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Membranreparatur defekt

02.06.2003  00:00 Uhr
Degenerative Muskelkrankheiten

Membranreparatur defekt

von Christian Wetzler, Mainz

Muskeldystrophien entstehen durch den Schwund von kontraktilem Gewebe, der zu einer fortschreitenden Muskelschwäche führt. Ein Protein, dem eine bedeutende Rolle bei der Reparatur von mikroskopisch kleinen Verletzungen des Skelettmuskels zukommt, könnte für bestimmte Varianten der Krankheit verantwortlich sein.

Fortwährend ist der Muskel mechanischen Belastung ausgesetzt. Dabei entstehen kleine Risse in der Membran, die als Umhüllung der quergestreiften Muskelfaser dient, dem Sarkolemm. Diese Verletzungen können ernsthafte Folgen haben, falls sie nicht rechtzeitig verheilen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler um Kevin Campbell von der University of Iowa trägt ein fehlerhafter Reparaturmechanismus zur Pathogenese einiger Varianten der Muskeldystrophie bei. Bislang war bekannt, dass bestimmte Formen des Muskelschwunds mit Mutationen im Dysferlin-Gen in Zusammenhang stehen. Dysferlin ist ein Protein, das im Sarkolemm und in zytoplasmatischen Vesikeln auftritt.

Um die Funktion dieses Proteins genauer zu beschreiben, schalteten die Forscher das zugehörige Gen in Mäusen aus. Die Nager mit dem Gendefekt entwickelten sich anders als ihre gesunden Artgenossen: Im Alter von zwei Monaten wiesen sie nekrotische Muskelfasern auf. Nach acht Monaten beobachteten die Wissenschaftler weitere histologische Veränderungen: gespaltene und sich regenerierende Muskelfasern sowie Muskelnekrosen mit einwandernden Makrophagen – Symptome einer langsam fortschreitenden Muskeldystrophie.

Der Blick durch das Mikroskop

Anschließend suchten die Mediziner nach der Ursache für den Muskelschwund der Dysferlin-defizienten Mäuse. Denkbar waren zwei Möglichkeiten: Einerseits könnte der Gendefekt eine destabilisierende Wirkung auf das kontraktile Gewebe ausüben. Bestimmte Varianten der Muskeldystrophie beruhen auf derartigen strukturellen Veränderungen. Doch histologische und funktionelle Analysen der Muskelstruktur konnten die Symptome der gentechnisch veränderten Nager nicht erklären.

Andererseits kam auch ein Defekt der Reparaturmechanismen in Frage. Um dieser Möglichkeit nachzugehen, löcherten die Forscher mit einem Laser die Muskelfasern von gesunden und muskeldystrophen Mäusen. In den gesunden Versuchstieren folgte der Verletzung ein Einstrom von Calcium an der geschädigten Stelle. Dadurch sammelten sich unterhalb der Verletzung zytoplasmatische Vesikel, die dort offensichtlich mit dem Sarkolemm verschmolzen und so die Wunde binnen einer Minute schlossen.

In Dysferlin-defizienten Mäusen hingegen stauten sich die Vesikel unterhalb der Verletzung zwar an, die Fusion mit der Membran blieb allerdings aus. Dysferlin spielt demnach beim Andocken der Bläschen an das Sarkolemm eine wichtige Rolle. Bei den Dysferlin-defizienten Mäusen bleibt dieses Andocken aus, weshalb der Muskel nicht in der Lage war, sich selbst zu reparieren. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher kürzlich im Fachmagazin Nature (Band 423, Seite 168).

„Dysferlin ist der erste identifizierte Baustein in der Membranreparaturmaschinerie des Skelettmuskels“, erläutert Campbell. „Mit diesem Wissen wird man weitere Komponenten des Reparaturmechanismus identifizieren, die möglicherweise der Schlüssel zum Verständnis und zur Diagnose weiterer Muskelkrankheiten sind“.

Muskeldystrophien treten in zahlreichen klinischen Varianten mit unterschiedlichem Verlauf und Schweregrad bei rund 0,3 Promille der Bevölkerung auf. Die Diagnose erfolgt gegenwärtig mit Hilfe von Laborparametern, Biopsien, der Elektromyographie und in zunehmendem Maße auch mit Gentests. Eine ursächliche Therapie degenerativer Muskelkrankheiten ist trotz intensiver Erforschung bisher nicht möglich. Top

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