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Prognosen zu pessimistisch

21.10.2002  00:00 Uhr
Krebs

Prognosen zu pessimistisch

von Christian Wetzler, Mainz

Durch bessere Früherkennungsmethoden und Therapien ist die Lebenserwartung von Krebspatienten in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die bisherigen Schätzungen berücksichtigen dies jedoch nicht, so Hermann Brenner vom Deutschen Zentrum für Alternsforschung in Heidelberg. Aktualisierte Zahlen versprechen den Patienten deutlich höhere Überlebenschancen.

Die statistische Erhebung, die der Heidelberger Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Lancet (Band 360, Seite 1131) präsentiert, dürfte Ärzten und Patienten Mut machen. Nach neuen Berechnungen leben 20 Jahre nach einer Krebserkrankung im Schnitt noch 51 Prozent der Patienten, nach den bislang verwendeten Daten waren es lediglich 40 Prozent. Weniger deutlich fällt der Unterschied für kürzere Perioden aus: Innerhalb von zehn Jahren nach der Erkrankung steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit von 50 auf 57 Prozent, innerhalb von fünf Jahren von 62 auf 63 Prozent.

Für seine Berechnungen nutzte Brenner Daten aus dem Krebsregister des US-amerikanischen National Cancer Institute (NCI), das insgesamt 24 Millionen Krebserkrankungen zwischen 1973 und 1998 umfasst. Der Wissenschaftler zog zur statischen Auswertung die so genannte Periodenanalyse heran, die eine vergleichsweise aktuelle Schätzung der Überlebenschancen von Krebspatienten erlaubt. Die herkömmliche Kohortenanalyse bezieht auch Daten in die Prognose ein, die viele Jahre zurückliegen. Dadurch entstehen fehlerhafte Überlebensraten, schreibt Brenner. Kürzlich haben Wissenschaftler nachweisen können, dass die Periodenanalyse besonders bei längeren Zeiträumen die weitaus genaueren Prognosen erlaubt.

Periodenanalyse optimistischer

Brenner hat nun mit Hilfe der Periodenanalyse die Überlebensraten bei Krebspatienten neu berechnet. Da diese Methode die Fortschritte in der medizinischen Versorgung stärker gewichtet, fallen seine Schätzungen optimistischer aus als die bislang geltenden Zahlen. So ergeben sich nach der Periodenanalyse für die meisten Krebsformen deutlich höhere Überlebensraten. 20 Jahre nach Diagnose leben rund 90 Prozent der Menschen mit Schilddrüsenkrebs und Hodenkrebs. Bei über 80 Prozent liegt die Rate für Melanome und Prostatakrebs. Besonders deutlich erweisen sich die Unterschiede bei Brustkrebs: Mit Hilfe der Periodenanalyse ergibt sich eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 65 Prozent anstatt 52 Prozent.

Die Gründe für die höhere Langzeit-Überlebensrate liegen auf der Hand. Im Fall von Prostatakrebs scheint die Früherkennung eine wichtige Rolle zu spielen. Andere Krebsformen, wie Hodenkrebs und das Lymphogranulom, lassen sich mittlerweile deutlich besser behandeln. Bei Brustkrebs habe man sowohl bei der Früherkennung als auch bei der Therapie entscheidende Fortschritte erzielt, so Brenner.

Im Gegensatz dazu berechnen sich nach der Periodenanalyse für Krebsformen mit schlechter Prognose, wie Leber-, Pankreas- und Ösophaguskarzinom, nur unbedeutend höhere Überlebenswahrscheinlichkeiten. Bei Lungenkrebs führt das neue statistische Verfahren zu unverändert pessimistischen Prognosen: Nach der Diagnose überleben nur 7 Prozent der Betroffenen die folgenden 20 Jahre. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Forscher hier keinen therapeutischen Durchbruch erzielt haben. Folglich unterscheiden sich die durch Kohortenanalyse und Periodenanalyse ermittelten Raten kaum, erklärt Brenner.  Top

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