Freunde gegen das Ausbrennen |
10.04.2000 00:00 Uhr |
Seelische Störungen spiegeln die jeweilige Zeit wider. Heute leiden Menschen an Flugangst, Zeitgenossen vor 100 Jahren fürchteten sich vor der Fahrt mit einer Dampflok. Die Prävalenz der Störungen ist in den Industrienationen hoch: Fast jeder vierte Deutsche erkrankt irgendwann an einer Angststörung, Panikattacke oder dem Burn-out-Syndrom.
"Das Leiden bei seelischen Krankheiten ist diffus. Manche Patienten haben mehr als 30 Symptome", erläuterte Professor Dr. Volker Faust während der Interpharm in Stuttgart. Nur ein Prozent der Patienten leiden unter wirklichen Geisteskrankheiten wie Schizophrenie oder Psychosen. Wesentlich häufiger seien Angst- und Zwangsstörungen sowie Depressionen.
Angststörung werden zumeist sehr spät erkannt, da sich die Patienten zurückziehen und für ihre Umwelt nicht auffällig sind. Die Symptome sind oft vegetativ. Angstpatienten klagen über weiche Knie, schwindelige Benommenheit und ein allgemeines Schwächegefühl.
Wie Faust berichtete, neigen viele Betroffene zu Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Andere Kranke überkompensieren ihre Angst, indem sie Extremsportarten betreiben oder Abenteuerurlaub machen. Etwa 9 Prozent der Deutschen haben eine behandlungsbedürftige Angststörung.
Primäre Angsterkrankungen lassen sich in Phobien und das generalisierte Angstsyndrom unterteilen. Phobien sind häufig sehr spezifisch; manche lassen sich sehr gut behandeln, etwa die Platzangst. Wie Faust weiter sagte, nehmen in letzter Zeit die posttraumatischen Belastungsstörungen zu. So nennen Psychiater zum Beispiel die Leiden eines Feuerwehrmannes, der den Tod von Brandopfern nicht verhindern konnte.
Behandelt werden Angstkranke mit Verhaltenstherapie, zusätzlich erhalten sie Medikamente. Als sinnvolles Präparat bezeichnete Faust das Phytopharmakon Kava Kava. Ebenfalls belegt sei der Nutzen von SSRI und MAO-A-Hemmern. Nur bedingt empfiehlt der Psychiater dagegen Benzodiazepine und Neuroleptika. Flüssige Benzodiazepine hätten ihre Berechtigung lediglich bei akuten Panikattacken.
Immer mehr Menschen sind von einer anderen seelischen Störung, dem Burn-out-Syndrom betroffen. "Das ist eine psychosoziale Seuche", sagt Faust. Betroffen sind Menschen, die über ihre Leistungsgrenze gehen. Sie fühlen sich erschöpft, verbittert und ausgebrannt. Die Symptomatik tritt aber nicht nur während der Arbeit auf. Auch in der Freizeit können sie sich nicht mehr erholen. Die Konsequenz sind starke Stimmungsschwankungen.
Im weiteren Verlauf des Syndroms macht sich beim Ausgebrannten Resignation breit. Sein Engagement bei der Arbeit lässt nach. Am Ende flüchtet er sich in Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Gleichzeitig tauchen im privaten Bereich Probleme auf.
Am Beginn der Behandlung des Burn-out-Syndroms sollte laut Faust eine persönliche Situationsanalyse stehen. Der Patient müsse erkunden, was ihm fehlt und was er ändern kann. Danach sollte er lernen seine Kräfte besser einzuteilen und nicht direkt eine Arbeit unter Volldampf zu beginnen. Faust: "Energie muss man zuteilen, nicht unkontrolliert verbrennen."
Zur Prävention des Burn-out-Syndroms empfiehlt der Experte eine gesunde Lebensführung mit ausreichend Schlaf, Hobbies und Kontakt zu Freunden. Ratsam sei es auch, Entspannungstechniken zu lernen und zwar "bevor man sie braucht".
© 2000 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de