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Fliegenmade als Saubermann für die Wunde

Datum 02.08.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Fliegenmade als Saubermann
für die Wunde

von Norbert Marxer, Heidelberg

Was auf den ersten Blick wie ein makabrer Scherz im Zuge von Kostendämpfungsmaßnahmen im Gesundheitswesen aussieht, steht durchaus auf rationalem Boden. Es handelt sich um die Abtragung abgestorbenen Gewebes durch steril gezüchtete Larven der Spezies Lucilia sericata, einer Wundbehandlung, die seit 1995 in Großbritannien und nun auch in Deutschland versuchsweise eingesetzt wird.

Der heilsame Effekt von Fliegenmaden in infizierten Kriegswunden war Feldchirurgen bereits in früheren Jahrhunderten bekannt. Die Wunden heilten schneller und die Erkrankten entwickelten seltener Fieber. Nach Einsatz im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und im Ersten Weltkrieg wurde die Verwendung von Fliegenmaden in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts durch den an der John Hopkins Medical School lehrenden Chirurgen Baer propagiert. Vor allem in den Vereinigten Staaten fand daraufhin die Behandlung chronischer oder infizierter Wunden mit Lucilia sericata, die in großem Umfang durch die Firma Lederle produziert wurden, weite Verbreitung. Mit Beginn der antibiotischen Ära in den vierziger Jahren wurde die Madentherapie verlassen, erlebt aber seit wenigen Jahren als "Biochirurgie" eine gewisse Renaissance.

Larvensekret baut nekrotisches Gewebe ab

Die Fliegenlarven der Spezies Lucilia sericata sind vor Anwendung zwei bis drei Millimeter groß. Nach Einbringen in die Wunde geben sie ein Sekret ab, das proteolytische Enzyme enthält; diese bauen totes Gewebe zu einer halbflüssigen Form ab, die den Larven als Nahrung dient. Gesundes Gewebe wird nicht betroffen. Nach spätestens fünf Tagen, in denen das Verdauungssekret schorfiges und nekrotisches Gewebe abgetragen hat, sind die Larven auf acht bis zehn Millimeter angewachsen.

Typische Indikationen für die Biochirurgen sind Unterschenkelgeschwüre, diabetische Wunden an den Füßen und Nekrosen bei Durchblutungsstörungen. Kontraindiziert sind sie bei Wunden, die leicht zu Blutungen neigen, die mit Körperhöhlen oder inneren Organen in Verbindung stehen oder bei denen ein operativ-chirurgisches Vorgehen erforderlich ist.

Die Vorteile der Larventherapie bestehen in der raschen Reinigung von nekrotischen und schmierig belegten Wunden, der Reduktion von Gerüchen, die durch proteolytische Bakterien gebildet werden, und dem Zurückdrängen von Wundinfektionen. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass Fliegenlarven in Wunden vorkommende antibiotikaresistente Bakterien, darunter auch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), eliminieren können.

Klinische Forschung mit Fliegenlarven wird in Großbritannien am "Surgical Material Testing Laboratory" des Princess of Wales Hospital in Bridgend (http://www.smtl.co.uk) betrieben. Eine randomisierte klinische Studie, die deren Effektivität bei der Behandlung nekrotischer Wunden im Vergleich zu konventionellen Behandlungen untersucht, wurde bereits begonnen.

Praktisches Vorgehen

Für die Therapie wird der Wundrand mit einem entsprechend der Wundoberfläche zugeschnittenen Hydrokolloidverband beklebt. Dies verhindert den möglichen Juckreiz der Larven auf intakter Haut und dient zum anderen als Abstandhalter, damit die Maden nicht durch die Abdeckung zerdrückt werden. Die Larven werden mit isotoner Kochsalzlösung suspendiert und auf eine Lage aus einem engmaschigen Netz und darunterliegender steriler Kompresse gegossen, wo sie abfiltriert werden. Pro Quadratzentimeter Wundoberfläche werden zwischen fünf und zehn Larven verwendet.

Das Netz wird aufgenommen und so auf den Hydrokolloidverband geklebt, dass sich die Larven zwischen Wundoberfläche und Netz befinden. Sie sind dann in einem luftigen Käfig eingeschlossen. Die Wunde wird abschließend mit einigen lockeren und luftdurchlässigen Mullschichten bedeckt, die Sekret aufnehmen sollen. Der Verband wird durch Pflasterstreifen oder eine Mullbinde locker fixiert. Nach drei bis vier Tagen werden der äußere Verband mit Netz und Hydrokolloidverband entfernt, die Larven mit isotoner Kochsalzlösung von der Wunde abgespült oder mit einer Pinzette entfernt.

Bis zum Behandlungserfolg, der sich an dem Erscheinen von rosarotem Granulationsgewebe erkennen läßt, sind durchschnittlich etwa drei Verbandswechsel erforderlich. Ein deutlicher Indikator für das Therapieende ist das Absterben der Larven in der Wunde. Die Larven finden nur noch gesundes Gewebe vor, von dem sie sich jedoch nicht mehr ernähren können.

In Deutschland werden steril gezüchtete Fliegenlarven von Lucilia sericata von der Firma BioMonde, Hamburg, angeboten. Ein Behälter mit rund 200 Stück kostet 115 DM. Die Larven können, wenn sie nicht sofort zu Anwendung kommen, im Kühlschrank 48 Stunden gelagert werden.

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