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Noch immer sind viel zu wenige geimpft

12.08.2002  00:00 Uhr

Pneumokokken

Noch immer sind viel zu wenige geimpft

von Ulrike Wagner, Neu Isenburg

Nur etwa 14 Prozent der Menschen, die von einer Impfung gegen Pneumokokken profitieren würden, sind tatsächlich geimpft. 12.000 Menschen sterben jährlich an einer invasiven Infektion mit den Bakterien. Viele dieser Todesfälle ließen sich durch die Impfung verhindern, hieß es während eines Pressegesprächs von Aventis Pasteur MSD am 7. August.

Berufsverbände und Fachgesellschaften haben sich zum zweiten Mal unter der Schirmherrschaft des Aachener Nationalen Referenzzentrums für Streptokokken (NRZ) zu einem Erfahrungsaustausch in Neu Isenburg getroffen. Ergebnis der ersten Veranstaltung dieser Art im vergangenen Jahr war ein Positionspapier zu Pneumokokken-Erkrankungen. Die Publikation habe maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin die Pneumokokken-Problematik aufgegriffen hat, berichtete Professor Dr. Christel Hülße, Direktorin des Landesgesundheitsamts Mecklenburg-Vorpommern in Rostock.

Auf die Initiative hin sei der gemeinsame Aufruf von Robert-Koch-Institut (RKI) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im vergangenen Spätsommer zurückzuführen, sich neben der Grippeimpfung auch gegen Pneumokokken zu schützen. Auch dass die STIKO neben der Grippeimpfung auch die Pneumokokken-Impfung in den Impfkalender aufgenommen hat, bewertete Hülße als Erfolg des Treffens. Die Pneumokokken-Impfung lässt sich sehr gut mit der Influenza-Impfung kombinieren, da die Risikogruppen fast identisch sind und eine Kombination der Impfstoffe keine zusätzlichen Nebenwirkungen hat.

Impfung ab 50 gefordert

Da die Ergebnisse einer Studie in Mecklenburg-Vorpommern darauf hindeuten, dass bereits ab dem 50. Lebensjahr die Durchseuchung mit Pneumokokken zunimmt, lautet die neue Forderung der Ärzte, die Impfung bereits ab einem Alter von 50 Jahren anzubieten. Dafür sprechen auch die Beobachtungen des NRZ. Das Aachener Zentrum verzeichnete mehr Pneumokokken-Erkrankungen bereits bei den über 50-Jährigen. "Diese beiden Ergebnisse sollten Anlass für die STIKO sein, eine Erweiterung der Impfempfehlung auf alle ab 50 zu diskutieren", so Hülße. Die STIKO sollte auch prüfen, ob die Pneumokokken-Impfung wie die Influenza-Vakzine in Zukunft allen Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen und den sie betreuenden Personen angeraten werden sollte. Für die Erweiterung der Empfehlungen fehlten jedoch noch Daten, räumte Hülße ein.

Die Impfstoffe gegen Pneumokokken (Pneumopur®, Pneumorix®, Pneumovax® oder PNU-Imune®) enthalten Antigene von 23 verschiedenen Serotypen, die für 90 Prozent der invasiven, häufig letalen Pneumokokken-Erkrankungen verantwortlich sind. Die Impfung, die abhängig vom Hersteller für Kinder ab zwei oder drei Jahren sowie für Erwachsene geeignet ist, schützt zu 50 bis 80 Prozent vor invasiven Verlaufsformen der Pneumokokken-Infektion, zu denen bakteriämische Pneumonie, Sepsis und Meningitis zählen. Für nicht-invasive Verlaufsformen wie Lungenentzündung ist die Schutzrate niedriger.

 

Impfempfehlungen Pneumokokken Pneumokokken-Infektionen sind die häufigste durch Impfung vermeidbare Todesursache. Daher empfiehlt die STIKO seit 1983 die Pneumokokken-Impfung für Menschen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko und seit 1998 zusätzlich für alle Personen über 60 Jahre. Zu den Risikogruppen zählen chronisch Kranke mit Leber-, Nieren- Herzleiden, Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes, Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, Krebserkrankungen sowie vor Organtransplantationen und vor Beginn einer immunsuppressiven Behandlung. Die Impfung sollte alle sechs Jahre wiederholt werden.

 

Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der invasiven Pneumokokken-Erkrankungen dramatisch zu. Ältere Menschen haben zudem häufig weitere Morbiditätsfaktoren wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Erkrankungen der Atemwege, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus oder immunologische Störungen, die das Risiko weiter erhöhen. Laut STIKO ist aber nur jeder Siebte mit erhöhtem Erkrankungsrisiko geimpft, in der Gesamtbevölkerung liegt die Impfrate bei etwa 5 Prozent. Die Situation hier zu Lande habe sich zwar in den vergangenen Jahren verbessert, sei aber noch lange nicht zufrieden stellend, hieß es während des Pressegesprächs. Zum Vergleich: In den USA sind mehr als die Hälfte der über 65-Jährigen gegen Pneumokokken geimpft und auch die skandinavischen Länder sind Deutschland in dieser Hinsicht weit voraus.

Knackpunkt ist nicht etwa die viel zitierte Impfmüdigkeit der Bevölkerung. Entscheidender Faktor sind vielmehr die Hausärzte, die ihren Patienten die Impfung zu selten anbieten, so Aventis Pasteur MSD. In einer Querschnittsstudie vom RKI im November vergangenen Jahres waren die über 60-jährigen und chronisch kranken Teilnehmer durchaus bereit, sich impfen zu lassen. Allein durch ärztliche Empfehlung ließen sich Impfraten von 49 Prozent bei diesen Zielgruppen erzielen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Aber auch mit der Aufklärung über die Pneumokokken-Impfung steht es schlecht: Fast zwei Drittel der nicht geimpften Teilnehmer und mehr als die Hälfte der Risikopersonen kennen die Impfung gar nicht.

Dabei sind Pneumokokken die zweithäufigste Ursache bakteriell bedingter Hirnhautentzündungen und stehen mit einer Gesamtsterblichkeitsrate von 23 Prozent an erster Stelle. Bei Personen über 60 Jahren liegt die Rate sogar bei 80 Prozent. Auch Kinder bis zum zweiten Lebensjahr leiden besonders häufig unter invasiven Pneumokokken-Erkrankungen. Für sie steht ein 7-valenter Konjugat-Impfstoff (Prevenar®) zur Verfügung, den die STIKO Kindern mit Grunderkrankungen empfiehlt.

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