu aufgenommener Patienten durch ein Team aus Arzt, Apotheker und Pflegepersonal. Dabei wird die Arzneimittelnamnese erhoben und die Therapie gemeinsam festgelegt. Eine statistische Erhebung zeigte, dass 1999 ein Apotheker etwa 700 Beiträge zur Behandlung leistete und dabei in mehr als 300 Fällen eine Änderung der Therapie bewirkte.

Lebensrettende Maßnahmen sind nicht an der Tagesordnung, kommen aber durchaus vor. In Großbritannien setzt man zur Fehlervermeidung weniger auf Dispensierautomaten und Unit-dose-Versorgung, sondern eher auf den intensiven Dialog zwischen den Berufsgruppen und mehrfache Kontrolle der Verordnung.

Fundiertes Wissen als Basis

Wie man Wissen aus der Weltliteratur erschließt, zeigten Wolfgang Förg, Hans-Jürgen Elsner, Augsburg, und Dr. Ulrich Rothe, Regensburg. In einer Live-Demonstration vermittelten die Referenten Einblicke in die Benutzung modernster Datenbanken. Bei der Literaturrecherche sollte man sich nicht nur auf die Medline verlassen; speziellere Datenbanken böten dem Experten oft einen erheblichen Erkenntnisgewinn. Damit lassen sich einerseits konkrete medizinische Anfragen präzise beantworten; andererseits können weltweit relevante Veröffentlichungen zur Erstellung hauseigener Therapiestandards herangezogen werden. Top

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