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Apotheker sind einbezogen

25.07.2005  00:00 Uhr
Pandemieplan

Apotheker sind einbezogen

von Conny Becker, Berlin

Seit diesem Jahr steht für Deutschland ein nationaler Influenzapandemieplan zur Verfügung, der das Vorgehen bei einer Grippepandemie regelt. Über die geplante Versorgung mit Virustatika sprach die PZ mit Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie bei der ABDA ­ Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

PZ: Im Pandemieplan ist vorgesehen, dass bei Ausbruch einer Pandemie Risikogruppen, medizinisches Personal und Personen der öffentlichen Ordnung bis zum Vorhandensein eines Impfstoffes mit antiviralen Substanzen behandelt werden sollen. Welche Rolle spielen die Apotheker bei der Versorgung?

Eckert-Lill: Im Pandemiefall soll die Versorgung mit Neuraminidasehemmern über die Regelversorgung erfolgen, das heißt, die Apotheken sind hier eingebunden. Wir haben in den vergangenen Wochen Gespräche mit dem BMGS geführt, bei denen auch Ländervertreter anwesend waren. Denn die Umsetzung des Pandemieplans fällt unter den Katastrophenschutz und der ist Ländersache. Daher sind auch die jeweiligen Kammern einbezogen.

PZ: Vor etwa zwei Wochen haben die Länder die Grippemittel Tamiflu® und Relenza® sowie reines Oseltamivir-Pulver bei den Herstellern bestellt. Gibt es bereits konkrete Pläne, wie die Versorgung aussehen wird?

Eckert-Lill: Nein, derzeit werden noch mögliche Szenarien diskutiert. Für die Lagerung der Substanzen sind die Länder zuständig. Oseltamivir-Pulver wird in Großgebinden für jeweils 7000 Therapieeinheiten geliefert, aus denen bei Ausrufen einer Pandemie in den Apotheken Lösungen hergestellt werden sollen. Die Länder haben jedoch noch nicht entschieden, ob diese Gebinde vollständig in bestimmten Apotheken verarbeitet oder vorab in kleinere Einheiten abgefüllt werden sollen, die dann an die Apotheken verteilt werden. Jedes Bundesland kann hier seinen eigenen Weg gehen, eine Entscheidung erwarten wir erst Ende des Sommers.

PZ: An der Umsetzung arbeiten Bundes- und Landesapothekerkammern mit?

Eckert-Lill: Ja, wir bringen uns hier mit ein. Der Versorgungsauftrag der Apotheke hört ja nicht auf, wenn der Pandemiefall einsetzt. Gerade da können wir uns unter Beweis stellen, denn das kann der Versandhandel nicht leisten. Wir werden in den nächsten Wochen mögliche Szenarien entwickeln, die dann mit den Kammern und Länderbehörden abgestimmt werden.

PZ: Wie könnte die Versorgung mit den Virustatika aussehen?

Eckert-Lill: Hier sind zwei grundsätzliche Modelle denkbar, die von den Ländern unterschiedlich favorisiert werden. So ist es möglich, dass eine Apotheke, die für die Herstellung größerer Mengen ausgerüstet ist, die 7000 Therapieeinheiten sukzessive verarbeitet und daraus Lösungen herstellt und diese dann auch an andere Apotheken verteilt werden. Hierfür gibt es eine Ausnahmeregelung in der 14. AMG-Novelle für den Pandemiefall.

Alternativ ist es möglich, dass die Großgebinde etwa durch einen Lohnhersteller in kleinere Gebinde abgefüllt werden und dann alle Apotheken in dem betroffenen Gebiet mit diesen versorgt werden und daraus Lösungen herstellen. Dieses Modell hat den Vorteil der schnelleren Versorgung der Patienten.

PZ: Könnte jede Apotheke im Pandemiegebiet Lösungen auf Vorrat herstellen?

Eckert-Lill: Ja. Im Kühlschrank hat die fertige Lösung eine Haltbarkeit von sechs, bei Raumtemperatur von drei Wochen. Das spielt jedoch nur für die Vorratshaltung in der Apotheke eine Rolle. Der Patient muss die Lösung innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome einnehmen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

PZ: Die Länder bevorraten nur für einen Teil der Bevölkerung. Wie soll geregelt werden, dass nur diejenigen Virustatika erhalten, die einen Anspruch darauf haben?

Eckert-Lill: Diese Frage ist noch nicht geklärt. Vorgesehen ist die Verordnung der Neuraminidasehemmer nur zur Therapie, nicht zur Prophylaxe. Nach dem nationalen Pandemieplan ist auch eine Priorisierung der Verordnungen andiskutiert. Dies widerspricht aber ärztlichem Berufsrecht. Die Ärzte müssen jeden Patienten adäquat behandeln.

PZ: Sind auch die Gesundheitsämter einbezogen?

Eckert-Lill: Möglicherweise läuft die Versorgung der Patienten, die im öffentlichen Gesundheitswesen oder im Bereich der öffentlichen Ordnung beschäftigt sind, nicht über die Apotheke. Damit könnten die Länder die einzelnen Arzneimittelkontingente klarer trennen.

PZ: Auch wenn die Länder Medienberichten zufolge 85 Millionen Euro ausgegeben haben, stünden längst nicht allen Anspruchberechtigten die Arzneimittel zur Verfügung.

Eckert-Lill: Die Länder stehen vor dem Problem, dass sie sich mit großem finanziellen Aufwand auf eine Situation vorbereiten müssen, von der wir uns nicht vorstellen können, wie sie sein wird. Auch wenn es nach Expertenmeinung nur eine Frage der Zeit ist, wann die Influenzapandemie kommt, kann es sein, dass der Fall nicht eintritt und die eingelagerten Arzneimittel verfallen. Hier mussten die Länder sorgfältig abwägen. Man muss aber auch sehen, dass die Produktionskapazitäten begrenzt sind und andere Staaten ebenfalls über eine Bevorratung diskutiert haben.

PZ: Mit Hilfe der Neuraminidasehemmer soll eigentlich nur die Zeit bis zum Vorhandensein eines Impfstoffs überbrückt werden. Wie schnell wird dieser verfügbar sein?

Eckert-Lill: Fachleute gehen davon aus, dass unter optimalen Bedingungen frühestens drei Monate nach Ausbruch der Pandemie ein Impfstoff zur Verfügung steht. Damit könnte die zweite Influenzawelle, wie sie bisher immer wieder beobachtet worden ist, abgemildert werden.

Die Apotheker sollten jedoch im Herbst in jedem Fall dazu aufrufen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Denn wenn die Nachfrage erhöht ist, werden die Hersteller eventuell ihre Produktionskapazitäten ausweiten. Und diese stünden dann auch für die Herstellung des pandemischen Grippeimpfstoffs zur Verfügung. Bislang reichen sie nämlich nicht aus, um die ganze Bevölkerung durchimpfen zu können. Top

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