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Mangel ist schwer zu diagnostizieren

31.01.2005  00:00 Uhr
Mengen- und Spurenelemente

Mangel ist schwer zu diagnostizieren

von Margarete Rükgauer, Stuttgart

Tests in Blut, Serum, Urin oder gar in Gewebe- oder Haarproben? Eine Unterversorgung von Mengen- und Spurenelementen zu erkennen, ist äußerst schwierig und gelingt in der Regel erst bei einem ausgeprägten Mangel.

Bei vielen klinisch-chemischen Parametern, zum Beispiel Glucose oder Cholesterol, spiegelt der Gehalt im Blut die Prozesse in den Organen sehr gut wider. Dies gilt jedoch für Mengen- und Spurenelemente nur beschränkt. Denn ihre Plasmakonzentration ist zumeist sehr gering und der Organismus hält sie über regulierbare Resorptions- und Eliminationsraten in Darm und Niere sowie über Austauschmechanismen zwischen Extra- und Intrazellulärraum möglichst konstant.

Dennoch wird der Versorgungsstatus der essenziellen Elemente zumeist durch die Bestimmung ihrer Konzentration im Serum oder Plasma ermittelt. Erniedrigt sind diese Werte in der Regel aber nur in klinischen Mangelsituationen, das heißt, wenn ihre Speicher erschöpft sind. Als Untersuchungsmaterialien kommen theoretisch auch Organzellen in Betracht. Die Probennahme von Geweben ist jedoch invasiv, damit schmerzhaft und ethisch kaum zu vertreten. Zudem sind die Messwerte im Gewebe nur eingeschränkt vergleichbar, da Abnahmetechnik und histologische Zusammensetzung der Probe stark variieren können und eine Punktion daher schwer standardisierbar ist.

Mit Ausnahme der Jodbestimmung ist auch die Konzentration im Urin zur individuellen Diagnose einer Mangelversorgung ungeeignet. Denn bei einer niedrigen Ausscheidung können selbst erfahrene Analytiker nicht zwischen einer chronischen Unterversorgung und einer verminderten aktuellen Aufnahme eines Elements unterscheiden. Zudem ist umgekehrt zum Beispiel eine hohe Zinkausscheidung im Urin trotz Zinkmangel möglich. Hilfreich kann die renale Elimination jedoch bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen sein – als Maß für eine Belastung mit toxischen Schwermetallen wie Aluminium, Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber.

Auch der Gehalt in Nägeln, Tränen, Speichel oder Haaren besitzt nur in der Toxikologie oder in der forensischen Medizin eine gewisse Aussagekraft. Besonders schwierig ist es, die Ergebnisse von Haaranalysen zu bewerten. Denn die Aufnahme essenzieller Spurenelemente in Haare und Nägel hängt vom ihrem Gehalt im Serum ab, der den Körperbestand nur unvollständig widerspiegelt. Weitere Unsicherheitsfaktoren bilden der unterschiedliche Aufbau und Stoffwechsel des Haares, nachträgliche Ablagerungen aus Umwelt und Pflegeprodukten und Verunreinigungen der porösen Haarproben bei der Probenaufarbeitung. Darüber hinaus beeinträchtigen analytische Probleme den Informationsgehalt einer Haarmineralanalyse, selbst wenn zur Bestimmung des Elementgehalts nachweisstarke Verfahren eingesetzt werden.

Genaue Informationen über Bioverfügbarkeit, Essentialität und Toxizität von Elementen könnte man über Speziesanalytik im Plasma gewinnen, das heißt, einer Analyse der Elemente nach ihren Oxidationsstufen oder Bindungsformen (Spezies). Diese Technik setzt aber aufwändige Trennverfahren voraus und ist vorerst nur wenigen Forschungslaboratorien vorenthalten.

Methoden der Wahl

Um den Versorgungsstatus essenzieller Spurenelemente effektiv zu beurteilen, kann ihr Gehalt in Blutzellen, etwa Leukozyten, analysiert werden. Allerdings ist diese Methode sehr zeit- und damit kostenintensiv. Zumeist werden die Analysen etwa von Selen, Zink oder Chrom daher doch im Serum- oder Plasma durchgeführt, wobei die Ergebnisse unter Einbezug aller persönlichen, physiologischen und kurzfristigen Faktoren bewertet werden müssen (Tabelle). Die Einflüsse auf die Kupferwerte sind hingegen so gravierend, dass die Bewertung der Konzentration im Serum oder Plasma nicht möglich ist. Für das Mengenelement Calcium ist die ionisierte physiologisch aktive Form häufig die bessere Messgröße bei klinischen Fragestellungen als die Plasmawerte für das Gesamtcalcium. Wenn keine pathologischen Gesamteiweiß-Konzentrationen oder Fettstoffwechselstörungen vorliegen, sind Informationen über das Gesamtcalcium im Plasma gleichwertig. Um eine Magnesiumunterversorgung zu erkennen, kann man Serum oder Plasma verwenden, wenn ein Pseudo-Magnesiummangel durch Messung des ionisierten Magnesiums oder der Albuminkonzentration ausgeschlossen wird. Bessere Parameter für den Eisenstatus als der von vielen Faktoren abhängige Serumeisengehalt sind die Transferrinsättigung und die Ferritinkonzentration im Serum, wobei die Spiegel des Transport- und Speicherprotein für Eisen als Messwerte dienen. Da 70 Prozent des Körpereisenbestandes im Hämoglobin gebunden sind, gestattet auch die Hämoglobinkonzentration im Vollblut direkte Rückschlüsse auf die Eisenversorgung. Eine Information über den Jodstatus liefert vor allem die tägliche, durch die Niere eliminierte Jodidmenge.

Supplemente auf Verdacht

Ein ausgeprägter Mineralstoff- und Spurenelementmangel bei normaler Ernährung ist in Mitteleuropa selten. Eine leichte anhaltende Unterversorgung aber ist diagnostisch schwer zugänglich, denn Veränderungen der Elemente im Blut können zumeist erst dann erkannt werden, wenn bereits erste klinische Mangelzustände auftreten. Selbst eine geringfügige Mangelversorgung über Jahre kann zu allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit, Hautveränderungen, Geschmacks- und Geruchsstörungen, Gewichtsverlust, Wundheilungsstörungen, Infektanfälligkeit, Haarausfall und Durchfällen bis hin zu schweren chronischen Erkrankungen führen. Nahe liegt daher, probeweise entsprechende Supplemente zur Therapie oder Prävention eines Elementmangels über vier bis sechs Wochen einzunehmen und die Auswirkung auf die Gesundheit zu beobachten.

Prinzipiell besteht der Verdacht auf eine unzureichende Versorgung an Mineralstoffen und Spurenelementen bei einer verminderten diätetischen Zufuhr, wie bei Fastenkuren oder bei der häufig unzureichenden Versorgung bei Senioren, sowie bei einem erhöhter Bedarf oder dem Verlust über die Niere. Weitere Ursachen für einen Mangel können genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen sein sowie beeinflussende medikamentöse Therapieformen. Auch eine unkontrollierte Supplementation eines einzelnen Elements kann eine Mangelversorgung zur Folge haben. So führen etwa bei Kupfer und Zink Interaktionen bei der Resorption zur Hemmung der Aufnahme eines der Elemente, wenn das jeweils andere in hoher Dosierung zugeführt wird.

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