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Hypericum-Creme bei Neurodermitits

10.02.2003  00:00 Uhr

Hypericum-Creme bei Neurodermitits

von Conny Becker, Eschborn

Extrakte aus Hypericum perforatum können Depressionen lindern, werden traditionell aber auch als Externa verwendet. Neue Studien an der Hautklinik Freiburg zeigen die Wirksamkeit einer Johanniskrautcreme bei Neurodermitis.

Bisher beruhte die dermatologische Anwendung von Johanniskraut-Präparaten auf Erfahrungswerten. Das durch den Gehalt an Hypericin typisch rot gefärbte Johanniskrautöl wird aus dem frischen Kraut und den Blüten – kurz vor der Blüte geerntet – mit Olivenöl extrahiert. Als traditionelle dermatologische Indikationen gelten schlecht heilende, infizierte Wunden, Ulcus cruris, Quetsch- und Brandwunden. Im Allgemeinen kommt Johanniskrautöl unverdünnt zum Einsatz, bei nässenden, infizierten Wunden wird auch ein 2- bis 5-prozentiges Öl in Pasta Zinci empfohlen.

Klinische Studien zur topischen Anwendung sind noch rar, und somit existieren keine konkreten Vorgaben zu Dosierung und Wirkstoffgehalt. Allgemein bekannt ist jedoch die photosensibilisierende Wirkung des Hypericins; das ebenfalls in der Pflanze vorkommende Quercetin wird überdies als kanzerogen angesehen. Daher sollten Dermatika zur Wundheilung apolare Extrakte der Droge enthalten, die weitgehend frei von Flavonoiden und Hypericin sind.

Mit Hyperforin gegen Bakterien

An der Hautklinik Freiburg untersuchte Dr. Christoph M. Schempp die antibakterielle Wirkung von Johanniskraut. Hochgereinigtes Hyperforin konnte das Wachstum der gram-positiven Bakterien Corynebacterium diphtheriae sowie aller getesteter Staphylococcus-Arten ab einer Konzentration von 1 µg/ml hemmen; gramnegative Bakterien und Candida albicans waren nicht empfindlich (1). Da gerade bei Neurodermitis Infektionen mit Staphylococcus aureus auftreten können, gab die In-vitro-Hemmung multiresistenter Keime Anlass zur Entwicklung einer Hypericum-Creme.

Die Pilotstudien ergaben, dass die Creme sowohl in vitro als auch in vivo die Antigen präsentierende Funktion epidermaler Langerhans-Zellen schwächt. Diese Immunsuppression ist vergleichbar stark wie bei einer UVB-Bestrahlung. Schempp konnte ebenfalls zeigen, dass Hyperforin die Lymphozytenproliferation hemmt und Apoptose auslöst (2). Zwar behinderte Hyperforin ab einer Konzentration von 10 µg/ml auch die Proliferation anderer Blutzellen, am Patienten war die topische Anwendung jedoch gut verträglich.

Freiburger Studien

In einer randomisierten Doppelblindstudie der Freiburger Klinik war eine Johanniskrautcreme bei der Behandlung der subakuten atopischen Dermatitis im Halbseitenvergleich einem Placebo überlegen. Die auf 1,5 Prozent Hyperforin standardisierte Creme enthielt einen Johanniskrautextrakt, der mit überkritischem CO2 gewonnen wurde und somit sowohl Hypericin als auch Quercetin in Konzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze aufwies.

21 Patienten trugen über vier Wochen Verum und Placebo auf der rechten beziehungsweise linken Körperseite auf. Der Hautzustand wurde wöchentlich mit einem speziellen Dermatitis-Index (Scoring of Atopic Dermatitis) beurteilt. Der Wert sank unter Verum verglichen mit Placebo signifikant ab, überdies war die Hypericum-Creme gut verträglich. Beide Topika konnten die Anzahl von Staphylokokken-Kolonien reduzieren, wobei die Johanniskrautcreme leicht überlegen war (p = 0.064).

Die Behandlung von Neurodermitis mit Hyperforin-haltigen Cremes stellt nach Ansicht von Schempp eine Therapieoption dar, die insbesondere für Kinder geeignet sein könnte. Zurzeit findet eine offene Anwendungsbeobachtung bei Kindern ab zwei Jahren an der Freiburger Klinik statt.

Quelle:
(1) Schempp, C. M., et al., Br. J. Dermatol. 142 (2000) 979 – 984
(2) Schempp, C. M., et al., Lancet 355 (2000) 548 - 549 Top

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