Dicke Kinder sind kein Zufall |
14.07.2003 00:00 Uhr |
Die Kinder in Deutschland werden wie auch in anderen Industrieländern immer dicker. Wie dem entgegenzuwirken ist, diskutierten Experten auf dem Kongress „Kinder und Ernährung“ in Berlin.
Die Zahl dicker Kinder steigt. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland bringen Kinder immer mehr Gewicht auf die Waage. Mittlerweile ist jedes sechste Kind und jeder dritte Jugendliche hier zu Lande zu schwer.
Das Verbraucherministerium hat sich in den kommenden Jahren zur Aufgabe gemacht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Mit dem Themenschwerpunkt „Kinder und Ernährung“ fand vergangene Woche in Berlin ein Kongress statt, gemeinsam veranstaltet vom Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.
Ziel seien gesunde Kinder, die fit ins Leben starten, so Verbraucherministerin Renate Künast. „Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, ihnen dafür die besten Chancen zu bieten.“ Denn Übergewicht ist nicht nur ein ästhetisches Problem, gesundheitliche und psychische Folgeschäden sind fast unvermeidbar.
Ausgrenzung vermeiden
Wer etwa als dickes Kind ausgegrenzt, gar als Dickwanst oder Fettklops beschimpft wird, erleidet mit Sicherheit Kratzer auf der Kinderseele. Zudem haben übergewichtige Kinder ein stark erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes: Bei fettsüchtigen Kindern steigt die Gefahr um das 40fache. Ebenso geht der Blutdruck in die Höhe, kardiovaskuläre Erkrankungen können die Folge sein.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, muss frühzeitig von zwei Seiten gegengesteuert werden, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist eine wichtige Voraussetzung für ein normales Gewicht. Viele Kinder essen nicht nur zu viel, sondern auch zu fett, zu süß und zu salzig. Gefördert durch veränderte Essgewohnheiten – etwa das Fehlen gemeinsamer Mahlzeiten in der Familie – greifen auch Kinder immer häufiger nach kalorienreicher, ungesunder Nahrung. Die größte Verantwortung tragen hierbei die Eltern, die das Essverhalten der Kinder als Vorbilder entscheidend mitprägen. Mit zunehmenden Alter gewinnen Schule und Freunde jedoch an Einfluss. Und so sollen nach Künasts Überlegung die neu einzurichtenden 10.000 Ganztagsschulen eine verbesserte Ernährungserziehung, gesündere Verpflegung und mehr Bewegung gewährleisten.
Denn die zweite Hauptursache für die steigende Zahl übergewichtiger Kinder ist mangelnde Bewegung. Immer weniger Zeit verbringen Kinder heute spielend im Freien. Stattdessen sitzen sie stundenlang vor Fernseher und Computer und greifen dabei gedankenverloren in Chips- oder Gummibärchentüten.
Kaum Raum zum Toben
Neben dem mangelnden Sportangebot in Schule und Kindergarten fehlt Kindern in der Stadt zumeist auch die gefahrenfreie Spielfläche, fern von Autos, Glasscherben und frei laufenden Hunden. Unsichere Straßen und fehlende Fahrradwege tragen ein Übriges zum Bewegungsmangel bei. Gegensteuern könnte man, wenn zum Beispiel Sport- und Freizeitsportanlagen auch außerhalb der regulären Schulzeit geöffnet wären und den Kindern in Ganztagsschulen ein großzügigeres Bewegungsprogramm angeboten würde. Außerdem müsste die Umgebung für Kinder sicherer gestaltet und letztlich mehr Platz für Bewegung und Grünflächen geschaffen werden.
Wünschenswert wäre auch eine Einschränkung der Werbung für energiedichte, fettreiche Nahrung in Kinderprogrammen. Dies lässt sich sicher nur durch gesellschaftlichen Druck auf Grund veränderter Wahrnehmung beeinflussen. Geplant ist bereits eine generelle Etikettierung der Nahrungsmittel durch Angabe des Energie-, Fett, Protein- und Salzgehalts auf jedem Produkt.
Erziehung und Aufklärung über gesunde Ernährung und Bewegung sollte bereits in Kindergarten und Schule einsetzen. Die wichtigste Aufgabe fällt jedoch den Eltern zu. Ihnen muss deutlich werden, dass sie auch in diesem Bereich eine große Verantwortung für ihre Kinder tragen und die spätere Entstehung gesundheitlicher Probleme entscheidend mit beeinflussen.
Da Übergewicht überdurchschnittlich häufig in sozial schwachen und türkischstämmigen Familien auftritt, muss die Aufklärungsarbeit besonders hier greifen. Eltern sollen über die gesundheitsfördernden Aspekte des Stillens, gesunde Ernährung und Adipositas-verhindernde Lebensweisen aufgeklärt werden. Eine Möglichkeit, die Eltern wirklich zu erreichen, könnte der Zugang über die Betreuungseinrichtungen der Kinder sein, zum Beispiel bei Elternabenden.
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