Pharmazeutische Zeitung online

Gehirn-Training hilft Legasthenikern

28.08.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Gehirn-Training hilft Legasthenikern

von Ulrike Wagner, Eschborn

Durch zehn Minuten tägliches Training über drei bis sechs Wochen können Legastheniker Entwicklungsstörungen aufholen. Die dafür erforderlichen Geräte haben Wissenschaftler an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entwickelt. "Kinder sind zumindest zu Beginn des Trainings begeistert, weil es an ein Computerspiel erinnert", erklärt Professor Dr. Burkhart Fischer von der Arbeitsgemeinschaft Hirnforschung.

Vor dem Training steht jedoch die Diagnose. Die Freiburger Gruppe hat in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover Verfahren und Geräte entwickelt, mit denen sie Hör-, Seh- und Blickfunktionen testen kann. 50 Prozent aller Legastheniker haben Probleme beim Sehen und Hören, so Fischer. Sie können zum Beispiel Töne unterschiedlicher Höhe oder unterschiedlicher Stärke sehr viel schlechter unterscheiden als nicht Betroffene. Beim Sehen haben sie Probleme der Blicksteuerung. Diese Ergebnisse lieferten Tests mit etwa 1400 Personen, darunter 600 Legasthenikern.

Lesen und Schreiben zu lernen, stellt sehr hohe Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Nötig sind dafür nicht nur gesunde Sinnesorgane, sondern auch eine fehlerfreie Verarbeitung der eintreffenden Informationen im Gehirn. Dazu gehört unter anderem die präzise Unterscheidung von Lauteigenschaften, genaues dynamisches Sehen und eine zuverlässige Blicksteuerung. Auch bei gesunden Sinnesorganen können hierbei im Gehirn Fehler oder Entwicklungsrückstände auftreten und zu Lernstörungen wie Legasthenie führen.

Eltern müssen mit ihren Kindern, die unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leiden, jedoch nicht unbedingt die Uni Freiburg aufsuchen. Wenn ein geeigneter Raum zur Verfügung steht und mindestens acht Kinder untersucht werden sollen, können die Tests auch in anderen Städten gemacht werden. Unter der Bezeichnung BlickMobil sind mehrere Standorte in ganz Deutschland bereits eingerichtet. Dort finden regelmäßig Testtage statt. Die genaue Diagnose ist ein Muss, denn unterschiedliche Trainingsvarianten fördern verschiedene Aspekte der Blicksteuerung beziehungsweise des Hörens. Durch falsches Training kann sich die Situation sogar verschlimmern.

Nach der Diagnose erhält jedes Kind ein individuelles Trainingsprogramm. Dazu benötigen die Kinder das von den Freiburgern entwickelte Gerät FixTrain, das Eltern bei der Uni Freiburg bestellen können. Es verfügt über einen Speicher, der ein Trainingsprotokoll aufzeichnet, um anschließend den Erfolg und die Regelmäßigkeit des Trainings beurteilen zu können. Die Erfolgsquote betrage bei Legasthenikern 80 Prozent und der Effekt halte lang, vermutlich dauerhaft an. "Das Training ersetzt allerdings nicht das Lesen lernen", betonte Fischer. Es schaffe jedoch die Voraussetzungen dafür. Eine Altersbegrenzung für das Training gibt es nicht. "Dafür ist es nie zu spät", sagte Fischer. "Die Diagnostik greift bei Menschen im Alter von sieben bis 70 Jahren." Damit Kinder in der Schule allerdings nicht zu sehr zurückfallen, sollten sie möglichst früh mit dem Training beginnen, spätestens in der vierten Klasse.

Nicht nur Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche zeigen Störungen bei der Entwicklung ihrer Seh- und Hörfunktionen, auch Kinder mit Aufmerksamkeitsdefiziten und hyperaktive Kinder schneiden bei den Tests deutlich schlechter ab als ihre Altersgenossen. Ähnliche Probleme bei der Verarbeitung von Informationen im Gehirn haben auch Kinder nach bestimmten Erkrankungen, Unfällen und Kinder mit schweren Entwicklungsstörungen.

Da sich die Beratungsstelle selbst finanzieren muss, kann die Universität die Untersuchungen nicht kostenfrei anbieten. Private Krankenkassen erstatten die Kosten in der Regel. Mit gesetzlichen Kassen kann das Blicklabor nicht abrechnen. Es besteht allerdings eine Kann-Vorschrift zur Erstattung in besonders begründeten Fällen. Das komplette Untersuchungsprogramm inklusive umfangreicher Legasthenie-Diagnose kostet zwischen 400 und 600 DM. Die Arbeitsgruppe versucht derzeit zu erreichen, dass die Krankenkassen die Untersuchung und das Training generell bezahlen.

Weitere Informationen zu den Tests liefert die Homepage der Universität Freiburg unter http://www.brain.uni-freiburg.de/fischer/bbl/ oder www.optom.de. Dort können sich Interessierte auch über OptoMobil informieren und auf einer Landkarte herausfinden, wo sich das zum Wohnort nächste Messgerät befindet. Wer keinen Zugang zum Internet hat, erhält die Informationen auch telefonisch vom Blicklabor der Uni Freiburg unter 0761/203-9536.

Legasthenie

Legasthenie gilt als umschriebene Entwicklungsstörung der Lese-Rechtschreib-Fertigkeiten bei normal entwickelter Intelligenz. Ein Kind gilt dann als legasthen, wenn es beim Lesen oder der Rechtschreibung deutlich schlechter ist als die (nichtsprachliche) Intelligenz es vermuten lässt. Legasthenie zeigt sich in der Regel deutlich zwischen dem zweiten und vierten Schuljahr. 80 Prozent der Legastheniker sind männlich.

Top

© 2000 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa