Medizin
Konzepte gegen die Angst
Angst ist in unserer Gesellschaft
weit verbreitet: Rund 18 Prozent der Bevölkerung leiden
an einer Angststörung. Phobien machen den größten
Anteil aus. Aber auch die generalisierte Angst ist mit
einer Lebenszeitprävalenz von rund 5 Prozent sehr
häufig. Es handelt sich um eine Störung, die der
Behandlung nur schwer zugänglich ist, die oft chronisch
verläuft und zudem in den Arztpraxen oft nicht richtig
diagnostiziert wird.
Neue Konzepte gegen die Angst stellten
Fachärzte beim Kongreß der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychologie und Nervenheilkunde (DGPPN) in
Düsseldorf vor. Danach hat die Psychopharmakotherapie
einen zentralen Stellenwert. Sie muß so Dr. Dr. Reinhard
J. Boerner von der Psychiatrischen Universitätsklinik
München eingebettet sein in ein integratives
Behandlungskonzept, das auch eine Psychotherapie, am
besten eine Verhaltenstherapie, umfaßt.
Für die Behandlung akuter Angstsyndrome empfahlen die
Mediziner die Gabe von schnell wirkenden Benzodiazepinen.
Auf Dauer sollten diese Medikamente wegen ihres
Abhängigkeitspotentials allerdings nicht gegeben werden.
Für die Langzeitbehandlung rät Professor Dr. Karl
Rickels, Universität von Philadelphia/USA, eher zu
Buspiron. In verschiedenen klinischen Studien wurde die
anxiolytische Wirksamkeit des Serotoninagonisten belegt,
Gewöhnung oder gar die Entwicklung einer Abhängigkeit
wurde nicht registriert.
Buspiron entfaltet seine volle Wirksamkeit allerdings
erst nach einigen Wochen, so daß es sich nach Rickels
nicht für die Behandlung akuter Angstzustände eignet.
Anders bei der chronischen generalisierten Angst. Hier
hat der Serotoninagonist augenscheinlich diverse
Vorteile, da weder ein Abhängigkeitspotential noch
Reboundphänomene, wie sie für Benzodiazepine typisch
sind, beobachtet werden. Solche Phänomene können beim
Absetzen der Benzodiazepine die ursprüngliche
Symptomatik wiederaufleben lassen und so die
Notwendigkeit einer weiteren Behandlung vortäuschen.
Anders bei Buspiron: Die Einnahme kann beendet werden
ohne Rebound. "Das erlaubt den Patienten auch
'Ferien von der Medikation', um zu testen, ob eine solche
überhaupt noch nötig ist", so Rickels. Dies
scheint nach einer Behandlung mit Buspiron
wahrscheinlicher zu sein, als nach einer Therapie mit
Benzodiazepinen. Denn die Patienten sind nach Rickels
dann offensichtlich eher in der Lage, selbst
Bewältigungstrategien zu erarbeiten.
Vorsichtig sollte der Arzt beim Umstellen der Patienten
von einem Benzodiazepin auf Buspiron sein, denn
Entzugssymptome sind praktisch unvermeidbar. Es ist
ratsam, zunächst für vier Wochen mit der Buspirongabe
zu beginnen und danach das Benzodiazepin langsam
auszuschleichen, um so die zwangsläufig auftretenden
Nebeneffekte des Wirkstoffentzugs gering zu halten.
PZ-Artikel von Christine Vetter, Düsseldorf
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