Anämie gefährdet vor allem Kinder |
21.10.2002 00:00 Uhr |
Hakenwürmer
von Ulrike Wagner, Eschborn
Ungefähr eine Milliarde Menschen sind von Hakenwürmern infiziert - etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung. In unseren Breiten sind meist Rückkehrer aus den Tropen oder Einwanderer aus Endemiegebieten betroffen.
Die beiden bedeutendsten Hakenwurm-Arten sind Ancylostoma duodenale und Necator americanus. Beide kommen ausschließlich beim Menschen vor, wo sie im Dünndarm parasitieren. Aber auch Hakenwürmer von Hunden und anderen Fleischfressern können den Menschen infizieren. Sie gelangen jedoch meist nur in die oberen Hautschichten und sorgen dort für das typische Krankheitsbild der kutanen Larva migrans (siehe Kasten).
Hakenwürmer sind in den Tropen und Subtropen weit verbreitet und kommen in Südeuropa, Afrika, Asien, im Süden der USA sowei in Zentral- und Südamerika vor. Vor allem in Gebieten, in denen die Landwirtschaft die einzige Erwerbsquelle ist, treten die Hakenwürmer auf. Typische Regionen sind die Tee-Plantagen in Indien, lateinamerikanische Kaffee-Anpflanzungen, Gummi- und Bananen-Kulturen in Afrika sowie chinesiche Mais- und Süßkartoffel-Farmen.
Kutane Larva migrans Besonders häufig ist für diese Hauterscheinung Ancylostoma braziliense verantwortlich. Der Nematode kommt in vielen Teilen der Tropen und Subtropen vor, zum Beispiel auch an den Stränden der karibischen Inseln. Daher ist diese Art der Hakenwurminfektion reisemedizinisch von besonderer Bedeutung.
Die Würmer dringen nach Kontakt zwar in die Haut ein, sind aber nicht in der Lage, bis in tiefere Schichten zu gelangen. Täglich wandern sie daher in der Dermis einige Millimeter bis Zentimeter umher. Dadurch entstehen Papeln, gewundene und entzündlich veränderte Bohrgänge sowie Juckreiz. Zu Adulten entwickeln sich die Larven nicht. Sie können einige Wochen bis Monate in der Haut persistieren, dann sterben sie ab. Bei der Diagnose muss der Arzt die Larva migrans von einer Infektion mit Krätzmilben unterscheiden, die sich in einem Abstrich unter dem Lichtmikroskop jedoch eindeutig nachweisen lassen. Die Therapie besteht in der Regel aus der topischen Applikation von Thiabendazol-Salbe (15-prozentig) für etwa zehn Tage. Alternativ können die Hautirritationen auch mit Ivermectin-Lösung betupft oder mit Ethylchlorid-Spray vereist werden. Auch eine perorale Albendazol-Therapie kann sinnvoll sein.
Hakenwürmer sind 0,7 bis 1,8 Zentimeter lange Fadenwürmer mit einem hakenförmig nach dorsal gebogenen Vorderende. Daher erklärt sich auch ihr Name: ankylos bedeutet krumm, stoma steht für Mund und necator heißt Töter. Die Würmer verfügen über eine große Mundkapsel, deren Eingang bei den Ancylostoma von zahnartigen Strukturen und bei Necator von schneidenden Platten begrenzt ist.
Das Weibchen gibt je nach Art 10.000 bis 25.000 Eier pro Tag ab, die mit dem Kot ins Freie gelangen. Dort schlüpft innerhalb von ein bis zwei Tagen die erste Larve, die sich im Boden von Bakterien und organischen Ablagerungen ernährt. Nach zwei Häutungen entsteht die infektiöse Drittlarve, die von einer Scheide umgeben ist. Sie ist sehr empfindlich gegenüber Trockenheit, in feuchtem Boden oder im Wasser kann sie jedoch etwa einen Monat überleben. Höhere Temperaturen von 20 bis 30 Grad Celsius und ausreichend Feuchtigkeit begünstigen die Entwicklung.
Infektion beim Barfußlaufen
Den Menschen infiziert die Larve über die Haut, meist an den Füßen oder Händen beim Barfußlaufen oder Anfassen von kontaminiertem Boden oder der Arbeit auf dem Feld. Direkt von Mensch zu Mensch wird die Infektion nicht übertragen. Die Larve dringt in die Haut ein und entledigt sich dabei der Scheide. Juckende und allergische Hautreaktionen an der Eintrittstelle sind die ersten Symptome einer Infektion.
Die Larve wandert anschließend in die Lymph- und Blutgefäße. Mit dem Blutstrom gelangt sie über die rechte Herzkammer in die Lunge. Dort wandert sie in die Lungenbläschen, anschließend in die Luftröhre und dann in den Kehlkopf. Dabei können Urtikaria oder gar eine Hakenwurm-Pneumonitis auftreten. Typische Symptome sind Atemnot und unproduktiver Husten.
Durch Verschlucken gelangt die Larve in den Schlund und über den Magen bis in den Dünndarm. Dort entwickelt sie sich zum adulten Wurm, der dort 1 bis 15 Jahre überleben kann. Die Wanderung selbst dauert etwa eine Woche, bis zur Geschlechtsreife braucht ein Hakenwurm fünf bis sieben Wochen.
Im Darm beschädigen die Hakenwürmer mit ihrer Mundkapsel die Schleimhaut und saugen Blut. Dabei geben sie unter anderem gerinnungshemmende Substanzen sowie Faktoren ab, die die Immunantwort des Wirtes dämpfen. Trotzdem kann es zu Entzündungsreaktionen kommen. Wenn sich die Würmer im Darm ansiedeln, leiden die Infizierten oft unter Durchfall, der blutig sein kann, Fettdurchfällen, Appetitmangel, Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen.
Anschließend ist vor allem der Blutverlust problematisch, der zu einer Eisenmangelanämie führen kann. Von der typischen Hakenwurmkrankheit sind meist Kinder und Frauen in gebärfähigem Alter bedroht. Die verringerte Nahrungsaufnahme und die reduzierte Nährstoffresorption im Darm können zu Gewichtsverlust führen. An schweren Infektionen sterben vor allem Kinder.
Tropenwurm in den Alpen Hakenwürmer sind noch nicht lange aus unseren Breiten verschwunden. So sorgte im Jahr 1880 eine epidemische Anämie bei Arbeitern während des Baus des Gotthard-Tunnels für Aufsehen. Mehrere Männer starben. Italienische Ärzte fanden schließlich die Ursache: Hakenwurm-Befall. Die Würmer waren damals bis in die italienische Poebene verbreitet, und Arbeiter aus diesem Gebiet hatten die Infektion in die schweizerischen Alpen eingeschleppt. Im Gegensatz zu ihren italienischen Kollegen erkannten die schweizerischen Behörden die Ursache der Anämie nicht und sprachen von einer „Tunnelkrankheit“, die durch schlechte Luft und zu wenig Tageslicht verursacht worden sei. Beim späteren Bau des Simplontunnels konnte durch bessere hygienische Verhältnisse die Krankheit jedoch verhindert werden. Bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren auch viele Minenarbeiter in Frankreich mit Ancylostomen infiziert, informiert das schweizerische Tropeninstitut in Basel.
Kinder bleiben zurück
Aber auch wenn die Infektion nicht lebensbedrohlich verläuft, wirkt sie sich oft irreversibel auf die Entwicklung aus. Wahrscheinlich beeinflusst die Eisenmangelanämie direkt die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten der Kinder. Zu wenig Eisen hemmt einerseits direkt die Entwicklung dopaminerger Neuronen, andererseits wird die Biosynthese von Enzymen im Gehirn, die Eisenmoleküle benötigen, gestört. Von diesen Symptomen sind Kinder betroffen, die mit einer großen Zahl von Hakenwürmern infiziert sind. Infektionen mit wenigen oder einzelnen Nematoden spürt der Betroffene meist nicht.
Die Diagnose eines Hakenwurmbefalls erfolgt über den Nachweis der Eier im Stuhl. Hakenwurmeier sind oval und haben dünne Schalen. Darin enthalten sind im frischen Zustand zwei bis acht Furchungszellen, die im Lichtmikroskop deutlich zu sehen sind. Bei älteren Stuhlproben lassen sich diese Eier nicht mehr von denen anderer Wurmarten unterscheiden. Dann müssen sie in Kultur genommen werden; die Diagnose erfolgt dann später auf Grund der Larvenmerkmale.
Therapiestandard sind Benzimidazole wie Mebendazol (Vermox®, Surfont®, zweimal täglich 100 mg, für drei Tage) und Albendazol (Eskazole®, einmalig 400 mg). In vielen Entwicklungsländern müssen die Gesundheitsbehörden jedoch auf Second-line-Präparate wie Pyrantelpamoat ausweichen, die wesentlich billiger sind als die Benzimidazole. Bei einer Eisenmangelanämie sollte zusätzlich Eisenpräparate gegeben werden.
Nur mit Hygiene zu bekämpfen
In Endemiegebieten hat die weit verbreitete Anwendung von Anthelmintika bei der Bekämpfung der Hakenwürmer versagt. Da die Betroffenen keine Immunität ausbilden, sind sie meist vier bis zwölf Monate nach erfolgreicher Behandlung wieder infiziert. Die Medikamente mehrmals im Jahr zu verabreichen, ist meist aus finanziellen Gründen nicht möglich.
Tatsächlich haben nicht Anthelmintika die Hakenwürmer aus den subtropischen Regionen Nordamerikas und Europas eliminiert, sondern die wirtschaftliche Entwicklung, die mit besseren hygienischen Verhältnissen einher ging. In vielen Entwicklungsländern gibt es noch immer keine ausreichenden Abwassersysteme, so dass der Boden in Endemiegebieten mit menschlichen Fäkalien und damit auch mit den Eiern von Hakenwürmern kontaminiert ist. Außerdem werden dort noch immer mit menschlichem Kot die Felder gedüngt. Einziger Schutz in diesen Gebieten sind feste Schuhe. Nur eine fundierte Gesundheitserziehung, kombiniert mit der medikamentösen Behandlung könnte den Parasitenzyklus in Zukunft unterbrechen.
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